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Wer darf was im Streik?

■ Arbeitsgericht: Mitbestimmungsrecht ist im Arbeitskampf verfassungswidrig

Das Hamburger Arbeitsgericht (AG) hält das geltende Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten während eines Streiks für verfassungswidrig. Mitbestimmung von Betriebsräten bei streikbedingten Einstellungen und Versetzungen durch Arbeitgeber „verletzt den Grundsatz der Waffengleichheit“, lautet die gestern in Hamburg veröffentlichte Begründung der 6. Kammer des AG. Der Arbeitgeber werde in seiner grundgesetzlich geschützten Freiheit, Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen oder Folgen eines Arbeitskampfes zu begegnen, beeinträchtigt.

Nach Urteilen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Kassel entfallen während eines Arbeitskampfes die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates. Dies gebiete laut BAG „eine arbeitskampfkonforme Auslegung der Mitbestimmungsvorschriften“, erläuterte das Hamburger Arbeitsgericht. Sonst sei nach Ansicht des BAG „die Waffengleichheit der Sozialpartner im Arbeitskampf beeinträchtigt“. Das Hamburger Arbeitsgericht hält dagegen das Betriebsverfassungsgesetz für eindeutig, das vom Arbeitgeber verlangt, den Betriebsrat vor jeder Einstellung und Versetzung zu unterrichten und die Zustimmung der Arbeitnehmervertretung einzuholen. Dies allerdings verletzt nach Auffassung der Hamburger Richter das Grundrecht der Arbeitgeber auf Kampfmaßnahmen während eines Streiks.

Im konkreten Fall hatte der Betriebsrat eines Hamburger Kaufhauses vor dem Arbeitsgericht geklagt. 1995 hatten sich rund 50 Prozent der etwa 1400 Beschäftigten an einem Streik in dem Kaufhaus beteiligt. Der Arbeitgeber versetzte daraufhin Mitarbeiter der Personalabteilung in den Verkauf, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Dagegen klagte der Betriebsrat, um zu klären, ob er den Versetzungen hätte zustimmen müssen. Nun muß das Bundesverfassungsgericht entscheiden (Az. 6 Bv 21/95). lno

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