Weiter Kritik an Käßmann: Moral der Soldaten gefährdet
Die Vorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, kann im Afghanistan-Einsatz nichts Gutes sehen. Dafür hagelt es Kritik. Die Bundeswehr empfiehlt ihr Gespräche mit Soldaten.
BERLIN taz | Die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, stößt mit ihren Aussagen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auf heftigen Widerstand. Am Wochenende hatten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose und Ralf Fücks von der Grünen-nahen Heinrich Böll Stiftung die hannoversche Landesbischöfin scharf kritisiert. Am Montag übte der Bundeswehrverband Kritik. Auch innerkirchlich wurden die Aussagen Käßmanns nur sehr differenziert begrüßt.
Schon in einem Interview mit der Berliner Zeitung hatte Käßmann zu Weihnachten gesagt: "Wir haben das in unserer Friedensdenkschrift sehr klar gesagt: Es gibt keinen gerechten Krieg. Es mag Kriterien geben, mit denen man einen Krieg rechtfertigen kann, was mir schon schwerfiele. Aber nach diesen Kriterien ist das, was in Afghanistan geschieht, in keiner Weise zu rechtfertigen." In der Dresdner Frauenkirche hatte sie zu Neujahr nachgelegt: "Nichts ist gut in Afghanistan … Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan." Am Montag beeilte sich Käßmann zu betonen, dass sie keinen "sofortigen Abzug" gefordert habe.
"Es wäre besser gewesen, wenn Käßmann vor ihrer Predigt das Gespräch mit den Soldaten über ihre schwierige Aufgabe gesucht hätte", sagte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, zu den Aussagen Käßmanns. Der Außenminister und FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle begrüßte die Klarstellung Käßmanns, sprach jedoch von einem "Gebot der Mitmenschlichkeit, dass wir Menschen nicht den Taliban in Afghanistan überlassen". Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte: "Frau Käßmann darf eine eigene Meinung haben. Sie sollte ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aber nicht für die evangelischen Kirchenmitglieder äußern."
Innerkirchlich waren die Reaktionen auf Käßmann zwiespältig. Ihr Vize Nikolaus Schneider sagte, man müsse dringend nach "Alternativen beziehungsweise Ergänzungen" für den Einsatz suchen. Allerdings sei er den Kriterien der EKD-Denkschrift zufolge zumindest nicht grundsätzlich abzulehnen.
Der Leitende Militärdekan Matthias Heimer sagte der taz, nach den Aussagen Käßmanns könnte einige Soldaten nun glauben, "jetzt auch noch von der Kirche keinen Rückhalt" mehr zu erhalten. Die Kirche lasse die Soldaten am Hindukusch nicht im Stich. "Aber einige werden das vielleicht so empfinden." Der Einsatz sei durch das Bundestagsmandat "von staatlicher Seite gerechtfertigt". Die Aussagen Käßmanns seien "insofern unglücklich", als einige Soldaten sich nun fragen könnten: "Ist das denn alles falsch?" Heimer sagte zudem, es werde "mit Sicherheit" Widerstand gegen Käßmanns Positionen auch innerhalb der Kirche geben - etwa von Leuten, die "konservativere Meinungen" hätten. Der "überwiegende Teil" der Kirchenmitglieder werde Käßmann wohl aber uneingeschränkt zustimmen.
Schon Anfang Mai war die EKD vom Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr vorsichtig abgerückt. "Dass Soldaten im Auslandseinsatz ihr Leben riskieren, macht uns ratlos und bestärkt immer wieder Zweifel an dem eingeschlagenen Weg, aus dem es doch keinen einfachen Ausstieg gibt", sagte der damalige EKD-Chef Wolfgang Huber.
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