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Werbung"Polizei darf Spaß machen"

Die Polizeiinspektion Göttingen veranstaltet ein PR-Fest mit Polizeikasper und Schlagstockshow. Das Thema Polizeigewalt wird ausgeklammert und öffentlicher Protest von der Veranstaltung ferngehalten.

Nachwuchswerbung der Polizei Göttingen: Neben Miniaturversionen der Schutzausrüstung der Bereitschaftspolizei darf auch der Polizeikasper nicht fehlen. Bild: Kai Budler

Als um 12 Uhr mittags der Polizeihubschrauber in den Göttinger Leineauen landet, bläst er jede Menge Dreck in die Gesichter der Schaulustigen. Trotzdem geht von der Maschine eine große Faszination aus, vor allem Kinder stürmen auf sie zu. 150 PolizeibeamtInnen sind am Samstag rund um die Polizeiinspektion im Einsatz.

Es ist der dritte Tag der offenen Tür der Göttinger Polizei. 12.000 Menschen sind gekommen, 23.000 weniger als noch beim letzten Fest vor fünf Jahren. Ein umfangreiches Programm und angenehmes Spätsommerwetter locken auf das Gelände um die Wache.

Da zeigen zum Beispiel die Hunde der Hundeführerstaffel Göttingen, was sie können. Das Publikum staunt und applaudiert, als einer der Hunde eine Leiter erklimmt. Auch drinnen im Gebäude gibt es Angebote: bei einer Führung kann man Gefangenenzellen besichtigen, an anderer Stelle darf mit Laserpistolen geschossen werden.

"Es gibt ein hohes Interesse in der Bevölkerung, bei der Polizei zu Besuch zu sein", sagt Polizeipräsident Robert Kruse bei seiner Rede auf der "Showbühne". Dazu seien heute alle eingeladen. Die Vertrauensbasis zwischen Polizei und Bevölkerung will der Polizeipräsident so stärken. "Vertrauen Sie nicht immer nur den Mediendarstellungen, machen Sie sich ein eigenes Bild", sagt Kruse. In den vergangenen Wochen hatte die Göttinger Polizei in der Presse viel Kritik einstecken müssen. Doch daran soll heute niemand denken: "Polizei darf auch Spaß machen", sagt der Polizeipräsident.

Die 5. Bereitschaftspolizeihundertschaft zeigt in zwei Aufführungen, was sie alles mit ihrem Schlagstock anzustellen weiß. Zu Technomusik führen sie eine Show auf, die bisweilen an eine Tanzveranstaltung erinnert. Auch Kampfsituationen werden simuliert. "Wir wollen zeigen, das es nicht so einfach ist, einen Polizeibeamten anzugreifen", sagt Inspektionsleiter Thomas Rath. Der Schlagstock sei "nichts Cooles und nichts Tolles, aber die letzte Möglichkeit, die Kollegen zu schützen". Dann setzt der Bass der Musik ein und zwei muskulöse Beamte schwingen ihre Schlagstöcke durch die Luft.

Wenige Meter weiter läuft ein kleines Mädchen in einer Miniaturversion der Schutzausrüstung der Bereitschaftspolizei. Ihr stolzer Vater eilt hinterher und schießt Fotos. "Wir wollen auch Nachwuchswerbung betreiben", gibt Polizeipräsident Robert Kruse zu. In einer Garage tritt der Polizeikasper auf.

Es sind die glanzvollen Aspekte der Polizeiarbeit, die zur Schau gestellt werden. Das Thematisieren von Missständen wird anderen überlassen: eine Kundgebung vor der Tür fordert das "Ende der Polizeigewalt", fernab von jedem Publikumsverkehr. Das Göttinger Ordnungsamt hatte die Infotische auf die gegenüberliegende Straßenseite verlegen lassen - aus Sorge, die Gäste der Polizeiveranstaltung könnten "irritiert" werden.

"Unsere Kritik ist, dass die Polizei sich hier heute als zivile Kraft selbst inszeniert und mit einem großen Familienfest auf dem eigenen Gelände selber darstellen möchte", sagt Moritz Keppler von der Grünen Jugend Göttingen. "Das halten wir für eine undifferenzierte Darstellung." Bierzeltgarnitur und Campingpavillon bilden den Stand, an dem unter anderem die aktuelle Studie von Amnesty International ausliegt. Dass der Stand nicht vor dem Polizeigelände stehen darf, ärgert Keppler zwar, wundert ihn aber nicht. "Das kennen wir doch von der Polizei", sagt er.

Eine Gruppe der Organisation "Bürgerinnen und Bürger beobachten die Polizei" versucht, Flugblätter auf dem Gelände der Inspektion zu verteilen. Darin rufen sie zu Zivilcourage auf - immerhin das Thema des Polizeifestes. Wohl aber weil es Zivilcourage gegen Polizeigewalt ist, die gefordert wird, müssen die PolizeibeobachterInnen wieder gehen. Ex-Kripo-Chef Volker Warneke persönlich weist sie vom Gelände. "Ich verteile bei Ihnen zu Hause ja auch keine Flugblätter", sagt er.

Bei der Gruppe stößt das auf Unverständnis: "Wenn die Polizei tatsächlich Courage gehabt hätte, hätte sie ja die Gelassenheit haben können, auch mal eine kritische Stimme zuzulassen", sagt Polizeibeobachter Roland Laich. "Zumal wir ja auch nicht sagen, dass die Polizei das Böse schlechthin auf dieser Welt ist." Dennoch: was am Image kratzt, ist heute nicht erwünscht.

Inspektionsleiter Rath ist zufrieden, sein Fest ging weitgehend ohne wahrnehmbaren Protest über die Bühne. "Wir haben ein tolles Fest, viele zufriedene Menschen, die lachen einen alle an", sagt er. "Das ist toll für Polizei, haben wir im Alltag relativ selten."

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2 Kommentare

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  • RW
    Raimund Weiss

    Was ist so schlimm an einem Polizeifest?

    Hier wird gegen die demonstriert, die am untersten Ende agieren. Deswegen heisst es ja Exekutive. Wer was ändern will, soll nicht bei der Polizei demonstrieren sondern vorm Bundestag!

    Ich halte ich es für eine gute Sache, dass man öffentlichen Einblick in die Polizeitruppe hat. Ein Problem dabei sehe ich gar nicht.

     

    Und Polizeigewalt entsteht in den allermeisten Fällen nur dort, wo bereits Gewalt von der anderen Seite ausgeht.

    Wer zuschlägt, muss sich nicht wundern, wenn er mit dem Schlagstock eine zurück bekommt. Das finde ich völlig richtig so.

  • BL
    Benjamin Laufer

    Ein Video von der Schlagstockvorführung gibt es übrigens hier: http://bit.ly/dxTZDe