Wettbewerb Berlinale 2015: Burn-out im Sonnenuntergang
Terrence Malicks „Knight of Cups“ zeigt die Fragmente einer Lebenskrise und gibt viele Ratschläge, die vom Neuanfangen handeln.
Schöner wohnen heißt nicht unbedingt schöner leben. Fragen Sie mal Rick (Christian Bale), der wohnt prima und hat trotzdem üble Laune. Der Film, in dem Rick die Hauptfigur ist, möchte ihm eigentlich mit allen Mitteln ästhetischer Evokation aus der Misere helfen. Naturschönheiten wohin man blickt. Wüstenlandschaften, Sonnenuntergänge, Meeresbrandungen gleiten vorbei, vernäht durch elegante Bewegungsschnitte. Der dazugeschaltete Musikteppich legt elegische Hochstimmung und innere Einkehr nahe.
Junge Frauen und Hunde geben sich in großer Munterkeit Swimmingpoolaktivitäten hin. Alles nur für Rick, der nicht sehen, der nicht hören will. Aber das hält Terrence Malicks Wettbewerbsbeitrag „Knight of Cups“ natürlich nicht vom Reden ab. Off-Stimmen erzählen unermüdlich Geschichten von Rittern, Pilgerreisen und Perlen, die nicht verlieren sollte, wer sein Leben nicht verschlafen will. Viele gute Ratschläge sind darunter, die vom Neuanfangen und Momentgenießen handeln. Die erreichen Rick aber nicht, sein Burn-out ist so total, dass der Film die anhängige Symptomatik komplett mitübernimmt. So wenig Form-Inhalt-Schere war selten.
Ein Kern der Krise, soweit das per Ferndiagnose zu erkennen ist, sind neben allgemeinem Überdruss zahlreiche Beziehungsprobleme. Ein gescheiterte Ehe, eine unergiebige Affäre nach der anderen. Ständig junge Frauen, die sich ungefragt ausziehen und durch Hotelzimmer gejagt werden wollen. Malick filmt die meisten bevorzugt mit abgeschnittenem Kopf, das nennt man wohl Einfühlung.
Dem Neuanfanggesäusel überdrüssig
Cate Blanchett spielt Ricks Ehefrau. Sie lacht nur einmal, wenn sie mit einem animierten Stoffhund interagiert. Kurz darauf rettet Blanchett noch einer Biene das Leben, die in einem der geschätzt fünfzehn Pools des Films zu ertrinken drohte.
Dann taucht Natalie Portman auf.Portman lässt Bale ausgiebig an ihren Zehen saugen, fängt dann allerdings in der nächsten Szene an von einer möglichen Abtreibung zu sprechen. Soviel zur Stimmungsaufhellung. Ähnlich wenig hilfreich sind die Hollywood-Partys, die Rick besucht. Die wenigen Smalltalk-Sprachfetzen, die zu ihm durchdringen, lassen alle Hoffnung auf ein Gelingen im Sozialen schnell fahren.
Am konsequentesten an „Knight of Cups“ ist, dass er tatsächlich exakt so aussieht und funktioniert, wie der Trailer. Nur eben auf zwei Stunden gestreckt. Es könnte ewig weitergehen, ohne einen Unterschied zu machen. Fragmente einer Krise als Serie, die bewusst nie erzählt, sondern immer wieder mit den gleichen rhetorischen Mitteln heraufbeschworen wird. Als sei Malick seiner Trademarkbilder, dem aufwallenden Kameragleiten, den hyperfluiden Bewegungsmanöver, dem Natur- und Neuanfanggesäusel selbst überdrüssig geworden. Mit „Knight of Cups“ läuft das Leerspielen dieser filmischen Gesten zu Hochform auf.
9.2., 12 Uhr; 11. 2., 9.30 Uhr; 13. 2., 15 Uhr; Friedrichstadt-Palast
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