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Wertfrei und praxisnah

■ betr.: "Wider den Populismus", taz vom 21.5.92

betr.: „Wider den Populismus“ von Antje Vollmer, taz vom 21.5.92

Antje Vollmer hat's herausgefunden. Der „Populismus“ ist an allem schuld. Sie erklärt zwar vorsichtshalber nicht genau, was sie damit meint, aber schuld hat er trotzdem. Wenn man unter „Populismus“ das Aufnehmen und politische Umsetzen von spontanen artikulierten Reflexen einer jeweiligen Bevölkerungsmehrheit versteht, und unter der von ihr genausowenig erklärten „Politik“, die man dagegensetzt, das Erarbeiten und Umsetzen von für „das Gemeinwesen“ wichtigen Handlungs- und Verhaltensalternativen, muß man auch Wege aufzeigen, wie man zu diesen Alternativen kommt und was „das Gemeinwesen“, das auch vor „pathetisch vorgetragenen kollektiven Einzelinteressen“ Vorrang haben soll, denn nun ist?

Parteiverdrossenheit liegt meiner Ansicht nach eher an der zunehmenden Erkenntnis, daß alle Parteien die Bevölkerung verarschen, indem sie aus Machtgeilheit weiterhin so tun, als wüßten sie Lösungen für die weiterhin bestehenden Probleme, statt auch nur ein einziges Mal einzugestehen, auf der Suche nach Antwortversuchen zu sein und Hilfe von der Bevölkerung zu brauchen, von den Vormalsterblichen ohne Mandat. Populismus i.d.S. ist zur Entwicklung von Handlungsalternativen wenig hilfreich, weil er instabil ist und neue Mehrheitsreflexe nicht rational zu den alten passen müssen, Problemlösung so also völlig ineffizient wird und, weil unreflektiert, auch blind kapitalistisch. Bei Vollmer hab' ich jedoch den Eindruck, sie, die ja weiß, wo die Ursache des Übels liegt, möchte den Populismus durch ebenso wert-freie PolitikerInnen ersetzen, die, „am Gemeinwesen orientiert“, „praxisnah“, mit „solider Politikausbildung“ und einer „neuen Ethik“ ... ja was denn?, weiterhin regieren, als wüßten sie immer noch über alles bestens Bescheid. Michael Lobeck, Bonn

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