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Weitgehend lahmgelegt

■ Generalstreik in Spanien erfolgreich / Regierung hält an der Arbeitsreform fest

Madrid (taz) – Ein 24stündiger Generalstreik gegen die Arbeitsreform der Regierung Gonzalez legte das öffentliche Leben Spaniens gestern weitgehend lahm. Da im Nahverkehr der großen Ballungsräume meist nicht einmal die angeordneten Mindestfahrpläne eingehalten wurden, die Angst vor Streikposten durch ein Riesenaufgebot an Polizei noch geschürt wurde und auch der Schulbetrieb nicht wie üblich funktionierte, blieben auch viele Arbeitswillige zu Hause. In Zwischenbilanzen sprachen die beiden großen Gewerkschaftszentralen von einem „neunzigprozentigen Erfolg“, während Regierung und Unternehmer eine „fortschreitende Normalisierung des Arbeitslebens im Tagesverlauf“ zu erkennen glaubten.

Auch wenn in ländlichen Gegenden wie Altkastilien oder Galicien weniger vom Ausstand zu spüren war, glich das Straßenbild der meisten Städte sonntäglicher Ruhe. Statt geschäftiger Hektik waren friedliche Spaziergänger und spielende Kinder zu beobachten. Bahnhöfe, Bushaltestellen, Metrostationen und Flugplätze blieben verwaist. Auch der Straßenverkehr begann sich erst am späteren Vormittag zu beleben.

Zu stürmischen Auseinandersetzungen kam es nur vor den Toren von Großbetrieben oder an einzelnen Straßenbarrikaden mit brennenden Reifen, wo Streikposten, Arbeitswillige und Polizisten aneinandergerieten. Solche Gewaltakte wurden hauptsächlich aus der baskischen Industriemetropole Bilbao, aus dem asturischen Stahl- und Kohlerevier sowie aus Valencia gemeldet. In Madrid und Barcelona gab es im Unterschied zu früheren Arbeitskämpfen nur kleinere Zwischenfälle. Landesweit verhafteten Polizei und Guardia Civil mehrere hundert Personen unter dem Vorwurf von Gewaltakten oder Einschüchterungsversuchen.

Unabhängig davon, wie groß die Beteiligung nun tatsächlich war, wird der Ausstand politisch kaum etwas bewirken. Die Regierung Gonzalez verschanzt sich weiter hinter der parlamentarischen Mehrheit für ihre Arbeitsreform, die Anlaß zum Streik gegeben hatte. Ebenso wie die bürgerliche Opposition hält sie die angestrebte Lockerung des Kündigungsschutzes für eine Überlebensfrage, wirke sich das starre Arbeitsrecht doch auf ausländische Investoren abschreckend aus und benachteilige den Produktionsstandort Iberien gegenüber der wachsenden Billigkonkurrenz aus Osteuropa. Wie Ministerpräsident Gonzalez am Vorabend des Streiks noch einmal betonte, ist er weiterhin zu Verhandlungen bereit. Niemals werde er jedoch unter Druck dazu die Hand reichen und schon gar nicht unter Umständen, die den Interessen des Landes zuwider liefen. Alexander Gschwind

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