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Wer will denn schon nach Norderstedt?

■ Noch immer keine neue Heimat für die Bundesliga-Volleyballer des 1. VC Hamburg

Die Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat, läuft Hamburgs führenden Volleyballer in diesen Tagen ab. Sie haben berauschende Spiele geliefert und offene Briefe geschrieben. Der Fanclub hat Geld gesammelt und sein Vorsitzender sogar seinen Bart versteigert. Wohl vergebens.

Schon zu Beginn der Saison hatte der 1. VC Hamburg „Low budget“ zu seiner Unternehmenesmaxime gemacht, im Januar wurde sie zu „no budget“ reduziert. Konkurs wurde beantragt, Gehälter nicht mehr gezahlt. Die Spieler reagierten darauf antizyklisch, setzten zu einer gewaltigen sportlichen Aufholjagd an und drangen am Ende gar in die Playoff-Runde um die Meisterschaft ein.

Die Generation X der Volleyball-Bundesliga faszinierte Fans und Rivalen gleichermaßen. Konkurrent Bayer Wuppertal steckte für die zahlungsunfähigen Hanseaten die Schiedsrichterpauschale vor. Ein Happy-End ist für die anrührende Geschichte wohl nicht vorgesehen.

Bis zum heutigen Freitag hatten die Spieler ihrem Vereinsvorstand die Frist gesetzt, einen finanziell seriösen Neuanfang unter dem Namen des renomierten Hamburger Sport Vereins auf die Beine zu stellen. „Ich sehe das nicht“, bewertete HSV-Präsident Ronald Wulff die Aussichten der Volleyballer auf eine Heimkehr drei Jahre nach dem Rausschmiß in der vergangenen Woche negativ.

Weil der HSV, der seit 1976 zwar nur drei Deutsche Fußballmeisterschaften, aber sechs nationale Volleyballtitel einheimste, Volleyball nicht mehr wie früher subventionieren will, hätten die Schmetterkünstler einen Sponsoren mitbringen müssen, die einen Saisonetat von einer halben Million Mark gesichert hätten. Ein solcher Fang ist den Geldsuchern des 1. VC Hamburg bis heute nicht ins Netz gegangen.

Bliebe als letzte Alternative zur Geschäftsaufgabe ein Anschluß an den 1. SC Norderstedt. Der Vorstadtverein hat schon zweimal aus eigenem Antrieb Bundesligaluft geschnuppert. Manager Hans-Werner Ketelsen lotete in den vergangenen Wochen die Möglichkeiten für die Eingemeindung der VCH-Truppe aus. „Ich habe ein schlüssiges sportliches und ein lückenhaftes finanzielles Konzept“, faßte der Norderstedter Ingenieur sein Ergebnis zusammen. In jedem Falle müßte der jetzige VCH-Sponsor, die Firma Via-Dachteile, bei der Stange bleiben.

Große Begeisterung vermag die Aussicht auf eine neue Heimat in der Vorstadt bei der Mannschaft nicht zu wecken. „Norderstedt hat ein Negativ-Image“, findet Trainer Bernd Schlesinger, „und die Halle dort ist furchtbar.“ Der 35jährige konnte sich in der Schlußphase der Saison vor den vielen Komplimenten für sich und seine von ihm selbst so genannte „Gurkentruppe“ kaum retten und kommt inzwischen kaum nach, die vielen Angebote zu sondieren, die ihm auf den Tisch flattern. Erst am Mittwoch fuhr Schlesinger zu Gesprächen mit Post Telekom Berlin an die Spree. Der Moerser SC will ihn verpflichten, ein Frauen-Bundesligist auch, und der Deutsche Volleyball-Verband sähe ihn gern als Jugendnationaltrainer. Am liebsten aber würde er in Hamburg bleiben. Sein Zorn über das, was sich in den letzten Monaten beim 1. VC Hamburg abgespielt hat, ist noch immer nicht verraucht: „Wenn wir so schwach gespielt hätten, wie der Verein geführt worden ist, wären wir garantiert abgestiegen.“

Heftig umworben von ASV Dachau und vom Moerser SC wird auch Nationalspieler Dirk Oldenburg. Axel Hager und Jörg Ahmann haben als amtierende Deutsche Meister im Beach-Volleyball ein Angebot vom Deutschen Volleyball-Verband, als Nationalmannschaft in dieser neuen olympischen Disziplin zu spielen. Die beiden haben der Hamburger Tristesse erst einmal den Rücken gekehrt und trainieren barfuß am Strand im kalifornischen Malibu.

Olaf Krohn

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