Wendler, Seehofer und Harris: Glaubhaft ja, aber wofür?

Während Michael Wendler mit seinem Corona-Statement schockt, bleibt Horst Seehofer stur und Kamala Harris schafft einen ikonischen Moment.

Eine Frau vor einem blauen Hintergrund. Es ist die Politikerin Kamala Harris

Mit einem „Mr Vice-President, I’m speaking“ behauptete sich Kamala Harris gegen Mike Pence Foto: Brian Snyder/ Reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Der Tag, an dem seine Lieder besser wurden als seine Statements – der Wendler.

Und was wird in dieser besser?

Wendler, Naidoo, Hildmann – Riesenpersonaldebatte bei der AfD in paar Jahren.

Die Nobelpreise wurden vergeben, den Friedensnobelpreis bekam das World Food Programme. Verdient?

Während Gastronomen in Berlin die Sperrstunde „kopflos und unverhältnismäßig“ vermenschenrechten, wirkt die Wahl des Komitees schon fast sarkastisch: Hey, es gibt da noch eine knappe Milliarde Menschen auf der Welt, die Permanenzsperrstunde erleiden. Das WFP ist ein 17.000-Leute-Team, also keine Heldenfigur. Man widerstand der Versuchung, mal wieder mächtig Weltpolitik zu machen, indem man etwa die von Trump geschmähte WHO geadelt hätte. Wichtiges Thema, kein Personenkult, unabhängige Agenda: Ja, gute Wahl.

Gegen eine Studie wehrt er sich noch immer, doch einen Lagebericht zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden hat Seehofer nun vorgelegt. Demnach soll es in den Behörden 350 rechtsextreme Verdachtsfälle geben. Halten Sie diese Zahl für glaubhaft?

Glaubhaft ja, wofür eigentlich: keine Ahnung. Der Verfassungsschutz summiert hier nur die aktenkundigen Fälle, ohne Bundeswehr, doch mit abgeschlossenen Verfahren und mit einem Stichtag vor den neuen NRW-Enthüllungen. Also: Was unterm Radar amtlicher Ermittlungen herumkompostiert, wird nicht abgebildet. Seehofers Strategie, eine „gesamtgesellschaftliche Studie“ vorzuschlagen, zielt auf das erwartbare Fazit: „Die Sicherheitsbehörden sind nicht rechtslastiger als der Durchschnitt.“ Das Geld kann man sich also sparen und gleich fragen: Gelten für seine Leute nicht besonders hohe Ansprüche?

Vor einem dreiviertel Jahr hatte sich Thüringens FDP-Parteichef Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Jetzt schrieb er auf Twitter, die Annahme der Wahl sei kein Fehler gewesen, woraufhin die FDP-Bundesspitze ihm nun die Unterstützung entzieht. Kommt die Reaktion zu spät?

Nach der Misswahl hatte FDP-Chef Lindner noch gratuliert – also griff man danach zum schärfsten Schwert des organisierten Liberalismus: Man gründete eine Arbeitsgruppe. „Umgang mit der AfD“. Den hatte weiterhin Kemmerich, etwa bei einer rechtskonfusen Demo in Gera. Die FDP-AG arbeitsgruppt indes offenbar so innig, dass ihr bei Twitter Leute zuvorkamen mit der Frage nach Kemmerichs Fazit. Darauf erweist er sich als Mann der flachen Lernkurve und gibt so der Bundes-FDP die Chance, ihre Landesfiliale zu erpressen: Zur Neuwahl im April 21 würde ein Spitzenkandidat Kemmerich ohne schicke Lindner-Plakate auskommen müssen. Die Landes-FDP grübelt nun: Ist das gut oder schlecht?

Die TV-Debatte zwischen den beiden US-Vize-Kandidaten lief deutlich ruhiger ab als bei Trump und Biden. Mit einem „Mr Vice-President, I'm speaking“ schuf Kamala Harris einen ikonischen Moment. Was können sich die Präsidentschaftsanwärter von ihr abschauen?

Schon bisher luden Alter und Fitness von Trump und Biden ein, sie als geriatrische Raupen bevorstehender Schmetterlinge zu sehen. Zu Trumps Erkrankung wurden Details der Nachfolgeregelungen detaillierter denn je aufgefächert. Da ist ein unschicklicher Wunsch Vater des Gedankens; da müssen wir durch. Trump hat zwei Parteien ohnmächtig geprügelt, die gegnerische wie seine. Harris und Pence sind ihr schwach vernehmbarer Puls.

Herbert Feuerstein, Günter de Bruyn, Eddie van Halen und Ruth Klüger – letzte Woche mussten wir uns von einigen Prominenten verabschieden. Haben Sie ein paar tröstende Worte zum Abschied parat?

Sehr betagte Menschen nennen als schwerste Last des Alters, dass alle anderen schon weg sind. Das lädt dazu ein, den vier kostbaren Seelen eine gute Wahl bei ihrer Reinkarnation zu wünschen. Wir freuen uns auf euch.

Robert Habeck traut sich jetzt Kanzler. Trauen Sie ihm auch?

Habeck macht keine großen Worte. Sondern 36 kleine. Statt des „Ich will da rein“ des Schröders bittet Habeck das Publikum zu einem Gesprächskreis, in dem mehrere Habecks untereinander interessante Aspekte einer möglichen Frage diskutieren. Wir dürfen dabei sein, Vertrauen fassen und staunen: Der Junge hat sich das gut überlegt. Habeck will gebeten werden.

Und was machen die Borussen?

Nichts. Kein Borusse in der Schlaaand-Elf. Schöner, ruhiger Samstagabend.

Fragen: Carolina Schwarz, Ambros Waibel

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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