: Weltkrieg zum Sparpreis
■ Die Würzburger Mainpresse Zeitungsverlagsgesellschaft will die Leser der Tageszeitung „Main-Post“ mit einem fragwürdigen Buchprogramm „Geschichte hautnah erleben“ lassen
17 Titel über den Zweiten Weltkrieg bewarb die Würzburger Mainpresse Zeitungsverlagsgesellschaft, die zu 100 Prozent zum Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern gehört, im Oktober in einem ihrer Main-Post (Auflage ca. 160.000) beigelegten Prospekt. Der „Kampf und Untergang der deutschen Panzertruppe 1939 bis 1945“ etwa werde in einem Buch von Horst Scheibert „eindrucksvoll dokumentiert“. Und Bildbände über „Kommandounternehmen des Zweiten Weltkrieges“ oder „Die deutschen Panzer“ vermittelten „tiefe Einblicke in die dramatischen Ereignisse“.
Schließlich, behauptet die Werbebeilage, habe es „inmitten der Zerstörung und des Blutvergießens auf Seiten aller Kriegsbeteiligten Taten von unglaublicher Tapferkeit“ gegeben. Bestellungen für die im Preis stark reduzierten Titel („jetzt 19,95 DM“) wickelt die Vertriebsabteilung des Verlages ab. Die Sorge um das Geschichtsbewusstsein fand allerdings nicht bei allen Lesern der Main-Post die gewünschte Resonanz. Einige Leser schrieben empörte Leserbriefe an den Verlag, in denen von fehlender Sensibilität für zeitgeschichtliche Zusammenhänge und einem „erbärmlichen Niveau“ die Rede ist. Eine Leserin kündigte gar ihr Abonnement.
Der Protest ist verständlich. So bewirbt der Verlag auch eine Rechtfertigungsschrift von Arthur Axmann. Der letzte Reichsjugendführer der Hitler-Jugend, der seinen 1995 in einem Koblenzer Kleinverlag veröffentlichten Erinnerungen das vielsagende Motto „Das kann doch nicht das Ende sein“ voranstellt, sei „einer der wichtigsten Zeitzeugen des Dritten Reiches“ gewesen, weiß der Verlag. Er breche „sein Schweigen“ und berichte „über seine Jugenderlebnisse in der Weimarer Republik und die Aufbauarbeit der HJ“. Das Buch, das jetzt verramscht wird, sei damit eine Dokumentation „von bleibender Bedeutung, die die Ideale einer Jugend erklärt und ihrer Verteufelung entgegen wirkt“.
Im Angebot finden sich außerdem Veröffentlichungen des Schriftstellers Franz Kurowski. Er dokumentiere, so einer der Titel, „Hitlers letzte Bastionen“ im „Endkampf um das Reich 1944 –1945“. Sein Buch „An alle Wölfe: Angriff“ enthalte „spannende Berichte“ über die „Kriegseinsätze von 30 der größten Kommandanten-Persönlichkeiten der deutschen U-Boot-Waffe“. Ähnliche Landserprosa erschien in rechtsextremen Verlagen wie der Verlagsgemeinschaft Berg mit Sitz am Starnberger See, in deren Programm auch Holocaust-Leugner zu Wort kommen, und im nicht weniger einschlägig aktiven Tübinger Grabert-Verlag.
Die Bücher seien von einem Sachverständigen geprüft worden, hält Rainer Schlereth von der Vertriebsabteilung des Verlags den Kritikern entgegen. Es handele sich dabei um „Zeitchroniken“, die über einen anderen Verlag bezogen würden und frei zugänglich seien. „Die bekommen Sie meterweise in jeder Buchhandlung“, so Schlereth auf taz-Nachfrage. Über den zeitgeschichtlichen Wert seines Angebotes scheint sich der Verlag inzwischen allerdings nicht mehr sicher zu sein. Zwar seien Tageszeitungen „gezwungen“, so die Verlagsleitung, „auf vielen medialen Geschäftsfeldern tätig zu sein, um ihre Wirtschaftlichkeit zu sichern“. Unsensiblen Umgang mit der Geschichte will sie sich aber doch nicht vorwerfen lassen. Das Angebot werde deshalb, so Vertriebsleiter Joachim Liebler, „mit Sicherheit keine Wiederholung finden“.
Martin Finkenberger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen