Werke von Gerhard Richter für Berlin: Das Multioptionsmuseum
Pressekonferenz zum Museum des 20. Jahrhunderts. Außer der Zusage der „Gerhard Richter Kunststiftung“ für eine Dauerleihgabe gab es wenig Neues.
Ob Raubkunst im Humboldt Forum, Reformstau in eigener Sache oder der umstrittene Neubau eines Museums des 20. Jahrhunderts (M20): die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) produziert derzeit vor allem Negativschlagzeilen. Umso größer wurde die Ankündigung, Gerhard Richter stelle mehr als 100 Kunstwerke als Dauerleihgaben für das zukünftige M20 am Kulturforum in Aussicht, Mitte März als Erfolg gefeiert.
Richter zählt zu den weltweit gefragtesten Künstlern. Eine solche Anzahl von Werken für das neue Museum in Berlin zu sichern, darunter sein „Birkenau“-Zyklus, der 2014 in Auseinandersetzung mit von Häftlingen im Vernichtungslager aufgenommenen Fotos entstand, ist zweifellos ein Coup.
Die genauen Modalitäten im Vertrag zwischen der „Gerhard Richter Kunststiftung“ und der SPK konnte Stiftungspräsident Hermann Parzinger auf einer am Montag einberufenen Online-Pressekonferenz zum M20-Thema allerdings noch nicht erläutern: An den Verträgen werde derzeit „noch gearbeitet“.
Parzinger versprach, dass die „wesentlichen Punkte der Vereinbarung“ nach Vertragsunterzeichnung öffentlich gemacht würden. Joachim Jäger, kommissarischer Direktor der Neuen Nationalgalerie, betonte, die Werke würden für „lange Zeit“ bleiben – als Dauerleihgabe gehören sie dem Museum allerdings eben nicht für immer.
Die Kooperation hat ihre Tücken
Die Kooperation zwischen öffentlichen Museen und Stifter*innen – in der Regel Privatsammler*innen – hat ihre Tücken. Jahrzehnte finanzieller und personeller Unterausstattung haben die Museen in die Abhängig von Sammlerinteressen gebracht – gerade in Berlin. Schlechte Erfahrungen machte man etwa mit Erich Marx, der dem Gegenwartsmuseum Hamburger Bahnhof einst einen eigenen Kurator diktierte, der sich auch als Kunsthändler betätigte.
Wo Bund und Länder beim Geld für das museale Sammeln, Ausstellen und Vermitteln knausern – und damit Hauptverursacher der Berliner Museumskrise sind –, sprudeln die Finanzquellen für neue Bauaufgaben der Preußenstiftung. Aktuell soll das M20 nach Plänen des Schweizer Architekturbüros Herzog & de Meuron mit insgesamt 9.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche rund 450 Millionen Euro kosten.
Der Entwurf sieht eine kompakte Scheunenform mit Satteldach und riesigen Schiebetoren vor, in deren Innerem sich zwei sogenannte „Boulevards“ kreuzen. Wer dabei an ein klassisches Mall-Konzept denkt, liegt nicht ganz falsch. Jacques Herzog verspricht „ein vielfältig bespielbares Museum“, das „kein großer Dampfer“ sein soll.
Das vorgelegte Nutzungskonzept der SPK setzt denn auch auf einen Mischbetrieb. Der Grund für den Neubau, angemessene Präsentationsflächen für die Sammlung der Neuen Nationalgalerie zu schaffen, erscheint nur mehr als eine Funktion unter vielen in einem Museum, das Angst vor sich und seinen Kernaufgaben zu haben scheint.
Dezidiert kein Museum der Moderne
Dazu passt eine Namenspolitik, wonach das Haus dezidiert kein Museum der Moderne werden soll. Ein eher symbolischer Abschied von der westlichen Kulturhegemonie. Denn nach wie vor sollen, so erklärte es Jäger, vor allem die um die Sammlungen Pietzsch und Marzona erweiterten Bestände der Nationalgalerie zum 20. Jahrhundert gezeigt werden: in thematisch-assoziativen Blöcken wie „Ost/West“ und „Körper und Rollenbilder“ geordnet.
Mit Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek sollen aber noch zwei weitere Mitanbieter mit eigenem Programm und sogar eigenen Vermittlungsräumen kommen wie einem geplanten „Paper Lab“. Eine wichtige Rolle in der, laut Plan, teilweise Tag und Nacht geöffneten Architektur sollen zukünftig die Gastronomie spielen sowie frei zugängliche Räume für Konzerte und Performances.
Damit mag die Last der Geschichte, die sich ein Museum „des 20. Jahrhunderts“ als Teil der Nationalgalerie aufbürdet, heruntermoderiert sein. Dennoch schaffen Architektur und Nutzungskonzept ein irritierendes Gefälle zwischen der in eigenen Räumen inszenierten „teuren“ und „richtigen“ Kunst von Gerhard Richter oder Joseph Beuys und möglichst viel „Multioption“.
Fraglich, ob es so gelingt, dem Kulturforum unweit der Potsdamer Platz Arkaden Urbanität einzuhauchen – wo der Neubau mit seiner langen Klinker-Fassade zur Potsdamer Straße diese keineswegs überbrücken und die städtebauliche Situation nur verfestigt wird.
Kein Sammlermuseum?
Während Parzinger betonte, das M20 würde „kein Sammlermuseum“ – trotz erneuter Aufstellung der Sammlung Marx –, ist die Kooperation mit der „Gerhard Richter Kunststiftung“ ein Novum. Das hat auch mit der Preisentwicklung auf dem hoch spekulativen Kunst- und Auktionsmarkt zu tun.
Weil im Spitzensegment seit Langem utopisch hohe Preise aufgerufen werden, ist es für die öffentliche Hand unmöglich geworden, wichtige Werke aus diesem Bereich anzukaufen. Aufgrund der anfallenden Schenkungsteuer sei sogar Kunst zu schenken schlicht zu teuer geworden, erklärte Joachim Jäger am Montag.
Künstler*innen und Nachlassverwalter*innen gründen daher Stiftungen, die als Leihgeber fungierten. Keine gute Nachricht für Museen. Sie müssen unabhängige Orte des Sammelns, Forschens und der Vermittlung sein und dürfen nicht Verschiebebahnhöfe für Kunst-Leihgaben werden.
Für eigene Ankäufe stehen den drei Häsern der Nationalgalerie aktuell 65.000 Euro im Jahr zur Verfügung. 1990 hatte der damalige Nationalgalerie-Direktor Dieter Honisch dafür immerhin noch einen Etat von rund 2 Millionen D-Mark.
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