Werders Rückschlag im Aufstiegsrennen: Werner stolpert über alte Liebe

Ole Werner hat das Team von Werder Bremen entfesselt. Völlig richtig, auch wenn das gegen Kiel schief ging und der Aufstieg nun in Gefahr ist.

Werder-Trainer Ole Werner spreizt die Hände, als wolle er bremsen

Versuchte gegen Holstein Kiel vergeblich, Ruhe ins Werder-Spiel zu bringen: Trainer Ole Werner Foto: Carmen Jaspersen/dpa

BREMEN taz | Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher hätte seinen Bremer Amtskollegen warnen sollen. Vielleicht hätte Andreas Bovenschulte dann nicht via Twitter den Rathausbalkon für eine Werder-Aufstiegsfeier ins Spiel gebracht. Tschen­tscher hatte 2019 bereits nach dem 18. Spieltag Ähnliches für den HSV avisiert – die Feier hat bis heute nicht stattgefunden. Werder ist eine Woche nach dem Rathaus-Tweet nur noch dritter und in der Stadt geht die Angst um.

Der 4:1-Sieg auf Schalke hatte in Bremen manche Augen dafür getrübt, dass eine Niederlage die Mannschaft aus den direkten Aufstiegsrängen kippen könnte. Dass das gegen das vom Abstiegskampf befreite Holstein Kiel passieren könnte, schien für Teile des Anhangs und der Medien nur eine theoretische Option.

Die frühe Führung zum 2:0 bestätigte nicht nur diese Erwartungshaltung – sie versetzte auch die Mannschaft in das Gefühl, man werde die Sache schon nach Hause schaukeln. Sorglosigkeit in Chancenverwertung und Abwehrarbeit war die Folge. Die Ernüchterung nach der 2:3-Niederlage ist nun so groß, dass der Club auf Twitter anbietet, sich auf einer „Abf*ckliste“ den Frust von der Seele zu schreiben.

Von Kritik verschont bleibt dort Trainer Ole Werner. Trotz der Niederlage gegen dessen Ex-Klub, für den er 15 Jahre gearbeitet hat, ist jedem in Bremen klar, dass Werder ohne ihn gar nicht in die Situation gekommen wäre, zwei Spieltage vor Saisonende noch um den Aufstieg mitzuspielen. Als der gebürtige Preetzer am 16. Spieltag den Job von Markus Anfang übernahm, war Werder Zehnter und lag neun Punkte hinter dem jetzt punktgleichen Tabellenzweiten Darmstadt 98.

Seine beiden Vorgänger Florian Kohfeldt und Anfang neigten dazu, der Mannschaft ihre Vorstellungen überzustülpen – bei Anfang ging das so weit, dass er ein Spielsystem vorgab, für das gar nicht die geeigneten Spieler da waren. Seit Werners Amtsantritt scheint die Mannschaft von unsichtbaren Fesseln befreit. „Meine Aufgabe ist es, die Mannschaft da abzuholen, wo sie gerade ist“, lautet ein zen­traler Werner-Satz. Er versuche der Mannschaft möglichst viele klare Handlungsoptionen mitzugeben. „Aber es darf kein Korsett sein.'‘ Werner weiß, dass eine Mannschaft ein Eigenleben braucht, das ihr die Fähigkeit gibt, sich selbst zu organisieren.

Das ist gegen Kiel schiefgegangen, bleibt aber der richtige Weg. Nach dem 6:0-Sieg von Darmstadt gegen Aue am Samstag muss Werder nun die letzten beiden Spiele in Aue und gegen Regensburg gewinnen. Selbst dann wäre nur die Relegation, wahrscheinlich gegen den VfB Stuttgart, sicher – für den direkten Aufstieg sind darüber hinaus Punktverluste von Schalke 04 oder Darmstadt 98 nötig.

Aber die Grün-Weißen waren in dieser unberechenbaren 2. Liga bislang immer dann am stärksten, wenn sie aus der Verfolgerposition kamen. Genau wie ihr Trainer. Der war in der vergangenen Saison mit einer corona-geschwächten Kieler Mannschaft an den letzten beiden Spieltagen noch auf den Relegationsplatz abgerutscht. In dieser Saison hat er die Möglichkeit, den Spieß umzudrehen und am Ende oben zu landen. „Du musst so mit den Dingen umgehen, wie sie sind und den Blick nach vorne richten“, sagt er. Auch ein typischer Ole-Werner-Satz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.