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Wenn Til Schweiger dem Rassisten von nebenan zu verstehen gibt, dass er Scheiße ist, ist das eine Botschaft, die auch der Rassist verstehtDer Otto-Normalverbraucher will keine Argumente

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

von KATRIN SEDDIG

Til Schweigers Hamburger Villa ist angegriffen worden. Ein Kabel ist durchgeschnitten, und es ist Holz verbrannt worden, auf seinem Grundstück. Til Schweiger ist täglich in der Presse. Nicht, dass er sonst nicht in der Presse wäre, aber jetzt ist er doch irgendwie anders in der Presse. Jetzt legt er sich an, mit Leuten, die nicht seiner Meinung sind, hinsichtlich der Flüchtlingsfrage.

Ich weiß nicht, wie informiert Herr Schweiger ist, wie genau er über Flüchtlingsfragen Bescheid weiß und wie qualifiziert seine Antworten sind. Manchmal scheint mir das alles diskussionswürdig, aber etwas an dieser ganzen Schweiger-Flüchtlingshilfe-Diskussion hat mich verwirrt, etwas, das mich selbst betrifft.

Aus welchem Grund mag ich keine Schweiger-Filme? Weil sie simpel sind? Weil sie meine Intelligenz beleidigen? Kitschig sogar? Schweigers Filme sind so, weil ein Til Schweiger das macht, was er gut findet und für richtig hält.

Er ist die Sorte Mensch, die sich mit ihrer Meinung durchsetzen, die ihre Weltsicht, ob die nun simpel ist oder nicht, reproduzieren. Das ist dann Unterhaltung, wie der sogenannte Otto-Normalverbraucher, ein beliebter Kommentar-Nickname, sie mag.

Dass er dann eben jenen Otto-Normalverbraucher, jenen „kleinen Mann“, der auch ein „Steuerzahler“ ist, jetzt heftig vor den Kopf gestoßen hat, mit einer Mentalität, die diesen Menschenschlag bisher erfreut hat, weil sie einfach und verständlich war, ist das, was Ironie genannt wird. Man kann sich außenstehend daran erfreuen. Man kann sich plötzlich mit eben jenen Charaktereigenschaften des Til Schweigers plötzlich doch anfreunden, oder ihm zumindest heimlich eine gewisse Bewunderung zukommen lassen.

Denn all die Argumente gegen sein Engagement ziehen eigentlich nicht. Natürlich kann man höflich und fundiert argumentieren, wenn man angegriffen wird. Aber nicht gegenüber dem Otto-Normalverbraucher. Der will überhaupt kein Argument. Der will seine eigene Meinung von jemand anderem wieder hören. Wenn ein Til Schweiger dann dem Rassisten von nebenan in einfachen Worten zu verstehen gibt, dass er Scheiße ist, dann ist das eine Botschaft, die auch der Rassist versteht: Ich bin Scheiße.

Der Rassist glaubt das eigentlich tief in sich drinnen auch, daher kommen ja seine Aggressionen, das wussten schon Die Ärzte damals, als sie eine rechte und gewalttätige Gesinnung auf musikalische Weise mit mangelnder Liebe erklärten. Aber er will es nicht von jemandem hören, dem er glaubt und den er so ähnlich findet wie sich selbst, einem guten Kumpel und echten Mann, wie Til Schweiger eben.

Wenn Til Schweiger dann auch noch selber Flüchtlingsheime eröffnen will und Stiftungen gründet, dann tut er das mit derselben Wut, mit der er Filme dreht. Er tut das, weil er das will und kann und vermutlich richtig findet. Wer von uns kann schon selber ein Flüchtlingsheim aufmachen? Und wer von uns tut überhaupt was? Außer, sich zu empören und ein paar Klamotten zu spenden? Einige schon, ich weiß. Viele sogar. Viele kümmern sich.

Aber warum wird einem Til Schweiger etwas unterstellt, was man immer jedem unterstellen kann, der hilft: nämlich Profilierungssucht und Eigennutz? Eigennutz kann man jeder Mutter Theresa vorwerfen, und das tun am besten die, die sich selber das nicht vorwerfen brauchen, weil sie gar nichts tun. Nichtstun schützt immer vor dem Eigennutz? Oder, äh, doch nicht?

Gibt es etwas Eigennützlicheres, als sich ausschließlich um sich selbst zu kümmern? Ist auf der Skala des Eigennutzes, das Helfen behafteter als das Nichthelfen? Okay, Til Schweiger macht also was, auf seine eigene, etwas prollige Art, macht sich Feinde und vielleicht neue Freunde. Und ich weiß nicht mehr, ob ich darüber urteilen will.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist beim Verlag Rowohlt Berlin erschienen.

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