Weltklimagipfel geht in die Verlängerung: 250-Milliarden-Dollar-Kompromiss zeichnet sich ab
Die Verhandlungen sind zäh: Es geht ums Geld. Wie viel müssen reiche Länder armen Ländern in Zukunft für Klimaschutz und -anpassung zahlen?
Der größte Streitpunkt: ein neues globales Ziel für die Klimafinanzierung. Das sind die Hilfsgelder für Klimaschutz und Klimaanpassung in armen Ländern, zu deren Zahlung sich die Industrieländer verpflichtet haben. Aktuell liegt der vereinbarte Betrag bei insgesamt 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr, ab 2025 soll der Betrag deutlich höher ausfallen – aber um wie viel?
Im neuen Entwurf ist die Rede davon, die Klimafinanzierung bis 2035 auf 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr anwachsen zu lassen. Die Entwicklungsländer fordern für die Zeitspanne von 2025 bis 2035 die jährliche Zahlung von 1,3 Billionen US-Dollar.
Auch diese Zahl findet sich im aktuellen Entwurf, allerdings nicht als Verpflichtung. Die Weltklimakonferenz „ersucht“ demnach die Staaten, ein entsprechendes Anwachsen der Mittel aus öffentlichen wie privaten Quellen zu ermöglichen. Das ist unverbindlich, aber wohl als Kompromiss erwähnt.
„Das wird dem Bedarf in keiner Weise gerecht“
Der Entwurf geht in anderer Hinsicht auf Staaten wie die EU-Länder zu: Er nennt nicht die Industriestaaten als alleinverantwortlich für die 250 Milliarden US-Dollar. Stattdessen heißt es, sie sollten bei der Zahlung „die Führung übernehmen“ – was auch andere Zahlende impliziert.
Das richtet sich in erster Linie an mittlerweile wohlhabende und CO2-intensive Länder wie China oder die Golf-Staaten, die laut Klimarahmenkonvention von 1992 keine Industrieländer sind – und damit bisher nicht zur Zahlung von Klimafinanzierung verpflichtet. Viele Industrieländer wollen, dass sich das ändert.
Jan Kowalzig, Referent für Klimawandel und Klimapolitik bei der Hilfsorganisation Oxfam, bewertet die Summe von 250 Milliarden US-Dollar als unzureichend. „Das wird dem wachsenden Bedarf der einkommensschwachen Länder in keiner Weise gerecht“, so der Experte. „Dieser Entwurf ist inakzeptabel.“ Auch David Ryfisch, Experte für Klimafinanzierung bei Germanwatch, sieht diese Summe noch als nicht beschlussfähig. Es gebe genug Berechnungsmodelle, die zeigen, dass „bequem noch mehr möglich ist.“
Nach einer UN-Auswertung aller nationalen Klimapläne brauchen die Entwicklungsländer bis 2030 zwischen 215 und 387 Milliarden US-Dollar für die Anpassung an die Folgen der Klimakrise und sogar 5,1 und 6,8 Billionen US-Dollar für Klimaschutz. Allein letzteres würde pro Jahr schon 455 bis 584 Milliarden pro Jahr bedeuten.
Die Lücke zwischen dem Klimafinanzierungsziel im aktuellen Entwurf und dem eigentlichen Bedarf sei so groß, meint Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch, „dass wichtige Gruppen der Entwicklungsländer diesen Entwurf so nicht akzeptieren werden.“ Er befürchtet, dass ein niedriges Finanzierungsziel genutzt werden könne, um auch Klimaziele abzuschwächen – wenn arme Länder nämlich argumentierten, dass für eine stärkere Emissionsreduktion das Geld nicht reiche.
Nur vage bei Schadensersatzzahlungen
Kontrovers sind bei den Klimaverhandlungen auch regelmäßig Zahlungen für Verluste und Schäden durch die Klimakrise, also etwa für den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen. Arme Länder können die Kosten oft nicht stemmen und müssen sich hoch verschulden. Reiche Länder befürchten, dass Schadensersatzzahlungen wie ein Schuldeingeständnis für die Verursachung der Klimakrise gewertet werden könnten – und eine Haftung nach sich ziehen.
In den vergangenen Jahren gab es in dem Punkt Fortschritte, es wurde etwa ein erster Fonds für Schäden und Verluste eingerichtet, wenn auch nur schwach gefüllt. Im aktuellen Entwurf für einen Beschluss in Baku wird für diesen Zweck keine konkrete Zielsumme genannt. Es wird lediglich ein Bedarf grundsätzlich anerkannt, besonders für die ärmsten Länder und die kleinen Inselstaaten.
Das dürfte den entsprechenden Delegationen nicht annähernd reichen, vermuten Beobachter*innen. „Wenn das so beschlossen wird, wäre das ein Schlag ins Gesicht von Millionen Menschen in den besonders gefährdeten Ländern, denen der Klimawandel die Lebensgrundlagen immer weiter entzieht“, meint Jan Kowalzig von Oxfam.
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