Weltkulturerbe in Brandenburg: Glückwunsch, junges Haus!
Die einstige Gewerkschaftsschule in Bernau ist jetzt Unesco-Weltkulturerbe. Die Auszeichnung ist auch eine Rehabilitierung des Bauhausdirektors Hannes Meyer.
Von Zeit zu Zeit werden Märchen doch wahr. Im dichten Bernauer Wald, zehn Kilometer nördlich der Berliner Stadtgrenze, ist die frühere Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) aus ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst worden. Der architektonische Schatz aus schnittigen Schul- und Internatsgebäuden, die inzwischen wieder als Bildungseinrichtungen genutzt werden, musste lange warten, bis man seine Bedeutung und Schönheit weltweit erkannt hat.
Am 9. Juli hat das Welterbekomitee der Unesco auf seiner Tagung im polnischen Krakau die Bauhaus-Architektur aus den Jahren 1928 bis 1930 zum Welterbe erklärt. Was nur konsequent ist: Die Bundesschule ist nicht nur ein außergewöhnliches Zeugnis für den sozialen Anspruch der Architekturen der klassischen Moderne. Mit Bernau ist die Liste der Bauhaus-Welterbestätten neben Dessau und Weimar komplettiert und die kleine Stadt zur Topadresse für Bauhausfans und Touristen geworden.
Die Entscheidung des Komitees, die Schule des Schweizer Architekten und zweiten Bauhausdirektors Hannes Meyer (1889 bis 1954) auszuzeichnen, war in Bernau natürlich erhofft worden. Die Handelskammer Berlin, Eigentümerin des Ensembles, und besonders die Mitglieder des Fördervereins Bundesschule Bernau feiern die Ehrung. Der Verein hat sich jahrelang für den Erhalt und die Sanierung des Gebäudeensembles eingesetzt und unterhält in einem Gebäude ein Museum.
Linkes Renommeeprojekt
Vereinsvorstand Friedemann Seeger und seine Mitarbeiter haben die Bauhaus-Gedanken mit ihren klaren Linien, der Funktionalität des Wohnens und Arbeitens sowie der Verbindung von Architektur und Landschaft immer in den Mittelpunkt ihrer musealen Arbeit gestellt. Während das Dessauer Bauhaus die Ausbildungsstätte war, wurde in Bernau das moderne Bauen von den Meistern und Schülern praktiziert. Es sei ein unglaublicher Erfolg, dass das „in der Öffentlichkeit nahezu unbekannte Baudenkmal diese ihm nun gebührende weltweite Würdigung erfährt“, sagt Seeger.
1928 waren der Bauhaus-Direktor Hannes Meyer und der Architekt Hans Wittwer vom Deutschen Gewerkschaftsbund beauftragt worden, einen Internatskomplex zu entwerfen. 120 Schüler sollten hier ausgebildet und unterrichtet werden und mit ihren Lehrern wohnen – ein linkes, soziales Renommeeprojekt der Weimarer Zeit.
Bis 1930 entstand, eingebettet in ein leicht abfallendes Seen- und Waldgelände, das mehrteilige, wie an einer Schnur aufgereihte ADGB-Ensemble. Dazu gehören die Lehrerhäuser, ein halbrunder Kasinotrakt, die durch einen langen gläsernen Gang – die berühmte „Passage“ – verbundenen vier Internatsblöcke und als Schlusspunkt die Klassenräume und die Sporthalle. Die Gebäude fügten sich locker in die Waldlandschaft, in der ein Freibad samt Sportplatz angelegt wurde. Meyer gelang es, eine moderne und soziale Architektur zu konzipieren, die beispielhaft werden sollte.
1933 besetzten die Nazis das Gebäude. Zu DDR-Zeiten wurde das Areal erweitert und überformt und als Gewerkschaftshochschule weitergeführt. Weil das Gelände nicht öffentlich war, „geriet es auch bei Bernauern in Vergessenheit“, wie der Verein anmerkt. Nach 1989 gab der DGB die Schule an die Treuhandanstalt ab. Das Baudenkmal wurde erst peu à peu saniert und dient der Handelskammer seit 2007 als Ausbildungsstätte für junge Handwerker.
„Überfällige Würdigung“
Die Unesco-Ehrung bedeutet auch eine Rehabilitierung für Meyer, der sich als Kommunist nicht lange im elitären Bauhaus halten konnte. Philipp Oswalt, Architekt und bis 2014 selbst Direktor der Stiftung Bauhaus in Dessau, freut sich über die Auszeichnung darum gleich doppelt: Die Referenz der Unesco an die Schule und die Laubengangbauten in Dessau kämen „einer überfälligen Würdigung des zweiten Bauhausdirektors Meyer“ gleich, der nach seinem Rauswurf 1930 aus Dessau verschwiegen „und auf Betreiben seines Vorgängers Walter Gropius gezielt verleumdet wurde“, sagt Oswalt.
Es sei lange verkannt worden, „welchen zentralen Beitrag Meyer für eine „l’architecture engagée“ schuf“, so Oswalt. Gerade die Gewerkschaftsschule sei ein bis „heute gültiger Versuch, mit Architektur einen Beitrag zur gesellschaftlichen Emanzipation, zur Realisierung eines gerechteren und sozialen Gemeinwesens zu leisten“.
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