: Weniger Einbürgerungen
■ Innensenator: Anzahl der Anträge hat sich aufgrund „mangelnder Deutschkenntnisse“ verringert. Ausnahme Neukölln. Ab März wird es Sprachtests an Volkshochschulen geben
Während die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung gestern von einem „positiven Echo“ auf das neue Einbürgerungsrecht sprach – in einigen Kommunen hat sich die Zahl der Anträge verdoppelt oder gar verdreifacht –, verzeichnet Innensenator Werthebach (CDU) für Berlin eine „rückläufige“ Entwicklung. Nach Angaben seiner Behörde ist die Zahl der Einbürgerungsanträge in Berlin im Januar dieses Jahres im Vergleich zum Januar 1999 von 1.370 auf 1.226 gesunken. Als Ursache nennt Pressesprecherin Isabelle Kalbitzer „mangelnde Deutschkenntnisse“. Die Sprecherin des Türkischen Bundes, Eren Ünsal, sieht die Ursache hingegen in der „Verunsicherung“ vieler Antragsteller über den Sprachnachweis und im Wegfall der Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft.
Eine differenzierte Betrachtung der Zahlen ergibt jedoch zumindest in einzelnen Bezirken eine Zunahme der Einbürgerungsanträge. So verzeichnete Neukölln mit 218 Anträgen im Januar doppelt so viele wie im Januar 1999. Der Leiter der Bürgerdienste, Torsten Vogel, geht davon aus, dass die wenigsten abgelehnt werden. Das führt er auf „gute sprachliche Vorbereitung“ zurück. Vogel beobachtet seit einem Jahr in Neukölln eine „Trendwende“: „Die Leute bemühen sich, Deutsch zu reden.“ Die Volkshochschule Neukölln verzeichnet „viele Nachfragen nach Deutschzertifikaten“. An zweiter Stelle liegt Kreuzberg mit 122 Einbürgerungsanträgen im Januar. Schlusslicht ist Hellersdorf mit nur zwei Anträgen im vergangenen Monat.
Das Vorhandensein „ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache“ für die Einbürgerung kann auf verschiedene Arten belegt werden: durch den Nachweis einer vierjährigen Schulzeit oder eines Schulabschlusses in Deutschland oder ein Sprachzertifikat „Deutsch als Fremdsprache“. Antragsteller, denen diese Nachweise fehlen, die aber gut Deutsch sprechen, können ab März an der Volkshochschule einen maximal 45-minütigen Test absolvieren, bei dem es um „Leseverständigkeit und Kommunikationsfähigkeit“ gehen soll. „Es ist kein Korrektheitstest“, betont Margrit Waltschanow von der Senatsschulverwaltung. Mit den Tests sollen „alle mit Zweifeln behafteten Fälle an Sachverständige verwiesen werden“. Um kostendeckend zu arbeiten, werden die Volkshochschulen für den Test mit erfahrenen Kursleitern etwa 30 Mark erheben.
Diejenigen Antragsteller, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, müssen sich lediglich „ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben in deutscher Sprache mündlich verständlich machen können“. Die Entscheidung liegt im Ermessen der Einbürgerungsbeamten, was sowohl von der Türkischen Gemeinde als auch vom Türkischen Bund kritisiert wird. Um die Mitarbeiter entsprechend zu schulen, soll es demnächst Informationsveranstaltungen geben.
Die Gesamtzahl der Einbürgerungen für 1999 liegt noch nicht vor. Über die 12.100 gestellten Anträge wird frühestens Ende 2000 entschieden sein. 1998 ließen sich 12.045 Ausländer einbürgern.
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