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Wer machts ohne?

Greenpeace trommelt gegen den Einsatz von Antibiotika und gentechnisch verändertem Soja in der Fleischproduktion. Die ersten Großketten reagieren, doch eine flächendeckende Garantie gibt es nicht

Die Verbraucher müssen Gentechnik im Fleisch nicht akzeptieren

von TILMAN VON ROHDEN

Wegen seiner Kampagnenfähigkeit ist Greenpeace bei manchen verschrien. Insbesondere bei denen, die sich mit den wirkmächtigen Aktionen von Greenpeace auseinander setzen müssen.

Die Organisation sei mittlerweile so stark, dass man es sich nicht mehr leisten könne, sie zu übergehen oder wegzudrücken, stöhnt die Lebensmittelbranche hinter vorgehaltener Hand.

Diese Branche hat aus ihrer Sicht derzeit allen Grund zur Klage, denn die grünen Friedenskämpfer trommeln neuerdings bundesweitgegen den Einsatz von Antibiotika und insbesondere gegen gentechnisch verändertes Soja in der Fleischproduktion. Auf dem Kieker hat Greenpeace die mit konventionellen Produkten handelnden Supermarktketten.

Antibiotika in Fleisch können dazu führen, dass Menschen durch die unkontrollierte Aufnahme gegen diese Mittel resistent werden. Im Krankheitsfall wäre diese effektivste Waffe gegen Bakterien dann plötzlich ein stumpfes Schwert.

Der Verzehr von Tieren, die mit gentechnisch verändertem Futtermittel ernährt wurden, ist problematisch, weil die möglichen Folgen für Mensch und Umwelt bisher nicht abzuschätzen sind. Nur eins ist klar, Veränderungen im pflanzlichen Erbgut können sich unkontrolliert in der Natur ausbreiten. Dabei ist die Verbreitung von Transgenen möglicherweise ein nicht mehr umkehrbarer Prozess – einmal in der Natur, immer in der Natur.

Soja war 1996 die erste gentechnisch veränderte Nahrungspflanze, die in Europa zugelassen wurde. Europa bezieht den Großteil seiner Sojabohnen aus den USA und Brasilien. Der Anbau von Gensoja ist dort verboten. Nicht aber in den USA, dort liegt der Anteil genmanipulierter Bohnen an der US-amerikanischen Sojaernte bei 74 Prozent. Die Sojabestandteile werden in rund 30.000 Lebensmitteln – von Brot und Margarine bis zu Babykost und Schokolade – eingesetzt. Etwa 80 Prozent der Soja wird an Tiere verfüttert.

Im Jahr 1997 wurde von der EU die Zulassung und Kennzeichnung neuartiger und genetisch veränderter Lebensmittel verfügt. Doch die Verbraucher haben bis heute keine Garantien, dass nicht gekennzeichnete Produkte tatsächlich gentechnikfrei sind oder ohne genetisch veränderte Pflanzen hergestellt wurden. Verbraucher sind deshalb auf zusätzliche Garantien der Hersteller und Händler angewiesen. „Hier setzt unsere Greenpeace-Kampagne an“, sagt Martin Hofstetter, Experte für Landwirtschaft.

Die erste Kette Deutschlands, die Fleisch ohne Genmanipulation garantierte, war das Handelsunternehmen Tegut. Es hat 300 Märkte in Hessen, Thüringen und Franken. 1998 startete die Fuldaer Firma eine öffentlichkeitswirksame Unterschriftenaktion und sortierte alle Lieferanten aus, die nicht gentechnikfreies Fleisch garantieren konnten oder wollten. Diese Aktion wurde von dem Arnsberger Unternehmen Bremke und Hörster nach Gesprächen mit Greenpeace fortgesetzt, das in seinen Famila-Supermärkten die Marke „Arnsberger“ verkauft. Dieses Fleisch kommt von Tieren, die weder Antibiotika noch gentechnisch verändertes Soja erhalten.

Bremke und Hörsters Garantie sorgte im Lebensmittelhandel für Furore, weil Greenpeace Anfang April 2002 mit viel Bohai den Eindruck erweckte, nun könnten die Verbraucher überall nach solchen Qualitätsstandards bei Famila einkaufen. Doch in Wahrheit können nur Famila-Kunden rund um Arnsberg dieses Fleisch kaufen.

Aber auch Berliner Verbraucher müssen Gentechnik im Fleisch nicht akzeptieren. So garantiert die Feindura GmbH, die größte Biofleischerei in der Region, den Verzicht auf Gentechnik und Antibiotika. Vertrieben wird Feindura-Fleisch über die Bio-Supermärkte „Eokomma“ und „Bio-Company“.

Auch Öko-Labels wie Demeter, Bioland oder Gäa geben diese Garantie. Die Marke Neuland, die mit artgerechter Tierhaltung wirbt, nicht aber nach den EU-Standards „Öko“ oder „Bio“ arbeitet, zieht beim Verzicht auf Gentechnik und Antibiotika ebenfalls mit.

Konsumenten, die in konventionellen Supermärkten einkaufen, müssen genau hinschauen. Der Konzern Tengelmann – mit den Filialnamen Tengelmann, Kaiser’s, Plus – bürgt nur bei der Marke „Birkenhof“ für diese Standards. Kompliziert ist die Situation auch bei Edeka, denn der Konzern wird gerade umstrukturiert. Deshalb formuliert Edeka-Sprecher Andreas Laubig vorsichtig: „Deutschlandweite Garantien sind bei Edeka zurzeit nicht möglich, wir arbeiten aber dran.“

Noch könne auch Edeka Minden/Hannover, zuständig für Berlin, kein Versprechen abgeben, da sich noch nicht alle Lieferanten den neuen Standards angepasst hätten. Laubig rechnet damit, demnächst die Lichter für Gentechfleisch endgültig auf rot setzen zu können, so wie Edeka Nord es schon getan hat. Bei Rewe erfährt man vom „Fachmann“, die Problematik sei „unbekannt“. Die Kennzeichnung von Futtermitteln werde im Konzern „diskutiert“.

Die Gentechnikseiten von Greenpeace: www.greenpeace.de/gp_dok_3p/themen/c05ub01.htm Eine Übersicht über die Situation bei Fleischprodukten, Händlern und Marken liegt unter: www.greenpeace.de/gp_dok_3p/brennpun/f0015c1a.htm

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