: Weisheit und Güte
Betr.: „Rassistische Gedankenbrühe“, taz hamburg vom 7.Februar 2000
In seinem Artikel umreißt Dirk Franke das Gebiet der Anthroposophie. Dabei werden beliebig aus dem Zusammenhang gerissene Zitate Rudolf Steiners mit Einzelaussagen von Anthroposophen, Momentaufnahmen aus der Waldorfschule u.ä. zusammen in einen Suppentopf geworfen (...) Es sei mir gestattet, dass ich das gleiche Bild verwende. Von Anfang an sind die Formulierungen scharf und provokativ, und zwischen den Zeilen schwingt ständig der Unterton mit, der eigentlich nur noch das Fazit zulässt: „Wie kann man doch diese Menschen nur bedauern, dass sie sich mit so etwas infiziert haben.“
Natürlich – es ist eine unglaubliche Sache, wenn der Sekretär der anthroposophischen Gesellschaft eine solche Äußerung macht. „Es wird sicher etwas Gutes daraus entstehen.“ – und dann auch noch der Sekretär! Dennoch möchte ich hier betonen, wieviele Menschen damals leider diese fatale Naivität an den Tag legten.
Und wenn wir heute, als Menschen der Nachkriegszeit, solche Bewertungen (fatale Naivität) vornehmen, so will ich darauf hinweisen, dass wir das eben nur können, weil das Geschehene geschehen ist (...) Eine solche Demokratie, wie sie der heutige Sprachgebrauch verwendet, gab es damals nicht! Die USA waren erst auf dem Weg zur Großmacht, die Demokratie, wie wir sie heute genießen dürfen, entwickelte sich doch erst in Folge der Weltkriege, in Deutschland besonders, aber auch bei den Alliierten wurde „nachgebessert“.
Insofern ist die Aussage, eine solche Demokratie „gilt als dekadent“, schlichtweg falsch. Der Begriff musste doch erst ausgefüllt werden mit Inhalt! Das sieht man auch an der kümmerlichen Demokratie, die dann erstmals ernsthaft zustande kam.
(...) Ich rate, sich wirklich mal ins anthroposophische Leben hi-neinzuwagen. Man kann dann Menschen erleben, die solche Ideen aktuell und transparent halten. Vielleicht schimmert dann doch etwas von der weisen Voraussicht und der beispiellosen Güte Rudolf Steiners hindurch. Martin Lassen
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