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■ Welcher Informant wird sich noch an eine verwanzte taz wenden? Der Lauschangriff ist das jüngste Glied in einer Kette von Einschränkungen der Pressefreiheit. Längst haben Staatsanwälte und Richter den Informantenschutz ausgehöhltEin Klim

Welcher Informant wird sich noch an eine verwanzte taz wenden? Der Lauschangriff ist das jüngste Glied in einer Kette von Einschränkungen der Pressefreiheit. Längst haben Staatsanwälte und Richter den Informantenschutz ausgehöhlt

Ein Klima der Einschüchterung

Nicht immer, aber immer öfter kommen sie. Am 13. August des letzten Jahres war es wieder soweit. Ein höflicher Oberstaatsanwalt in Taubenblau stellte sich in der Chefredaktion der taz vor, begleitet von vier Beamten und einer Beamtin von BKA und LKA. Er legte die Kopie eines taz- Artikels vor, dessen Veröffentlichungsdatum zwar falsch recherchiert war – aber dem konnten wir ja abhelfen.

Nicht helfen konnten wir ihm dagegen bei seinem Anliegen, freundlich vorgetragen und unterstützt von einem richterlichen Durchsuchungsbeschluß. Oberstaatsanwalt Volker Homann fahndete nach dem Brief einer untergetauchten Frau. Die bezichtigte darin ihren Bekannten Klaus Steinmetz, von dem RAF-Anschlag auf das Gefängnis Weiterstadt 1993 vorab gewußt zu haben. Steinmetz war zu jener Zeit V-Mann des Verfassungsschutzes in der RAF, und natürlich stellte sich nicht nur der taz die Frage, ob er sein Wissen an den Verfassungsschutz weitergegeben hatte.

Die taz rückte den Brief nicht heraus. Aus Prinzip, aber auch, weil wir ihn selbstverständlich nicht in der Redaktion aufbewahrten. Von einer Durchsuchung der Redaktion konnten wir den eigens aus Karlsruhe angereisten Vertreter der Bundesanwaltschaft aber nur aus einem eher zufälligen Grund abbringen: Der Autor war ein freier Journalist, der sein Büro außerhalb der taz hat. Im Nebenraum der Chefredaktion, nur durch eine Glasscheibe getrennt, saßen jedoch Kollegen, denen eine Durchsuchung mehr als unangenehm gewesen wäre: Nicht wegen brisanter oder heimlich zugespielter Dokumente, sondern weil sie um ihre Kontakte zu mißtrauischen Gesprächspartnern fürchten mußten. Unsere Redaktion bereitete gerade das taz-Journal zum Deutschen Herbst vor, fünf Meter von den BKA- und LKA-Besuchern entfernt lagen Stapel von Dokumenten, die staatliche Jäger und Sammler sicherlich auch brennend interessiert hätten. „Zufallsfunde“ nennt man das, und die sind durchaus begehrt.

Was das mit dem Großen Lauschangriff zu tun hat? Die taz wird schließlich durchsucht, seit es sie gibt, und auch die Telefonüberwachung wird in Deutschland nicht erst seit gestern praktiziert: über 6.000mal pro Jahr, viermal soviel wie in den USA, wo das Abhören nicht nur einmal genehmigt, sondern danach laufend richterlich überprüft werden muß. Auch der Lauschangriff ist bei uns längst Realität, allerdings darf er bisher nur zur Verhinderung bevorstehender Verbrechen eingesetzt werden. Dennoch stellt der sogenannte Große Lauschangriff, die Aufhebung jedes geschützten Raumes zum Zweck der Strafverfolgung, noch einmal eine Verschärfung dar beim Abbau des Informantenschutzes.

Schon in den letzten Jahren wurden die Anlässe für Durchsuchungen von Redaktionen zunehmend banaler, da ging es darum, die Teilnehmer einer nicht genehmigten Nacktdemo in München zu ermitteln, oder herauszufinden, wer (unerlaubt!) einen Bericht des Bremer Rechnungshofes der Presse zugespielt hatte. Bekämpfung schwerer Verbrechen? Verhältnismäßigkeit der Mittel?

Wer soll den Beteuerungen glauben, das werde alles von drei Richtern unabhängig geprüft, wenn der Bundesgerichtshof (BGH) schon heute mit haarsträubenden Begründungen Durchsuchungen für rechtens erklärt? 1995 hat der BGH eine taz-Durchsuchung nachträglich abgesegnet, weil die Verfasser des damals gesuchten Bekennerschreibens ja gerade an die Öffentlichkeit gewollt hätten. Deshalb sei ein „zu schützendes Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informant“ nicht gegeben. Die taz hat dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt, die noch nicht entschieden ist. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht 1982 festgestellt: „Anders als bei den unter einer Geheimhaltungspflicht stehenden Berufen der Ärzte, Anwälte und Steuerberater, deren Zeugnisverweigerungsrecht bei der Entbindung von der Schweigepflicht entfällt, behalten die Mitarbeiter der Presse das Zeugnisverweigerungsrecht und entscheiden nach freiem Ermessen, ob sie davon Gebrauch machen wollen.“ (BVerfG NStZ 82, S.253)

Auch die Strafverfolgungsbehörden finden mühelos Schlupflöcher, an die gutgläubige SPD- oder FDP-Abgeordnete seinerzeit wohl nicht im Traum gedacht hatten. Warum wohl werden 90 Prozent aller Durchsuchungen wegen „Gefahr im Verzug“ vorgenommen? Weil Staatsanwalt oder Polizei dann zuvor keinen Richter überzeugen müssen. Und warum wohl führen Verfahren wegen §129a („terroristische Vereinigung“) in den seltensten Fällen zu einer Anklage? Weil die meisten von ihnen nur mit dem Zweck eingeleitet werden, eine Abhörgenehmigung zu bekommen. Juristen nennen ihn deshalb auch gern den „Ausforschungsparagraphen“.

Mit dem Großen Lauschangriff verschlechtert sich das Klima für mögliche Informanten noch mehr, die Angst, enttarnt zu werden, wird weiter geschürt. Sicher hätte 1993 das taz-Interview mit dem Neonazi-Aussteiger Ingo Haßelbach, der damals polizeilich gesucht wurde, auch woanders als in der taz-Redaktion stattfinden können. Aber wird sich auch der Bundeswehr-Unteroffizier noch melden (taz mag vom 17.1.98), der aus Gewissensgründen über den täglichen Rassismus in der Truppe berichten möchte, aber seine Laufbahn dafür nicht aufs Spiel setzen will? Michael Rediske

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