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"Wickie und die starken Männer"Rebell im Rock

Mit dem Kinofilm "Wickie und die starken Männer" belebt Bully Herbig den Zeichentreickhelden neu. Doch wohl nicht im Sinne des Erfinders, Runer Jonsson.

Wickie war die erste Transgender-Zeichentrickfigur. Auch bei der Realfilmversion ist auf den ersten Blick nicht ganz klar, ob der kleine Wikinger männlich oder weiblich ist. Bild: ap

Was ist da wohl drunter, unterm Wikingerrock? So ganz genau wusste man das nie bei Wickie, dem kleinen Helden der ZDF-Zeichentrickserie aus den Siebzigern. Vor allem auch, weil Wickie schlau, kreativ und den anderen weit überlegen war - so wie die Mädchen in den Kinderprogrammen damals: Wickie, die nordische Biene Maja mit ein bisschen was von Pippi Langstrumpf. Das einzige Indiz dafür, dass es wohl ein Junge ist, war, dass seine beste Freundin ein Mädchen war. Ganz so, wie es sich für Fernsehpaare gehörte.

So richtig eindeutig kann man die Genderfrage zumindest beim reinen Zusehen beim elfjährigen Jonas Hämmerle auch nicht klären, der ab sofort in Michael Bully Herbigs Realfilmversion von "Wickie und die starken Männer" die Hauptrolle spielt. Die Geschlechterdiffusität ist das Einzige, was von der rebellischen Geschichte rund um Wickie, seinen Vater Halvar und seinen Streitgenossen geblieben ist, ansonsten ist es ein kreuzbraver Kinderfilm. Runer Jonsson hätte das wohl nicht gefallen.

Der schwedische Schöpfer des cleveren Wikingerjungen war ein Held der Kleinen und Schwachen. "Sie waren Lieblingsbücher vieler Kinder, die nicht ganz den Durchbruch geschafft hatten, den sie verdienten", sagt Lars Johansson vom schwedischen Lokalblatt Barometern, der den Journalisten und Autor der sieben Wickie-Bücher als Kollegen kannte. Jonsson, der rund 50 Bücher schrieb, starb 2006 im Alter von 90 Jahren in der südschwedischen Kleinstadt Nybro. Seine Kindheit endete früh: Schon mit 12 Jahren musste er in einer Tischlerei arbeiten, später in einer Fabrik für Blechwaren, mit 13 schrieb er seine ersten Artikel für die Lokalzeitung Nybro Tidningen, mit 19 wurde er dort Redakteur, noch vor Kriegsbeginn Chefredakteur.

Wickie entstand, wie Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf, zuerst als Fantasiefigur für das eigene Kind: Jonsson suchte Anfang der Sechzigerjahre eine spannende Geschichte für seinen Sohn Bengt und erfand mit "Vicke Viking" den friedliebenden Wikingerjungen. Eine Parodie auf das Klischee der furchtlosen Nordmänner, das Wickies Vater Halvar verkörpert, der im Wettstreit mit dem schlauen Sohn stets unterliegt.

Angeregt zum "Wikingerstoff" wurde er von Frans Bengtsons bekannten Erzählungen "Röde Orm". Der Gelehrte Bengtson schrieb seine Nordmännergeschichten, obwohl drastisch und brutal, als eine Art Wirklichkeitsflucht in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, er nahm zu tagespolitischen Fragen keine Stellung. Ganz anders Jonsson.

Dessen Karriere begann in den Dreißigern, als die regierenden Sozialdemokraten das Folkhemmet (Volksheim) als politische Vision ausriefen und die bürgerlichen Berufe für das Arbeiter- und Handwerker-Milieu durchlässiger wurden. Jonsson war ein leidenschaftlicher Volkserzieher, ein Verfechter des "Folkhemmet". Er stritt über die Jahre mittels seiner Nyborg Tidning gegen Nationalsozialismus, Kommunismus, bunte Abendblättchen, übermäßigen Fernsehkonsum, Pornografie und den Profisport.

Auch der friedliebende Wickie, um das Befinden selbst seiner Feinde und allerhand Getier besorgt, war ein Verfechter des Gemeinwohls, "in dem der Stärkere nicht den Schwächeren unterdrückt", wie es der Sozialdemokrat Per Albin Hansson definierte. In den späten Sechzigerjahren nahm der Einfluss des Vielschreibers Jonsson jedoch ab. Dessen Ironie und Humanismus erschien in der sich radikalisierenden Gesellschaft Schwedens als überholt.

Die schwedischen 68er verhinderten zudem indirekt die Ausbreitung von "Wickie" in den USA: Die Haltung des damaligen schwedischen Bildungsministers Olof Palme gegen den Vietnamkrieg führte in den USA zu antischwedischen Kampagnen. Der US-Verlag, der Jonssons erstes Wickie-Buch gedruckt hatte, verweigerte den Abruck des nächsten. Mit schlau, kreativ war damals nichts. Egal ob als der oder die Wickie oder anderswie.

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11 Kommentare

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  • C
    Christian

    KANN TAZ NICHT MAL DIE IDEOLOGISCHEN FINGER VON EINEM KINDERFILM LASSEN? Wicki ist ein Junge, und wenn er ein Mädchen wäre, wär es auch sowas von egal....lasst doch bitte eure Gender-Wünsche woanders und den Kinderfilm bitte unpolitisch mit diesem spekulativen, "vom-Hören-Sagen"-Artikel, der null auf den aktuellen Film eingeht.

  • JE
    Johannes Eschl

    Was schreiben das für hirnlose Menschen?

     

    Kinder sind geschlechtslos: "Das Kind". Durch äussere und innere Geschlechtsmerkmale ist zwar vorgegeben, was das später mal wird, aber die Wahrnehmung der Kinder und ihre Entwicklung läuft, bis auf Gesellschaftliche Einflüsse, neutral auf.

     

    Es sind ja auch die gleichen Fähigkeiten, die weibliche oder männliche Menschen entwickeln müssen.

     

    In der Erzählung:

    So ist es auch die männliche Gesellschaft, die Wickie erzieht, ihn in seine spätere gesellschaftliche Rolle einführt. Die bildliche Darstellung im Film in einer der Folgen ist also nur notwendigerweise mit Pimmel.

     

    Und die Aussage des Artikels? Gibt es überhaupt eine? Dabei ist der Artikel so lange. Schade ums Papier.

  • BB
    Birgit Baßier

    Schon mal auf die Idee gekommen, dass der Film und seine Figuren nicht die Parteienlandschaft widerspiegeln will, sondern einfach nur Spaß machen soll? Und das womöglich auch Nichtakademikern? Ja er ist sicherlich ein Kinderfilm, aber einer, der erstaunlich nah an der Vorlage geblieben ist mit seinen Figuren, und auch ich als Erwachsene habe desöfteren herzhaft lachen müssen.

    Man merkt allen Beteiligten deutlich den Spaß an.

  • G
    genderman

    Wickie ist definitiv ein Mädchen: http://mad.blogger.de/stories/1266249/

  • G
    genderman

    Wickie ist definitiv ein Mädchen: http://mad.blogger.de/stories/1266249/

  • M
    Martin
  • K
    Korkie

    In dem Artikel ging es hauptsächlich darum die ursprüngliche Geschichte zu politisieren.

    Wickie, der gute Sozialist, der den armen und schwachen hilft...

    Halvar ist dann wahrscheinlich der böse Liberale, der den anderen nach den freien Wikinger-Marktmechanismen ("Rauben und plündern", macht ein "Bankster" ja auch ;-) ) den Besitz entziehen möchte.

    Man lernt daraus:

    Auch Geschichten aus Kinderbüchern lassen sich in das taz-Weltbild pressen.

  • R
    renzorozzo

    is ganz klar ein bub!

    siehe folge "die möveninsel" (?? oder so) in der wickies kleiner schniedel zu sehen war- beim baden mit ilvi...

  • HK
    H. Kunz

    Im Untertitel, groß und fett: der Film sei "wohl nicht im Sinne des Erfinders". Im Text: nur Beschreibung des Originals und seiner Zeit, kein einziger direkter Bezug zum Inhalt des Herbig-Films. Ist das "klingeln und weglaufen" oder Angst vor Herbigs Anwälten?

  • L
    lolucard

    Naja, eigentlich war es schon sehr offensichtlich, dass Wickie ein Kerl war.

    Ganz einfach deswegen, weil es jedes mal im deutschen Intro als Junge besungen wurde:

    "Die Angst vorm Wolf macht ihn nicht froh

    Und im Taifun ist's ebenso

    Doch Walfe hin, Taifune her

    Die Lasung fallt ihm gar nicht schwer"

  • N
    nyck

    Ob Wickie nun als Junge oder Mädchen definiert wird sollte heutzutage keine Rolle mehr spielen und ist in keinster Weise rebellisch, oder?

     

    Ich habe den Film mit meinen Kindern gesehen und fand ihn sehr liebevoll umgesetzt. Gerade für die Kinder wird eine tolle Abenteuerwelt aufgemacht. Die wird nun zwar auch durch Merchandising-Mist vollgepropft, aber da ist mir Wickie immer noch tausendmal lieber als Barbie und Co.

     

    Kuckt euch den Film mit Kindern an, das macht eine Menge Spass.