Westerwelle hackt auf Hartz IV ein: Gegen den geistigen Sozialismus
Ausbeutung der Melkkühe der Gesellschaft, Körperverletzung, geistiger Sozialismus – Außenminister Westerwelle wettert gegen das Hartz-IV-Urteil. Kurt Beck fordert eine Entschuldigung.
BERLIN/PASSAU dpa/apn | Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hat den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle (FDP) aufgefordert, sich bei Hartz-IV-Empfängern zu entschuldigen. Dessen Äußerungen zum Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts seien "empörend", sagte Beck am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung Maybrit Illner. "Wer so etwas sagt, hat die Lebensrealität der Menschen völlig aus dem Auge verloren. Ich finde, da ist eine Entschuldigung fällig", sagte der SPD-Politiker.
Westerwelle hatte nach dem Karlsruher Urteil unter anderem beklagt, es scheine in Deutschland "nur noch Bezieher von Steuergeld" zu geben, aber "niemanden, der das alles erarbeitet".
Westerwelle bekräftigte unterdessen Teile seiner Kritik: "Die Diskussion über das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sozialistische Züge", sagte er der Passauer Neuen Presse zufolge. "Wenn man in Deutschland schon dafür angegriffen wird, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet, dann ist das geistiger Sozialismus", erklärte er.
Kleine und mittlere Einkommen dürften nicht länger "die Melkkühe der Gesellschaft" sein. Die wütenden Reaktionen aus dem linken Lager zeigten doch, dass er den Finger in die Wunde gelegt habe. "Für viele Linke ist Leistung ja beinahe eine Form von Körperverletzung. Dagegen wehre ich mich", erklärte der Bundesaußenminister Westerwelle.
Wer seinem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, sorge dafür, dass man alles verliere, sagte Westerwelle. "Deswegen mögen mich die Sozialdemokraten aller Parteien kritisieren, es bleibt dabei: Leistung muss sich lohnen, und es gibt keinen Wohlstand ohne Anstrengung und Leistung." Dass eine verheiratete Kellnerin mit zwei Kindern im Durchschnitt 109 Euro weniger verdiene, als wenn sie Hartz IV beziehen würde, sei ungerecht.
Heftige Kritik an den Äußerungen des FDP-Chefs kam von der Opposition und den Gewerkschaften. Sozialleistungen seien "keine Gnadengabe, sondern Verpflichtung eines demokratischen Rechtsstaats, der die Menschenwürde garantiert", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach von einer "Beleidigung für Millionen Langzeitarbeitslose".
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schloss in der Sendung Maybritt Illner höhere Kosten für den Staat durch das Karlsruher Urteil nicht aus. Diese könnten vor allem dadurch entstehen, dass der Richterspruch den Berechnungsmodus der Hartz-IV-Sätze für Kinder infrage stelle. "Das kann die Sache teurer machen und das ist dann auch richtig", sagte sie.
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