: Weniger Lohn für sozial Schwache
■ Trotz fehlenden Senatsbeschlusses bekommen „Hilfe zur Arbeit“-Beschäftigte bei Krankheit künftig nur noch 80 Prozent. Arbeitssenatorin und Bündnisgrüne kritisieren Vorpreschen der Sozialverwaltung
Der Konflikt im Senat um die Lohnfortzahlung auf dem Zweiten Arbeitsmarkt spitzt sich zu: Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) wird SozialhilfeempfängerInnen, die im Programm „Hilfe zur Arbeit“ beschäftigt sind, künftig nur noch 80 Prozent Lohn im Krankheitsfall zahlen oder für fünf Krankheitstage einen Urlaubstag abziehen. Das bestätigte Sprecherin Gabriele Lukas gegenüber der taz. Von der neuen Regelung sind 3.000 Menschen betroffen.
Damit setzt Beate Hübner jetzt um, was sie bereits im September in einem Rundschreiben an die Bezirke angekündigt hatte. „Vorsorglich“ hatte sie darauf hinwiesen, daß für „Hilfe zur Arbeit“-Beschäftigte die Neuregelungen zur Lohnfortzahlung „voll zum Tragen“ kommen würden. Seit dem 1. Oktober diesen Jahres gilt bundesweit, daß 20 Prozent Lohn im Krankheitsfall bei denen gekürzt werden, die keine eindeutige tarifvertragliche Absicherung der vollen Entgeltzahlung haben. Als Ergänzung zu dem Rundschreiben werde den Bezirken demnächst der „Wortlaut“ des Bundesgesetzes zugesandt. Laut Lukas seien die Bezirke so angewiesen, das Gesetz für das „Hilfe zur Arbeit“- Programm anzuwenden.
Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) zeigte sich über Hübners Vorgehen „sehr erstaunt“ und sieht „Klärungsbedarf“. So hätte der Rat der Bürgermeister beschlossen, weiterhin 100 Prozent Lohn im Krankheitsfall zu zahlen, bis es eine Senatsentscheidung gebe. Bergmann forderte, endlich „eine gemeinsame Linie“ für Beschäftigte des Zweiten Arbeitsmarktes im Senat festzulegen.
Der Konflikt im Senat ist vorprogrammiert. Im Gegensatz zu Hübner möchte Bergmann bei ABM-Kräften, die in die Zuständigkeit der Arbeitsverwaltung fallen, die Lohnfortzahlung nicht kürzen. Ihre Verwaltung zahlt deshalb weiterhin volles Gehalt aus – „unter Vorbehalt“, bis es von der Bundesanstalt für Arbeit eine Entscheidung darüber gebe, ob auch bei ABM-Kräften der Lohn abgesenkt werde. Bergmann hatte bereits vor einem Monat im Abgeordnetenhaus die Lohnfortzahlung zu den alten Bedingungen bei AB-Maßnahmen gefordert und somit indirekt Hübners Rundschreiben an die Bezirke kritisiert. Auch Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) zahlt den ABM- Kräften den vollen Lohn.
Scharfe Kritik an Hübner äußerten die Bündnisgrünen. Der gesundheitspolitische Sprecher Bernd Köppl sprach von einem „einseitigen CDU-Beschluß“, mit dem versucht werde, die „unsoziale Einsparpolitik der CDU gegen die SPD durchzusetzen“. Er befürchtet, daß durch Hübners Vorpreschen auf dem Zweitem Arbeitsmarkt den Lohnkürzungen Vorschub geleistet werde.
Trotz des fehlenden Senatsbeschlusses wird Hübners Rundschreiben bereits in Charlottenburg und Schöneberg umgesetzt. Der Schöneberger Sozialstadtrat Bernd Krömer (CDU) findet die Lohnkürzung „ausgerechnet bei diesen Leuten“ zwar „bedauerlich“, jedoch gelte „die Gesetzeslage“. Monika Wissel (SPD), Bürgermeisterin in Charlottenburg, wollte sich zu der Lohnabsenkung nicht äußern. Julia Naumann
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