Weniger Förderungsgelder: Solarbranche fürchtet um ihre Zukunft
Abstriche in der Photovoltaik-Förderung sorgen derzeit für Unruhe: Während das RWI auf die hohen Gewinne der Hersteller verweist, befürchtet der Solarverband Markteinbrüche.
Die deutsche Solarbranche gerät immer stärker unter Druck. Nachdem die Bundesregierung bereits deutliche Reduzierungen bei der Vergütung für Strom aus Sonnenenergie plant, mehren sich nun die Forderungen nach deutlich stärkeren Einschnitten. So fordert das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in einer bislang unveröffentlichten Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums eine sofortige Kürzung der garantierten Preise um 30 Prozent. Andernfalls würde die Vergütung für Solarstrom bis zum Jahr 2035 eine Gesamtsumme von 120 Milliarden Euro erreichen, sagte RWI-Experte Manuel Fromel. Einen Einbruch des Marktes fürchtet er nicht: "Angesichts der Gewinnmargen von bis zu 40 Prozent können die Hersteller ihre Preise senken."
Auch bei einer Anhörung am Montag im Bundestag wurde die Forderung nach einer schneller sinkenden Vergütung laut. So erklärte etwa der Bundesverband der Verbraucherzentralen, die geplante Absenkung der Vergütungen sei angesichts der finanziellen Belastungen der Stromkunden "nicht ausreichend".
Bisher garantiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Betreibern von Solaranlagen auf Hausdächern je nach Größe einen Abnahmepreis von 44 bis 47 Cent pro Kilowattstunde. Die Mehrkosten im Vergleich zu konventionellem Strom, der an der Börse für rund 4 bis 10 Cent pro Kilowattstunde gehandelt wird, legen die Energieversorger auf die Stromkunden um. Aufgrund wachsender Effizienz und um Innovation zu fördern, sinkt der Strompreis für neue Anlagen bisher jedes Jahr um 5 Prozent. Nach den Plänen der Regierung für eine Novelle des EEG, die derzeit beraten wird, soll er künftig stärker schrumpfen, und zwar 2009 um 9, 2010 um 7 und ab 2010 um 8 Prozent im Jahr.
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) fürchtet, dass schon dieser Rückgang der Branche schwer zu schaffen macht. "Eine Absenkung von mehr als 7 Prozent kann nach übereinstimmender Auffassung von Industrie und und Handwerk bei den derzeitigen Rohstoff- und Finanzierungskosten ohne das Risiko starker Markteinbrüche nicht aufgefangen werden", kommentiert der Verband die geplante EEG-Novelle. Auch Eicke Weber vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme warnt vor zu starken Einschnitten: "Die Branche hat nicht mehr viel Wasser unter dem Kiel", sagte der Professor bei der Bundestagsanhörung. "Bei zu starken Einschnitten droht Deutschland die Spitzenstellung in der Photovoltaik zu verlieren." Das Argument der zu hohen Kosten weist die Branche zurück. Die Förderung der Solarenergie koste jeden Bundesbürger im Schnitt 20 Cent im Monat, argumentiert der BSW. Die Prognosen von 120 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015, wie sie das RWI aufstelle, hält der Verband für "irreführend und falsch". Weber verweist auf den langen Zeitraum, für den die Ausgaben kumuliert werden; generell hält er eine hohe Summe aber für gerechtfertigt. "Verglichen mit den Subventionen für die Steinkohle ist das wenig", sagte er der taz. "Doch diesmal geht es um eine Zukunftstechnologie. Der zum Durchbruch zu verhelfen, muss sich die Gesellschaft etwas kosten lassen."
Zweifel äußert der Solarverband an der Unabhängigkeit der Photovoltaik-Kritiker. Der CDU-Abgeordnete Laurenz Meyer, der für sinkende Solarvergütung kämpft, stand lange auf der RWE-Gehaltsliste. Und stellvertretender Vorsitzender des RWI-Verwaltungsrats ist der ehemalige Vorstandchef des Energieriesen RWE, Dietmar Kuhnt; zudem leitet er den Freundeskreis, der das Institut finanziell unterstützt. Einen Zusammenhang weist das RWI entschieden zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“