Wettskandal im italienischen Fußball: "Börsensystem der Korruption"
Fußballprofis der Serie A pflegen offenbar Verbindungen zum asiatischen Wettmarkt. Die Staatsanwaltschaft räumt auf: Vor laufenden Kameras werden Verdächtige verhaftet.
NEAPEL taz | Fußball-Italien erlebt gegenwärtig eine vierte Halbzeit. Im Fernsehen und im Internet sind überall Filmaufnahmen zu sehen, die aktuelle und ehemalige Fußballprofis bei ihrer Verhaftung durch die Polizei zeigen.
Am Montagmorgen stellte die Staatsanwaltschaft Cremona, die schon im Frühjahr mit hartem Durchgreifen gegen mutmaßliche Wettbetrüger im Calcio auf sich aufmerksam gemacht hatte, 17 neue Haftbefehle gegen teils schon bekannte Sünder sowie bislang im Dunkel gebliebene Hintermänner aus.
Sieben dieser Haftbefehle wurden vollstreckt. Ihnen fielen auch die Ex-Nationalspieler Cristiano Doni und Luigi Sartor zum Opfer. Doni, vom Sportgericht bereits wegen der Manipulation von drei Spielen seines Heimatvereins Atalanta Bergamo zu einer dreieinhalbjährigen Sperre verurteilt, soll noch versucht haben, Beweismittel zu vernichten. Als er vor Sonnenaufgang am Montag festgenommen wurde, waren bereits die Kameras aufgebaut.
Bei Sartor, den die Staatsanwaltschaft für den Verbindungsmann zwischen asiatischen Wettpaten und der sogenannten "Bologneser Gruppe" um den Ex-Nationalstürmer Beppe Signori hält, waren die Kameras immerhin zur Stelle, als der frühere Juve-, Roma- und Inter-Profi die Staatsanwaltschaft Parma verließ.
Stolze Betrügerjäger
Hatte man sich gerade an Fernsehkameras in Umkleideräumen und mediale Begleitung von Shoppingausflügen einiger Stars gewöhnt, so ist mit dem "Jail-TV" eine neue Stufe erreicht. Medial zugelegt hat auch die Staatsanwaltschaft Cremona. Bei der überfüllten Pressekonferenz Montagmittag hing über den Köpfen der stolzen Betrügerjäger ein großes Plakat mit der Aufschrift "Last Bet". "Last Bet" (letzte Wette) lautet der Name der Operation.
Den Ermittlern muss man zugutehalten, dass ihre Arbeit nicht nur großen Spektakelwert, sondern auch viel Substanz enthält. Denn erstmals wurde die in den letzten Monaten immer wieder angedeutete Verbindung zum asiatischen Wettmarkt belegt. Staatsanwalt Roberto Di Martino lieferte ein Organigramm des Betrugssystems: "Die Basis ist Singapur. Die operativen Zentren befinden sich in Osteuropa. Gewettet wird vornehmlich bei asiatischen Wettanbietern, weil sich dort etwaige Kontrollen besser umgehen lassen. Beeinflusst werden Spiele der italienischen Meisterschaften und der Wettbewerbe anderer Länder."
Einflussreicher Wettpate aus Singapur
An der Spitze der Pyramide steht Di Martino zufolge der Singapurer Eng Tan Seet. Der ist auch unter dem Namen Dan Tan bekannt und wurde in einer Sommerausgabe des Magazins Stern als einflussreicher Wettpate porträtiert. Als Journalisten der Singapurer Zeitung The New Paper Dan Tan in dessen Haus aufsuchten, stritt der zwar jegliche Manipulation ab. Er gab aber zu, mit einem in Finnland wegen Manipulationsversuchen festgesetzten Landsmann in geschäftlicher Beziehung gestanden zu haben.
Finnische Ermittler werfen Dan Tan zudem vor, dass er mit 300.000 Euro den Erstligaklub Tampere United bestochen haben soll. Tampere wurde deshalb aus der ersten finnischen Liga verbannt. Von Dan Tans früherem Kompagnon in Finnland haben die italienischen Staatsanwälte nun auch erfahren, dass die Gruppe zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Euro pro manipuliertem Spiel einsetzte.
Wie viel davon bei den lokalen Operateuren Doni, Sartor und Signori ankam, ist derzeit noch unklar. Die Staatsanwälte sprechen von einem "internationalen Börsensystem der Korruption". Und das ist derzeit tatsächlich interessanter als der Verlauf der Serie A. Die Kameras sind also doch gut positioniert.
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