Weltwirtschaftsforum in Davos: Gehälterungleichheit nimmt zu
Die Chefgehälter entfernen sich immer mehr vom normalen Arbeitnehmereinkommen. Das Weltwirtschaftsforum schlägt Alarm.
Die Einkommensungleichheit in Deutschland und Europa nimmt immer weiter zu – und damit auch die Gefahr für den sozialen Frieden. Darauf weisen der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und das Weltwirtschaftsforum in Davos in zwei neuen, voneinander unabhängig erstellten Studien hin. Sie dürften beim Treffen der globalen Eliten in der kommenden Woche im Schweizer Luxus-Bergressort für gehörigen Wirbel sorgen.
Die erstaunlichsten Zahlen kommen vom Gewerkschaftsbund in Brüssel. Europäische Konzernchefs kassieren allein schon in den vier Tagen der Davos-Konferenz mehr, als die meisten Menschen in zwei Jahren verdienen, heißt es in einem Papier des EGB, das dieser Zeitung exklusiv vorab vorlag. Die Gewerkschaften berufen sich dabei auf Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Besonders krass sind die Einkommensunterschiede demnach in Großbritannien. Dort liegt das Chefsalär in vier Tagen mehr als doppelt so hoch wie das durchschnittliche Jahreseinkommen der Arbeitnehmer. In den Niederlanden muss ein Durchschnittsbürger ein Jahr und zehn Monate arbeiten, um vier Tagesgehälter eines Chefs zu verdienen. In Deutschland sind es nach Angaben des EGB sogar 18 Monate.
„Das Ausmaß der Ungleichheit bei den Einkommen ist schockierend“, fasst EGB-Bundessekretärin Esther Lynch die Ergebnisse zusammen. In Wahrheit sei der Abstand zu den CEOs sogar noch größer, da die meisten Arbeitnehmer weniger als die – in der Studie zugrunde gelegte – durchschnittliche Wirtschaftsleistung pro Kopf verdienen.
„Die Konzernchefs müssen sich in Davos für eine bessere Welt einsetzen, wenn sie ihr hohes Einkommen rechtfertigen wollen“, fordert EGB-Chef Luca Visentini. Der italienische Gewerkschafter will die CEOs beim Elitengipfel in der Schweiz auffordern, endlich faire Gehälter zu bezahlen, um ihre eigenen Top-Gehälter zu rechtfertigen.
Gefahr für den sozialen Frieden
Rückendeckung erhält er sogar von den Veranstaltern des Weltwirtschaftsforums. In ihrem „Weltrisikobericht 2018“, der in Davos heiß diskutiert werden dürfte, kommen sie zu dem Schluss, dass die wachsende Ungleichheit zur Gefahr für den sozialen Frieden und die Demokratie geworden sei.
„Wenn sich Konzerne weigern, auch nur einen kleinen Teil ihres Profits für Mindestlöhne auszugeben und Kollektivrechte der Arbeitnehmer aushebeln, dann haben sie den Sozialvertrag gebrochen“, heißt es wörtlich in der Studie. Deshalb sei es nun „Zeit für einen neuen Sozialvertrag“, fordern die durchaus wirtschaftsnahen Davos-Experten.
Wie man gegensteuern könnte, hat der EGB in einem Forderungskatalog aufgeschrieben. Die Gewerkschafter verlangen unter anderem, dass große Unternehmen künftig das Verhältnis zwischen Chefgehältern und Durchschnittslöhnen offenlegen sollen, wie dies in den USA bereits üblich ist. Denkbar sei auch eine gesetzliche Deckelung.
Für höhere Löhne und Gehälter in Europa hat sich auch die EU-Kommission ausgesprochen. Höhere Reallöhne seien von zentraler Bedeutung, wenn es um den Abbau von Ungleichheit geht, heißt es im Jahreswachstumsbericht 2018 der Brüsseler Behörde. Eine dynamischere Lohnentwicklung würde auch den Aufschwung stützen, so die EU-Experten.
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