■ Welt Weit Grönling: Männer mit feuchten Augen
In den Elektronikmärkten kann man es beobachten: Schon beim Anblick der bunten Würstchen bekommen sie feuchte Augen, denn damit wird später eine grüne Plastikscheibe bestückt, die sich „Platine“ nennt. Und Ordnung ist wichtig, man kann ein lila Würstchen nicht einfach dorthin tun, wo eigentlich ein blaues hingehört. Sonst macht der Gleichrichter das, was sein Name schon sagt: Gleich riecht er. Vermutlich war deshalb „Ein kurzer Film über das Löten“ so erfolgreich. Aber seit es Computer gibt und das Internet, gibt es auch neue Hobbys. Anfangs war das noch spannend: Man konnte Basic-Programme aus Computerzeitschriften abschreiben, und wenn man sich nicht vertippt hatte, hüpfte ein grünes Monster über den Bildschirm, oder Eliza fragte, welches Problem man denn habe. Dann kam DOS und später Windows, und das war nicht mehr so aufregend. Die Leute bastelten an anderen Dingen herum, und den Würstchenläden ging es wieder besser. Aber als das Internet plötzlich zum Massenmedium wurde, konnten alle wieder schrauben und konfigurieren. Die Würstchenläden verkauften müde Modems.
Heute ist auch das Internet keine echte Herausforderung mehr. Doch es gibt ein neues Hobby, und das heißt Linux. Das Freeware-Unix kann all das, wofür Gates so heftig kritisiert wird, und noch viel mehr. Man muß nur wissen, wie man es macht. Plötzlich sind Laufwerke nicht mehr unter ihrem Kennbuchstaben zu erreichen, sondern müssen erst softwaremäßig in einen Ordner montiert werden („mount“). Und das Textprogramm („vi“) ist eher was für Masochisten. Der Bildschirm ist schwarz, man tippt kryptische Kommandos mit einer Menge Parametern ein. Es gibt auch X- Windows – eine Art grafischer Oberfläche, die man nutzerfreundlich gestalten kann oder auch nicht. Kein X sieht aus wie das andere, und deshalb können Leute, die an solchen Systemen arbeiten müssen, ihr Kenntnisse woanders nicht gebrauchen.
Aber zum Arbeiten taugt Linux ohnehin nicht, brauchbare Software gibt es nicht. Wer Linux macht, macht Linux, um Linux zu machen. Basta. Das ist ein Spielzeug – aber was für eins! Kein System ist so nah am Internet, und auch für lokale Netze ist es das beste. Jede Konfiguration bedeutet Frickeln ohne Ende, das sorgt für soziale Kontakte. Noch nie habe ich so viele Leute angerufen. Aber wenn beim Starten LILO erscheint, ist alles wieder gut. Das ist keine scharfe Braut, sondern der Linux Loader, und das ist erst recht ein Grund für feuchte Augen. Dieter Grönling
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen