Weniger Hunger durch weniger Fleisch: Drei Kalorien rein, nur eine raus
In der Fleischproduktion wird Getreide verfüttert, das auch gegessen werden könnte. Eine Studie zeigt: Millionen Menschen könnten sich damit ernähren.
BERLIN taz | Schon wenn Feldfrüchte in nur vier Weltregionen gegessen und nicht verfüttert oder in Bioenergie-Anlagen genutzt würden, könnten 2,4 Milliarden Menschen zusätzlich ernährt werden. Das steht in einer am Freitag in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie. So viel Kalorien gewänne man durch den direkten Konsum etwa von Getreide in den USA, China, Westeuropa und Brasilien. Weltweit hungern derzeit laut der UN-Agrarorganisation FAO 842 Millionen Menschen.
Am größten ist das Potenzial bei der Produktion tierischer Lebensmittel: Rund 33 Prozent der Kalorien aus den wichtigsten 41 Feldfrüchten weltweit landen nach FAO-Angaben in Futtertrögen. Bioenergie verschlingt immerhin 16 Prozent.
„Wenn Sie die Tiere etwa in Deutschland mit Getreide oder Soja füttern, haben Sie das Problem, dass Sie drei Kalorien reinstecken in das Tier, um dann eine als Milch, Fleisch, Eier und so weiter zurückzubekommen“, sagte Co-Autor Stefan Siebert von der Universität Bonn der taz. Wenn beispielsweise Kühe dagegen Gras fressen, sieht die Rechnung anders aus. Da Menschen Gras jedoch nicht essen, sei jede Kalorie aus mit Hilfe von Weideland erzeugten Fleisch- oder Milchprodukten ein Nettogewinn für die Welternährung.
Besonders viel Kalorien gehen verloren, wenn unter hohem Energieeinsatz erzeugtes Fleisch nicht gegessen, sondern weggeschmissen wird. Kalkuliert man die Futter-Kalorien in Fleisch ein, könnten laut Studie 413 Millionen Menschen jährlich zusätzlich ernährt werden, indem die Verbraucher dreier Länder ihre Verschwendung von wichtigen Feldfrüchten und Fleisch vermieden: der USA, China und Indien.
Gleichzeitig könnte die Agrarproduktion umweltfreundlicher werden, rechnen die Forscher vor. 60 Prozent des Stickstoff- und 48 Prozent des Phosphordüngers für den Anbau der 17 wichtigsten Feldfrüchte seien überflüssig. Dünger, den Pflanzen nicht aufnehmen, gelangt zum Beispiel in Gewässer und schädigt dort die Artenvielfalt. Die größten Düngerüberschüsse fallen laut Studie in China, Indien und den USA an. Weltweit schätzen die Forscher, dass „Stickstoff und Phosphor für Weizen, Reis und Mais um 14 bis 29 Prozent beziehungsweise 13 bis 22 Prozent bei Beibehaltung der aktuellen Erträge reduziert werden könnten.“
Siebert räumt ein, dass es unrealistisch ist, beispielsweise die Lebensmittelverschwendung völlig zu reduzieren. „Aber man kann sehr wohl die Potenziale aufzeigen.“ Das könne dazu dienen, politische Prioritäten zu setzen.
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