: Wenn der Schutz fehlt
Transfrauen sind häufig von Diskriminierung und Gewalt betroffen. Spezielle Beratungsstellen und Zufluchtsorte gibt es für sie aber kaum
Von Lissalina Marwig und Elisabeth Pohlgeers
Du bist gar keine richtige Frau“, „schwule Sau“. So werden Transfrauen oft verbal beleidigt. Häufig gibt es auch körperliche Übergriffe. So wurde im vergangenen Jahr eine Transfrau in Berlin-Neukölln niedergestochen. Weltweite Aufmerksamkeit erregte zuletzt der Mord an der Istanbuler transsexuellen Sexarbeiterin Hande Kadar, die im August 2016 verbrannt und verstümmelt wurde.
Eine Transfrau fühlt sich dem Geschlecht, mit dem sie geboren ist, nicht zugehörig. Die deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität schätzt, dass in Deutschland 60.000 bis 100.000 Transpersonen leben. Transsexuelle sind laut einer Untersuchung der Europäischen Union von 2014 deutlich häufiger Diskiminierung und Gewalt ausgesetzt als Lesben, Schwule und Bisexuelle.
„Transmysogynie“, also Transfrauenfeindlichkeit, ist ein alltäglicher Bestandteil gesellschaftlicher Strukturen, erklärt auch Clara Thoms, Mitarbeiterin der Beratungsstelle LesMigras in Berlin. Häufig seien Transfrauen zudem Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt. Thoms zufolge würden viele ihrer Klient*innen auch rassistische oder homophobe Gewaltakte erleben.
Sie sehe Gewalt aber auch strukturell und institutionell verankert. „Die Gewalterfahrungen seitens staatlicher Institutionen führen häufig dazu, dass Transfrauen nicht wissen, ob sie bei Beratungsstellen willkommen sind“, sagt Thoms. Sie kritisiert, dass „viele Beratungsstellen keine klare Haltung gegenüber Transfrauen haben oder diese nicht nach außen kommunizieren.“ Das sei jedoch notwendig, um für die von Gewalt betroffenen Transfrauen Schutzräume zu etablieren. „Beratungsstellen müssen sich weiterbilden, offen sein für Transweiblichkeit und eine klare Haltung finden“, findet Thoms. Sinnvoll seien auch spezifische Angebote wie spezielle Schutzhäuser und mehr Transfrauen in Beratungsstellen. „Der erste Schritt, eine Auseinandersetzung und eine Haltung zu entwickeln, ist noch gar nicht getan.“
In Deutschland gibt es laut Bundesregierung etwa 350 Frauenhäuser mit rund 6.000 Plätzen. „Bei weitem nicht alle von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder, die einen Frauenhausplatz suchen, finden einen. Auch für andere Personengruppen gibt es Zugangshürden und nicht jedes Frauenhaus steht Transfrauen offen“, sagt Stefanie Föhring von der Zentrale der Autonomen Frauenhäuser in Bonn. Eine Umfrage unter 100 autonomen Frauenhäusern ergab 2012, dass 57 Prozent Transfrauen aufnehmen würden. Denn Transfeindlichkeit endet nicht an der Eingangstür zum Frauenhaus. „Wieso sollten von Gewalt betroffene Frauen, die ins Frauenhaus kommen, weiter sein als der Rest der Gesellschaft“, sagt Föhring.
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