Werbestopp im französischen TV: Überstürzte Reform

Seit Montag läuft im Abendprogramm der öffentlich-rechtlichen TV-Sender Frankreichs keine Werbung mehr. Die Reform hat mehr Gegner als Freunde.

"Sarkozy-Fernsehen" kritisiert die linke Opposition die Fernsereform. Bild: dpa

PARIS taz "Einen Big Bang im Fernsehen", nennt Nachrichtensprecher David Poujadas die umstrittene Reform in den öffentlich-rechtlichen Sendern Frankreichs, deren erster Teil in dieser Woche in Kraft getreten ist.

Der "Big Bang" begann tumultartig. Der erste werbefreie Abend im öffentlich-rechtlichen französischen Fernsehen am Montag wurde im Regionalsender France 3 von einem landesweiten Streik begleitet. Weitere Proteste sind für den heutigen Mittwoch angekündigt. Dann wollen die Beschäftigten sämtlicher öffentlich-rechtlicher Sender aus Protest gegen die Reform ihre Arbeit niederlegen. Am selben Tag beginnt der Senat seine Debatte über die Fernsehreform. Wie in der Nationalversammlung, wo die Reform schon im Dezember nächtelange Redeschlachten ausgelöst hat, verspricht die Opposition auch in der zweiten Kammer des Parlaments einen "Kampf ohne Zugeständnisse".

Kurioserweise ist die Fernsehreform bereits teilweise in Kraft, bevor das Gesetz in letzter Lesung durch beide Kammern gegangen ist. Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der den Werbestopp anstieß, hatte es sehr eilig. Schon im Dezember hatte die Führung von France Télécom angekündigt, dass sie - in Absprache mit der Staatsspitze - den Werbestopp bereits am 5. Janaur einführen werde.

Der vorauseilende Gehorsam der Fernsehhierarchen und die Umsetzung einer parlamentarisch noch gar nicht beschlossenen Reform hat manche Abgeordnete verärgert. Auch in den Rängen der rechten UMP. Mehrere Senatoren haben angekündigt, unter diesen Umständen nicht an den Debatten über die Reform teilzunehmen. Senator Jean-Pierre Raffarin, früherer Premierminster, formuliert sein Unbehagen so: "Es ist ein wenig unangenehm, über eine Reform zu debattieren, die bereits in Kraft ist."

Andere rechte Abgeordnete sind nicht bereit, die mit der Reform einhergehenden zusätzlichen Staatsausgaben zu unterstützen. Sie lehnen auch eine von der gemischten parlamentarischen Kommission empfohlene Anpassung der Fernsehgebühren an die Inflationsentwicklung ab. Der UMP-nahe Minister Jean-Louis Borlee wetterte gegen eine "brutale" Erhöhung der Fernsehgebühren. Eine Inflationsanpassung könnte in diesem Jahr 2 bis 3 zusätzliche Euro kosten.

Bei der linken Opposition geht die Kritik an der Fernsehreform entschieden weiter. Dort ist von "Sarkozy-Fernsehen" die Rede. Ebenso wie die Mehrheit der Beschäftigten der betroffenen Sender kritisieren die Oppositionspolitiker den Werbestopp, weil er nicht ausreichend finanziell ausgeglichen wird und zur "Aushungerung" der Sender sowie zu Nachteilen gegenüber der privaten Konkurrenz führen könnte. Die Linken kritisieren auch, dass die künftigte Personalspitze der öffentlich-rechtlichen Sender direkt aus dem Élyséepalast bestimmt werden soll. Sie befürchten eine Rückkehr von politischer Bevormundung, wie sie zu Zeiten de Gaulles üblich war.

Das Gesetz sieht die schrittweise Abschaffung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor. Zunächst - wie seit Montag der Fall - verschwindet die Werbung zwischen 20 und 6 Uhr. Ab 2011 soll es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gar keine Werbung mehr geben. Als Ausgleich für den Wegfall der Werbegelder will der Staat 450 Millionen Euro jährlich zahlen. Finanziert werden soll das durch eine Abgabe der Privatsender von 1,5 bis 2 Prozent ihrer Werbeeinnahmen und der Mobilfunkanbieter von 0,9 Prozent ihres Umsatzes.

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