Wettmafia in der 4. Liga: Die andere Geschichte
Spielern des Viertligisten SV Wilhelmshaven soll angeboten worden sein: Geht das Spiel gegen Meppen verloren, gibt es Geld.
WILHELMSHAVEN taz | Der Abend endet damit, dass Steffen Puttkammer, 23, Kapitän des SV Wilhelmshaven, einem Kumpel begegnet. Auf der Treppe zum VIP-Raum, die steil ist, wenn man gerade 90 Minuten gegen den SV Meppen gekickt hat. Sie geben sich die Hand, der Kumpel fragt: "Isses?" Und Puttkammer: "Könnte besser sein."
2:5 hat der SVW verloren, ist Tabellenletzter der Regionalliga Nord. In dieser Saison steigt keiner ab, und so kickt der SVW mit einem Team, das Oberliga-Niveau hat. Verlieren macht trotzdem keinen Spaß. "Ich weiß bald nicht mehr", sagt Trainer Christian Neidhart, "was ich meinen Spielern noch erzählen soll."
Und dann ist da noch "diese andere Geschichte", wie Pressesprecher Jörg Schwarz sagt. Die beginnt am vergangenen Dienstag. Die Mannschaft trifft sich zum Kochen, rund ums Qualifikationsspiel Deutschland-Belgien. Dabei erzählen sie sich was, zum Beispiel, dass einer von einem Ex-Mitspieler angesprochen worden sei, der nun in der Landesliga-Mannschaft spielt, gegangen seis um das Spiel gegen Meppen.
Geld - fürs Verlieren
Da meldet sich ein Zweiter, ihn habe der Spieler auch angesprochen, es folgt ein Dritter, und so geht das weiter. Das lief per SMS und Facebook. Alle reagieren mit "spinnst Du?" Einer berichtet, der Spieler habe ihm Geld geboten: ein paar tausend Euro - fürs Verlieren.
Keiner hat das Ernst genommen, aber nun? Kapitän Puttkammer geht am nächsten Tag zum Trainer, der Trainer sagt zum Pressesprecher: "Wir müssen reden." Der Pressesprecher ruft den Vereinsvorsitzenden Hans Herrnberger an. Geschäftsführer Bernd Kirchner wird informiert, der spricht mit Markus Stenger, beim DFB für die Regionalligen zuständig. Und mit dem DFB-Kontrollausschuss, der jemanden zum Spiel am Freitag schickt. "So geschockt wie wir war der DFB nicht", sagt Schwarz, "die kennen das schon." Bis zum vergangenen Mittwoch hatte Schwarz gedacht: "So was passiert in Berlin, nicht bei uns."
Verfahren eingeleitet
Der DFB hat ein Verfahren eingeleitet und ermittelt. In den nächsten Tagen werden der Verdächtige und die Zeugen gehört. Die Polizei hat den Spieler schon vernommen, der Verein hat ihm gekündigt und Stadionverbot erteilt. Der Spieler, um den es geht, wurde, sagt Neidhart, "vor fünf Wochen zur zweiten Mannschaft versetzt, weil es für die erste nicht reicht". Vom SVW bekam er 400 Euro pro Monat. Geschäftsführer Kirchner nennt ihn "armer Kerl", bei den Spielern heißt er "hohle Nuss".
Am Donnerstag diskutieren die Verantwortlichen, wie sie mit "der Geschichte" umgehen: offensiv, also an die Öffentlichkeit gehen, oder defensiv. "Stellen Sie sich vor", sagt Schwarz, "wir verlieren gegen Meppen und hinterher kommt was raus." Alle würden denken, dass doch manipuliert wurde. Also offensiv.
Für Sprecher Schwarz ist es "eine Katastrophe". Geschäftsführer Kirchner fürchtet zunächst: "Das bricht uns das Genick." Ein Tabellenletzter im Geruch von Spielmanipulation, da kommt kein Aas mehr. Gegen Meppen sind fast 800 Zuschauer im Jade-Stadion, mehr als sonst. Inzwischen ist Kirchner sicher, "dass wir auch das überstehen".
"Alles richtig gemacht"
Hans Herrnberger, seit 27 Jahren SVW-Vorsitzender, fände "Absteigen schlimmer". Für ihn ist entscheidend: "Wir, als Verein, haben alles richtig gemacht." Er isst einen Happen. "Ich bin schwer aus der Ruhe zu bringen", sagt er. Herrnberger vermutet die Wettmafia als Drahtzieher, es müsse um die Höhe des Siegs der Meppener gegangen sein. Wenn Herrnberger überschlägt, wie viel Geld man hätte investieren müssen, um die angesprochenen Spieler zu korrumpieren, kommt er auf 15.000 Euro.
Trainer Neidhart will darüber nicht nachdenken. Seine Nerven sind angespannt: Da ist das prekäre Sportliche und dann die "andere Geschichte". Vielleicht muss sich Wilhelmshaven sagen: Wenn es eine Stadt gibt, die das aushält, Letzter und die Wettmafia im Haus - dann wir.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!