piwik no script img

Weißrussischer Blogger über Repressionen"Ich will Absurditäten aufzeigen"

Ich verdiene mit dem Bloggen kein Geld, sagt der weißrussische Blogger Viktor Malishevsky. Damit fällt auch ein wichtiges Druckmittel weg.

Viktor Malishevsky aus dem weißrussischen Minsk auf der Blogger-Konferenz re:publica in Berlin. Bild: eva schubert
Interview von Alexandra Friedmann

taz: Herr Malishevsky, Ihr Blog wird von den weißrussischen Medien so oft zitiert wie kein anderer. Dennoch bezeichnen Sie sich als Antijournalisten.

Viktor Malishevsky: Der Blogger ist das Gegenteil eines Journalisten. Der stellt seine Fragen einem Gegenüber und braucht Antworten. Ich stelle meine Fragen ins Nichts. Meine Beiträge werden erst von der breiten Masse beachtet, wenn sie von den Mainsteam-Medien aufgegriffen werden. Für Journalisten sind kontroverse Blogbeiträge außerdem oft die einzige Möglichkeit, über Themen zu berichten, an die sie sich sonst nicht herantrauen würden. So können sie die Verantwortung auf die Blogger abwälzen.

Stehen Journalisten in Weißrussland unter Druck?

Ein Gesetz bei uns erlaubt, ein Medium nach zwei Verwarnungen ohne Gerichtsbeschluss zu schließen. Nichtstaatliche Zeitungen werden schnell abgemahnt, sie müssen also ständig um ihre Existenz bangen.

Haben Sie als Blogger ähnliche Probleme?

Viktor Malishevsky

Der 35jährige hat zehn Jahre bei der Tageszeitung Komsomolskaja Pravda in Minsk gearbeitet. Seit 2008 hat er einen Blog (malishevsky.livejournal.com), in dem er aktuelle Entwicklungen in Weißrussland kommentiert.

****************

DIGITAZ-ABO

Abonnieren Sie die Digitaz und lesen Sie abends schon die komplette taz von morgen. Direkt auf Ihrem Computer. Einen Monat lang. Für nur 10 Euro.

Nein. Ich verdiene mit meinem Blog kein Geld, also fällt ein wichtiges Druckmittel weg. Blogger werden hier viel weniger beachtet als Journalisten. Es ist ein bisschen wie in der Sowjetunion. Damals sprach man von der Küchenopposition: Die Leute saßen in der Küche und redeten über Politik. Das war auch eine Möglichkeit, Dampf abzulassen. Doch in die sowjetischen Küchen passten immer nur drei, vier Leute hinein. Wir Blogger erreichen heute mehr Menschen.

Welche Themen aus Ihrem Blog sind besonders beliebt?

Alles, was mit Wirtschaft zu tun hat. Die Preise sind auf europäischem Niveau, die Gehälter nicht. Auch mein Beitrag über das absurde, weißrussische Existenzminimum war ein großer Erfolg. Da habe ich mir mal ausgemalt, wie ein Ehepaar einkaufen geht. "Liebling, kaufen wir Socken für mich?" - "Nein, Schatz, du hast erst vor drei Jahren ganze zwei Paar bekommen."

Haben Sie als Blogger einen gewissen Einfluss auf die politischen Prozesse?

Wenn Blogger Einfluss haben, ist dieser sehr unterschwellig. Dennoch sind die kleinen Kämpfe, die von Bloggern ausgetragen werden, sehr wichtig. Sie zeigen der Bevölkerung, das man etwas tun kann. Mein persönliches Ziel ist es, Absurditäten unserer Gesellschaft aufzuzeigen. Auch wenn das nicht viel ändert, bringt es die Leute wenigstens zum Lachen. Und das macht wiederum vieles erträglicher.

***

Dieses Interview ist für Sie kostenlos verfügbar. Dennoch wurde er nicht ohne Kosten hergestellt! Wenn Ihnen der Text gefallen hat, würden wir uns freuen, wenn Sie der taz dafür einen kleinen Betrag bezahlen. Das können wenige Cent sein - wir überlassen es Ihnen.

Für unabhängigen Journalismus: taz-Konto 39316106 | BLZ: 10010010 | Postbank Berlin - Verwendungszweck "taz.de".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Ich finde auch, das Bloggen oder Interaktive beim Internet ist eine der letzten Möglichkeiten, den pseudo-kleinen Kreis Diskurs wegen der homogenen atomähnlichen Struktur - es werden doch überall in den Kleingruppen recht ähnliche Debatten geführt -

    endlich zu einer realen, untereinander kommunizierenden Öffentlichkeit zu machen. Das formalen Mittel sind, dass die Debatten im Netz gespeichert werden -

    die Nachklänge der Revolution des schriftlichen Gedächtnis - und daher "patchworkartige" Strukturen annhemen.

    Das ist auch für die professionellen Medienleute günstiger, weil die Quellprobleme sehr viel deutlicher, vor allem in ihrer statistischen Verteilung, werden.

    Schließlich ist es auch für die sozialpsychologische Entwicklung sehr günstig, weil die "Passgenauigkeit" der Diskussionen zunimmt und der Druck alleine gegen immer ein aggregierte institutionalsierte Masse anzuschreiben oder zu diskutieren, sich mehr einer realen 1 zu 1 Diskussion annähert.

    Der neurologsiche Ursprung dieses "Druckgefühls" - der "Alp" der Geschichte, der auf allen lastet - der Ansicht der anderen wird klarer und damit würde eine

    Selbsterkenntnis der Menschen möglich, von der das Delphische Orakel in seinem mythischsten Ausschweifungen nichts ahnen lässt.

    Die Erfüllung der Wünsche eines so entwickelten Volkes hätte sehr kurze Wege zur Realisierung.

     

    Aber wie oft ist die demokratische Gegeöffentlichkeitssuppe nicht doch noch in Salz auf die Wunden verwandelt worden.

    Viel Glück nach Weissrussland.

  • J
    jemandq

    Ich stimme Bär zu. Auch lassen sich mit Tools wie dem google translator Seiten einfach übersetzen, sodass es auch für Nicht- Fremdsprachler möglich ist die Seiten zu verfolgen.

  • B
    Bär

    Ich finde zu solchen Arikeln über Online-themen, und gerade über Blogger wäre es gut wenn man immer den Link zur Seite des Bloggers mit veröffentlichen würde. Manche sind des russischen mächtig und für sie wäre es interessant so etwas zu lesen.

    Gleiches gilt bei anderen Artikeln wie z.B. den über den Prfessor der online vorleseungen hält.