Widerstand gegen Nazi-Aufmarsch: „Ausdrücklich nicht erwünscht“
Nach dem 2. Weltkrieg befand sich im Bad Nenndorfer Wincklerbad ein Verhörzentrum der Briten. Seit Jahren marschieren dort im Sommer Rechtsextremisten auf. Doch die Bürger wehren sich.
Bad Nenndorf dapd | Friedlich hat ein breites bürgerliches Bündnis am Samstag im niedersächsischen Bad Nenndorf gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen protestiert. An der Aktion „Bad Nenndorf ist bunt“ beteiligten sich bis zu 700 Menschen, wie ein Polizeisprecher in der Kurstadt sagte. Weiteren etwa 250 Gegendemonstranten gelang es immer wieder, die Ankunft der Neonazis für mehrere Stunden zu verzögern.
Es kam zu Blockaden am Bahnsteig in Bad Nenndorf, wo sich unter anderem acht Protestler mit Fahrradschlössern am Hals aneinandergekettet hatten und somit den anreisenden Bahnverkehr vorübergehend lahmlegten. Das Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ unterstützen auch der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, und der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD).
Dabei forderte Trittin eine offene Auseinandersetzung mit dem Rassismus im Alltag. Das Spiel konservativer Politiker wie dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer mit fremdenfeindlichen Vorurteilen mache Neonazis salonfähig, sagte er. Ferner sprach sich Trittin erneut für ein Verbot der NPD aus und forderte mit Blick auf die Mordserie der NSU, „beim Verfassungsschutz neu anzufangen anstatt nur ein paar Führungsleute auszuwechseln.“
Seit 2006 ziehen Rechtsextremisten aus dem In- und Ausland jeden Sommer zum Bad Nenndorfer Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg ein Verhörzentrum für gefangene Nationalsozialisten eingerichtet. „Aus Tätern sollen Opfer gemacht werden“, sagte Trittin weiter und warf den Neonazis „eine grandiose Geschichtsfälschung“ vor.
Straßen und Plätze nicht „Menschenfeinden“ überlassen
Nach Einschätzung von Bad Nenndorfs Bürgermeisterin Gudrun Olk (SPD) sind Neonazis „ausdrücklich nicht erwünscht“ in der Stadt. „Bad Nenndorf bleibt ein Ort der Demokratie und Toleranz, in der Feinde der Demokratie keinen Platz haben“, sagte sie. „Wir sind weder bereit, unsere Straßen und Plätze diesen Menschenfeinden zu überlassen, noch die Herzen und Köpfe der nachwachsenden Generation“, sagte Edathy.
Rechtsextremismus sei zwar ein Stück Realität in unserem Land, doch er dürfe von Demokraten nicht als Normalität akzeptiert werden. Die Polizei war am Samstag mit etwa 2.000 Kräften und einer Drohne für Übersichtsaufnahmen im Einsatz. Die Lage sei bis zum frühen Abend ruhig geblieben, sagte der Sprecher.
Im Vorfeld hatten die Einsatzkräfte mit rund 2.000 Gegendemonstranten gerechnet. Auf Seiten der Rechtsextremen zählten die Beamten zu Beginn des „Gedenkmarsches“ am Nachmittag 461 Teilnehmer. 2011 waren 580 Rechtsextreme nach Bad Nenndorf gekommen, 2010 mehr als 1.000.
Mindestens ein Busfahrer des Schienenersatzverkehrs soll sich am Samstag geweigert haben, die Rechtsextremen in den Kurort zu fahren. So musste ein Teil der Neonazis zu Fuß von Haste nach Bad Nenndorf laufen. Bereits seit Freitag hatten sich vier Gegendemonstranten an eine sogenannte Blockade-Pyramide gekettet.
Angekettete ärztlich untersucht
Die Aktivisten lagen nach eigenen Angaben seit Freitagabend um 20.00 Uhr auf dem Platz vor dem Wincklerbad. Die Außenhülle der Pyramide besteht der Polizei zufolge aus Metall. Mit einer Endoskopkamera blickten die Beamten am Morgen ins Innere und überprüften den Aufbau.
Auch wurden die unter einem Zelt vor Regen geschützten Angeketteten ärztlich untersucht und später verpflegt. Um sie nicht zu verletzen, wurden die vier Protestler zunächst nicht aus der Pyramide befreit. Die Blockade habe den Neonazi-Aufmarsch nicht gestört, sagte der Polizeisprecher.
Auch in Hannover wollten sich die Rechtsextremen am Samstagabend versammeln. Dort waren ebenfalls Gegenveranstaltungen angemeldet worden. Bis 17.00 Uhr sei die Lage ruhig gewesen, mit den ersten Neonazis werde gegen 18.00 gerechnet, sagte ein Polizeisprecherin.
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