Weltweite Proteste zum „Black Friday“: Amazon, zur Kasse bitte
ArbeitnehmerInnen protestieren weltweit gegen den Online-Händler Amazon. Es geht um seine Löhne, Steuerpraktiken – und ums Klima.
Berlin taz | Zum dritten Mal haben ArbeitnehmerInnen weltweit gegen die Online-Verkaufsaktion Black Friday protestiert. Angeleitet von der linksinternationalistischen NGO Progressiven Internationale und dem internationalen Gewerkschaftsverband UNI Global Union schlossen sich am Freitag 80 weitere Organisationen an, um in über 30 Ländern zu streiken und zu protestieren. Hauptziel des Widerstands: Amazon, der US-Marktführer des Onlineversandhandels.
Unter dem Motto #MakeAmazonPay geht es bei der Protestaktion um faire Löhne, Inflationsausgleich und das Recht auf Betriebsräte. Aus der Sicht der Organisator:innen ist es nicht nur Amazons Ausbeutung der Mitarbeitenden, die am Black Friday angeprangert werden muss. Auch die Zivilgesellschaft werde laut den AktivistInnen hintergangen, da der Konzern in Europa keine Unternehmenssteuer zahlt. Die Streikkampagne macht auch auf die klimapolitischen Kosten des Onlinehandels aufmerksam: obwohl Amazon nur ein Prozent der Produktverkäufe in seine CO2-Bilanzierung einfließen lasse, stiegen die CO2-Emissionen des Unternehmens laut dem Bündnis makeamazonpay im 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent an.
In Deutschland hat Ver.di an zehn „Fullfillment-Centern“ von Amazon zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. So demonstrierten in Leipzig etwa 200 Menschen. In München befestigte die Umweltorganisation Greenpeace ein gut neunzig Quadratmeter großes Protesttransparent an der deutschen Amazon-Zentrale. Weitere Protestaktionen soll es auch außerhalb der Logistikzentren geben, um der Forderung nach der „Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie den Abschluss eines Tarifvertrages Gute und gesunde Arbeit“ Druck zu verleihen.
Maßgeblich beteiligt an der Kampagne ist der internationale Gewerkschaftsverband UNI. Dessen Generalsekretärin Christy Hoffman forderte den Konzern auf, „seine schrecklichen, unsicheren Praktiken“ sofort einzustellen und mit den Arbeitnehmern über bessere Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Greenpeace warf Amazon bei der Münchner Protestaktion vor, mit der alljährlichen Rabattschlacht zu exzessivem Konsum, Verpackungsmüll und Ressourcenverschwendung beizutragen.
Angeblich Freude auf die Bestellungen
Der Konzern scheint sich allerdings bislang wenig Sorgen zu machen, dass die Streiks das lukrative Geschäft versauen könnten. “Bei Amazon haben die Vorbereitungen für die Black Friday Woche schon vor Monaten begonnen und unsere Teams freuen sich darauf, die Bestellungen der Kund:innen rechtzeitig zu bearbeiten“, verkündet Pressesprecher Michael Schneider auf Anfrage der taz.
„Wir bieten unseren Mitarbeiter:innen in den Logistikzentren wettbewerbsfähige Löhne sowie großartige Sozialleistungen und sorgen beispielsweise dafür, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz haben und gesund bleiben“, erklärte eine weitere Unternehmenssprecherin in München in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dpa. Amazon spiele eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und habe sich verpflichtet, bis 2040 CO2-neutral zu sein.
Auch in Frankreich, Polen, Großbritanien und Luxemburg wird unter dem Motto #MakeAmazonPay gestreikt. Den Aktivist:innen der Kampagne geht es auch um die Länder des Globalen Südens. Am Protesttag sollten auch in Indien, Bangladesch und Südafrika Menschen ihre Arbeit niederlegen und auf die Straße ziehen.
Proteste in Südafrika und Bangladesch
Im südafrikanischen Liesbeek sollte so gegen Amazons Pläne, das neue Afrika-Hauptquartier auf indigenem Land zu erbauen, protestiert werden. In Bangladesch sollten sich Bekleidungsarbeiter:innen für die Anerkennung von Gewerkschaften, bessere Arbeitsbedingungen und die Unterzeichnung des Bangladesch-Abkommens einsetzen. Dieses Gesundheits- und Sicherheitsprogramm gibt es seit 2021.
Seinen Ursprung hat die Tradition im Amerika der 1960er Jahre. Damals war der Black Friday ein Versuch des stationären Einzelhandels, Verkäufer:innen am Brückentag nach Thanksgiving in ihre Geschäfte zu locken – und somit das Weihnachtsgeschäft einzuleiten. Seit 2013 gibt es die Verkaufsaktion auch in Deutschland.
Leser*innenkommentare
Herry Kane
"Unter dem Motto #MakeAmazonPay geht es bei der Protestaktion um faire Löhne, Inflationsausgleich und das Recht auf Betriebsräte. "
Bin ich dabei. Allerdings sollen wir nicht vergessen, dass dieses Logistik-Unternehmen tatsächlich FUNKTIONIERT!
Bürger L.
Mit pauschaler Kritik an Amazon steht man immer auf der richtigen Seite oder ?
Ich finde Amazon sollte weniger Müll produzieren, Betriebsräte und Gewerkschaften in seinen Niederlassungen zulassen und Steuern in jeweils den Ländern bezahlen, in denen Gewinne erzielt werden.
Den zur Durchsetzung erforderlichen gesetzlichen Rahmen kann und muss die Politik, müssen die Regierenden schaffen.
Anzunehmen, im kapitalistischen System könne man mit Kritik an einem einzelnen Unternehmen den grundsätzlichen Konflikt lösen halte ich für naiv.
Und was mache ich als Bürger und Konsument?
Ich bestelle gelegentlich auch Sachen bei Amazon....
weil es viele Dinge im Einzelhandel in meinem Umfeld garnicht gibt. Weil der Handel weit und Breit auch von Handelsketten und Konzernen beherrscht wird. Weil die Auswahl größer ist und ich Preise und Qualität vergleichen kann. Weil ich, wenn ich z.B. technische Dinge benötige unnendlich viele km fahren müsste um alles zu bekommen.
adagiobarber
amazon nutzt in europa ...
steuerprivilegien und die infrastruktur.
und hinterläßt eine menge verpackungsmüll.
Rudi Hamm
@adagiobarber Stimmt!
Stimmt aber leider auch, dass es offensichtlich 42,6 Millionen Kunden egal ist, sonst wären sie nicht Kunden.
Es wäre viel erreicht, wenn sie mindestens ihre Steuern für ihre Gewinne in Deutschland auch hier zahlen würden.
Bürger L.
@Rudi Hamm Ich bin gelegentlich auch Kunde bei Amazon und trotzdem ist es mir nicht egal, wie und auf wessen Rücken Amazon seine Gewinne erwirtschaftet.
Ich kaufe auch in unterschiedlichsten Supermärkten meine Lebensmittel und weiß nicht unter welchen Bedingungen ein/e Mitarbeiter/in im Lager verdient, von den Bedingungen unter denen die einzelnen Produkte hergestellt werden ganz zu schweigen.
Ich kaufe auch da ohne schlechtes Gewissen und engagiere mich eher für grundlegende Veränderungen auf politischer Ebene .