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Widerstand gegen NazisAnschlag vor Aufmarsch

Am Samstag wollen Neonazis wieder durch Bad Nenndorf marschieren. Auf das Haus einer Gegenaktivistin wurde ein Anschlag verübt - nicht zum ersten Mal.

So einfach wird es wohl nicht: Protest gegen trauermarschierende Neonazis im August 2010. Bild: reuters

BAD NENNDORF taz | Die Aktion war nicht bloß symbolisch. Einen mehrere Kilo schweren Stein warfen Unbekannte am Montag durch das Schlafzimmerfenster der Zweiten Vorsitzenden des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“. Vier Wochen zuvor war die Tür ihres Hauses mit Hakenkreuzen, Runen und „88“ besprüht worden. Dass hinter dem neuerlichen Anschlag Rechtsextreme stecken dürften, glaubt nicht nur die Betroffene selbst.

Seit einigen Wochen bereitet sich das Bündnis auf den „Trauermarsch“ vor, den die rechte Szene am Samstag in dem niedersächsischen Kurort abhalten will. „Für uns ist vollkommen klar, dass eine engagierte Antifaschistin eingeschüchtert werden soll“, sagt Jürgen Uebel, Vorsitzender des Bündnisses. Einen politischen Tathintergrund will auch Gerhard Böttcher vom örtlichen Polizeikommissariat nicht ausschließen. Konkrete Hinweise hätten die Ermittler aber noch nicht.

Die zeitliche Nähe von Aufmarsch und Anschlag ist für Übel ein Indiz für den Täterkreis. Auch vor vier Wochen waren neben der erwähnten Haustür auch das Nenndorfer Jugendzentrum sowie ein Gedenkstein zur Erinnerung an die nationalsozialistische Judenverfolgung jüdischer Menschen mit Nazi-Zeichen beschmiert worden. Ein weiteres Indiz nennt Uebel, dass in einer Mail an das Bündnis ein neonazistisches Netzwerk „Westfalen Nord“ ankündigte: „Lieber Jürgen, wertes Versagerbündnis (…) wir haben noch jede Menge Energie und Ideen“.

Vom Bahnhof aus wollen am Samstagmittag die Neonazis zum „Wincklerbad“ marschieren. Eine der angekündigten Rednerinnen legt die Tendenz nahe: Es ist die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel. Zum inzwischen siebten Mal wollen die Neonazis ausschließlich deutscher Opfer angeblichen alliierten Terrors gedenken: In dem Bad kam es auch zu Misshandlungen von Gefangenen. Sobald das bekannt wurde, schlossen die Briten das „Verhörzentrum“.

Am Abend will die rechte Szene obendrein in Hannover aufmarschieren. Diesen Umzug, angemeldet von Kameradschaftsgröße Dieter Riefling, verbot am Dienstag erstmal die dortige Versammlungsbehörde. Stattdessen soll „eine stationäre Kundgebung im Bereich des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) stattfinden“. Schon im vergangenen Jahr waren die Neonazis zunächst in Braunschweig und später am selben Tag in Peine aufgelaufen – wobei sie in Braunschweig nur eine Kundgebung durchführen konnten.

Grund für die erneute Doppelanmeldung der Rechten ist laut Steffen Holz, Regionalsekretär des DGB, der sich abzuzeichnende Protest: „Sie merken, dass in Bad Nenndorf die Luft für sie dünn wird.“ Holz selbst hat eine Gegendemonstration angemeldet. Insgesamt zehn Aktionen gegen rechts sind geplant. Die Rechtslage ist teils unklar. Keine Schwierigkeiten zu erwarten hätten diverse Partys auf Grundstücken an der Straße zum Wincklerbad, sagt Uebel: Privates Feiern lasse sich nicht verbieten.

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9 Kommentare

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  • N
    nebu

    irritierend ist, dass die konstruierte mitte der gesellschaft die über die rechtsapperate verfügt und die mittel vergibt, sich einbildet, es gebe so etwas wie einen kampf zwischen links- und rechtsextremen und man benötige lediglich ein wenig stiftungen die was über früher berichten und ein bischen angst vor dämon hitler machen und polizeipräsents auf einschlägigen naziaufmärschen und schon ist die demokratie im lot und alles kann gemütlich weiter shoppen und fersehen.

     

    doch so einfach ist es nicht: beispielhaft ist die in den büros der parteien und fraktionen vertretene ansicht der sogenannten hufeisentheorie, die längst als falsch und unwissenschaftlich enttarnt ist, die aber aufrecht erhalten wird, weil es sich als etablierte mitte darin so schön richtig anfühlt mitte zu sein und um zu wissen wo die anfängt, braucht man am stuhl nur links und rechts neben sich schauen und sagen: die sind extrem. blöd nur, wenn diese mitte von einem beliebigen archimedischen punkt aus gezogen wurde und immer wieder wird. wie sonst erklärt sich das die ehemals als außenstehende umweltpartei seit jahren nun in der mitte der gesellschaft empfunden wird und zwischen spaßpartei und wegbereiter für kriegseinsätze zum ganz normalen bürgerlichen wahnsinn platz genommen hat.

     

    des weiteren ist die vorstellung, faschismus und antisemitismus der im übrigen kein fester körper ist, den man einfach erfassen und eleminieren kann, durch gut zureden oder exekutive maßnahmen wieder verschwindet. im gegenteil jeder versuch mit verboten oder gewalt faschistische organisationen aus dem gesellschaftskörper zu verdrängen, führt nur zu erhöten widerstand und vertiefung in den gesellschaftskörper. zumal wie soll man etwas angreifen, wenn alle angriffe sich zunächst einmal gegen sich selbst richten müsste, hier gegen die behörden und institute des staates selbst, der nie frei von faschismus war und seit einigen jahren der offenlegung und gutheißung rechtsradikaler ideen einen rechtsruck erlebt hat, wie ihn zuletzt weimar kurz vor dem ende dieser phase deutschlands.

     

    deutschland hat ein massives problem nicht an seinen vermuteten rändern, sondern inmitten der ach so gutbürgelichen anstandskultur, die geleitet ist von leistungsdogmen, verklärten natürlichkeitsbegriffen und der alles unter sich begrabenden vorstellung zivilisierter zu sein als all die anderen kleineren gruppen und subgruppen in der brd, deren sexualität, hautfarbe, religion oder einfach nur bildungsstand. faschismus ist kein historisches fragment, das in die geschichtsbücher der schulen gehört um kindern angst zu machen, faschismus ist tagtäglcher bestandteil unserer gesamten gesellschaft und zieht sich in alle bereiche unseres lebens und alltags und bedarf keiner diskussion sondern bedarf der mutigen die aufstehen und sich auf der straße, in den schulen, in den freizeitstätten und sportplätzen engagieren und gesicht zeigen gegen rechte gewalt, rechte propaganda und jedem versuch sprachlich oder durch taten menschen künstlich zu selektieren in richtige und falsche, erwünschte und unerwünschte, natürliche und unnatüriiche.

     

    diese konstrukte haben uns zwei mal in den abrund gestürzt und wir sind nicht davor geschützt, wenn wir lediglich auf staat und bürger_innen vertrauen ein weiteres mal in die barberei abzugleiten, nur dieses mal nicht mit einem knall, sondern tag für tag, schleichend bis vom 21. jahrundert nichts mehr übrig ist und geschichte sich wiederholt.

     

    deshalb: geschichte ist machtbar... jeder kann sie gestalten. ziviler unghorsam und bedingungsloser kampf gegen den faschismus, rassismus und antisemitismus und seiner folgen sind tugenden die über gesetzte eines zweifelhaften staates herrschen müssen.

  • D
    dobermann

    @ Knorke

     

    kannst du mir mal verraten, warum sehr oft wenn es um straftaten von neunazis geht, leute kommen und lieber über straftaten von stalinisten-kindermörder-ausserirdische-und-sonst-wie-gruppen reden wollen?

     

    ich weiß nicht wie es den anderen hier geht, aber ich habe in den unterschiedlichsten blogs, die erfahrung machen müssen, das fast überall, wo das thema faschoschläger, nsu, rechte burschenschaften, rassisten, killerglatzen, .... ist, die diskussion nach den ersten 2 oder 3 kommentaren zum thema dann beendet ist und munter über dauerthema linke krawallos und ihre brennende mülltone am 1. mai eröffnet wird.

     

    warum ist es nicht möglich über nazis und die opfer von nazis zu reden, ohne ständig dieses rechts-links-ding von den 68iger durch zu kauen?

     

    warum ist es in deutschland nicht möglich, das wenn ein haus mit darin lebenden menschen von nazis niedergebrannt wird, zur demo danach die politische "elite" von spd-cdu-fdp-grüne-linke KOMPLETT vertreten ist?

     

    in anderen ländern, bei ähnlichen mordanschlägen geht das. hier nicht.

     

    in deutschland wird bei den unterschiedlichsten gesellschaftsthemen die rechts-links-diskussion eröffnet. es ist verdammt schwer hier, unideolgische debatten zu haben, weil immer irgend einer kommt und statt sachlich zu argumentieren ruft: nööö ... ich will das nicht, das ist mir zu links.

  • K
    Knorke

    @horst ewert:

    Sie empfinden es also als wichtig, wenn Antifa-Gruppen physisch aktive werden? Ihnen ist bekannt, dass sich deren physische Aktivität oft durch das Schmeissen von Steinen, Flaschen und anderen Wurfgeschossengegen Polizisten äußert und damit gegen Familienväter/-mütter die oftmals genauso die Schnauze voll haben von Nazis? Über die informelle Arbeit kann ich mich nicht äußern, da mir hier der Einblick fehlt.

     

    Leider bin ich aber oft genug auf Anti-Nazi-Demos mitmarschiert und musste im Nachhinein erleben, wie das positive Signal das viele andere Menschen und ich (auch öffentlich) setzen wollten durch militante Antifa-Idioten zu Nichte gemacht worden ist, da im Endeffekt die Medien nur die Krawalle einiger weniger Idioten aufgegriffen haben. Ich friere mir nicht bei Minusgraden mehrere Stunden den Arsch ab, damit irgendwelche Vollpfosten ihren Eventtourismus oder Aggressionen ausleben können. Die Tatsache, dass die Polizei hier nicht immer tätig werden kann liegt in der Tatsache begründet, dass auch braune Knalltüten Grundrechte wie Meinungsäußerung ect haben, egal wie dämlich diese Meinung auch sein mag.

  • D
    dobermann

    @ Knorke

     

    wem nützt es denn, wenn in genehme und weniger genehme nazi gegner aufgespalten wird?

     

    es gibt sehr viele beispiele, wo "bürger" und "antifaschischten" wunderbar zusammenarbeiten. @ horst ewert hat es ja schon auf den punkt gebracht: weder gibt es "den" bürger, der angeblich beim thema nazis desinteressiert ist, noch gib es "den" antifaschischten , der angeblich gewaltgeil ist.

     

    außerdem nervt es immer, wenn jedes mal zu neonazis die debate um linkrsradikale erweitert wird. wir sind nicht mehr in den 70iger.

  • DB
    Die bösen Migranten

    Ich verstehe gar nicht, was diese ganze üble Ausgrenzung Eurer Neonazis soll - sie sind doch ein Teil Eurer Gesellschaft. Die PI-Faschos haben doch auch ihren Platz unter Euch, also warum diese andauernde Ablehnung und Verfolgung der NPD-Fans?

     

    Leben und leben lassen (oder wie der alte Nazispruch sagt: Leben und töten lassen ...)

  • H
    Hamburgerin

    Herr Trasolt, "der VollstÖndigkeit sollte man noch erwÖhnen...." ??? Amüsant, wenn jemand über schlechtes Deutsch meckert und dann seine eigenen Kommentare nicht auf Korrektheit (und seien es nur Tippfehler) überprüft. Und abgesehen davon, was genau möchten Sie denn mit Ihrem Kommentar sagen?

  • HE
    horst ewert

    @ Knorke: bitte informier dich mal, bevor du solche unqualifizierten sachen schreibst. "die antifa" als homogene gruppe gibt es sowieso nicht. Nicht alle Gruppen sind militant (wobei ich es wichtig finde, dass es auch leute gibt, die sich physisch gegen die braune brut wehren - auf die polizei kann mensch da lange warten) - viele Antifagruppen machen einfach verdammt gute recherche- und aufklärungsarbeit, während deine ach so tollen "normalen bürger[innen]" ihren eignenen [sowie staatlichen rassismus] oftmals nicht hinterfragen und ihr gewissen mit netten demokratiefesten und lichterketten beruhigen...

  • K
    Knorke

    Die braunen Idioten bedienen sich also der gleichen Mittel wie die Antifa, wo ist da bitte die Nachricht/Neuigkeit? Antifa ist schon lange kein positiv besetzter Begriff mehr, denn sie sind mit ihren Aktionen und der gelebten Intolleranz dem braunen Moib näher als es einem Lieb ist. Das wahre Bollwerk gegen die Nazis sind die normalen Bürger die jedes Mal auf die Straße gehen, während die Antifa in den Seitenstraßen Steine schmeißt und Mülltonnen anzündet.

  • TT
    Thomas Trasolt

    "die nationalsozialistische Judenverfolgung jüdischer Menschen" Gutes Deutsch geht anders. Nur der Vollstöndigkeit sollte man noch erwöhnen, dass es in Bad Nenndorf zu Morden und Folterungen von Gefangenen durch die Britische Armee gekommen ist,-es besteht kein Grund, dies zu verharmlosen.