Wenn Piraten Parteitag halten: Weitere Fragen? Keine
Ohne eine einzige politische Debatte bringen die Bremer Piraten ihren Parteitag hinter sich. Erich Sturm, der Gründungsvorsitzende, wurde wiedergewählt
Am Sonntag hielten die Bremer Piraten Parteitag, 61 von 300 eingeschriebenen Mitgliedern waren gekommen und eine ganze Bank voller Pressevertreter – sicherlich unter dem Eindruck der Wahlergebnisse von Nordrhein-Westfalen. Aber niemand schien auf den Gedanken gekommen zu sein, dass ein Gast von den Wahlsiegern sich gut machen könnte, um die Aufbruchsstimmung an die Weser zu überbringen. Da war immerhin Mike Nolte, Pirat aus Köln, aber er war nicht eingeladen, um zu erklären, wie man Wahlen gewinnt, sondern Mike Nolte ist ein erfahrener Versammlungsleiter. Das sollte er auch in Bremen machen, sicherheitshalber. Denn nach der Tagesordnung ging es um den Finanzbericht, den Rechenschaftsbericht und Satzungsänderungsanträge, und dann standen Vorstandswahlen auf der Tagesordnung, natürlich mussten neue Kassenprüfer her.
Erste Klippe: Die Tagesordnung auf dem Beamer erscheint weiß auf schwarz, das kann man schlecht lesen. „Kann man das umdrehen?“, fragt Mike Nolte. Der Mann am Laptop arbeitet – über Minuten vergeblich – am Problem. Geduldig warten die Piraten, es geht immerhin um die Beschlussfassung über die Tagesordnung und die geht bei der Netzpartei nicht ohne Beamer.
Mike Nolte zelebriert die Versammlungsleitung, er scheint die formelle Korrektheit zu genießen. Ein zweites Problem taucht auf: Können die Kassenprüfer ohne geheime Wahl bestimmt werden? Und wie steht es mit dem Finanzrat? Kann man die Satzung auf dem Parteitag ändern und danach gleich nach der neuen Satzungsänderungsanträgen verfahren?
Am Ende der Tagesordnungsdebatte ist die erste Stunde des Parteitages verstrichen, die Piraten tragen es mit Geduld, immer wieder gibt es Pausen für die Aktualisierung des Beamer-Bildes, das ist eine heilige Pflicht, geht es doch um ein politisches Grundprinzip: die Transparenz.
Der ehemalige Schatzmeister erläutert den Kassenbericht, 9.000 Euro Wahlkampfkosten fielen an, Wahlkampfkostenerstattung gibt es nicht, da das Bürgerschafts-Wahlergebnis unter zwei Prozent lag. Die allgemeine politische Arbeit kostete kaum etwas, keine 2.000 Euro. Die Einnahmen decken diese Ausgaben in etwa, die Zahlungsmoral der Mitglieder liegt bei 72 Prozent. Fragen? Keine.
Dann kommen die Rechenschaftsberichte aller Vorstandsmitglieder, den Anfang macht Erich Sturm, der „Vorstandsvorsitzende“ (Sturm über Sturm). Er hat an vielen Terminen teilgenommen, die er in der schriftlichen Fassung seines Rechenschaftsberichtes ins Netz gestellt hat. Und dann kam die Arbeit mit der Mitgliederschwemme nach der Berliner Wahl. Weitere Fragen? Keine.
Mario Tants, der stellvertretende Vorsitzende, war für die Pressearbeit zuständig. Dafür hat er ein „Team“ aufgebaut, er ist zufrieden mit seiner Arbeit. Keine weiteren Fragen. Die Piraten haben nicht nur Beisitzer, sondern, wie richtige anderen Parteien auch, einen „politischen Geschäftsführer“. Das war Mathias Döhle. Und eine „Generalsekretärin“, Beate Prömm. Sie alle haben kurz Gelegenheit, zu berichten, dass die Arbeit in so einem Landesvorstand viel Zeit kostet.
Und dann kommt es in der ersten Pause zum Showdown: Die beiden Repräsentanten der Bremer Piraten, Erich Sturm und Mario Tants, kandidieren gegeneinander für den Vorsitz.
Erich Sturm möchte die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Zeit fortsetzen. Als Freiberufler habe er genug Zeit. Seine Themen für den Vorstand: Die Piraten müssen sich auf die Bundestagswahlen vorbereiten. Zweitens die Strukturen: Früher gab es einen Stammtisch, da kamen alle zusammen und beschlossen. Aufgrund der großen Mitgliederzuwächse sei das nicht mehr möglich: „Wie schaffen wir es, die neuen Mitglieder in die Arbeit zu integrieren?“
Mario Tants sieht seine „Stärken“ vor allem im organisatorischen Bereich. Da lägen die wesentlichen Aufgaben der nächsten Zeit, da sollte man „den wählen, der das am besten kann“.
Die meisten Fragen gehen an Tants. Beleidigend sei er oft, wird ihm von anderen Aktiven vorgehalten, „hinten herum“ sei er manchmal. Als „Macher“ habe er sich bezeichnet – gerade das widerspricht aber dem Selbstverständnis vieler Piraten. Und dann das: Was sagt der Kandidat zu Sätzen wie: „Stellt euch mal nicht wie Mädchen an“? Tants ist zum ersten Mal ein wenig sprachlos. „Ich habe das nie als sexistisch empfunden“, sagt er. Die vielleicht zehn Frauen im Saal hören sich das an, keine Buh-Rufe.
Angesichts dieser Aussprache ist die Abstimmung dann doch überraschend knapp: Mario Tants bekommt 29 Stimmen, Erich Sturm 41. Sein persönliches Ziel: Er will im kommenden Jahr in den Bundestag einziehen.
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