: „Weil ich ein Kanake bin“
Zivilcourage gegen rechts (6): Angelo Lucifero kämpft als Gewerkschafter gegen Rassismus
„Mein Name ist kein Zufall, mich kriegt man so schnell nicht klein.“ In seinen 46 Jahren haben schon viele versucht, Angelo Lucifero kleinzukriegen – vergeblich. Knapp 16 war er, als ihn sein Vater, der schon Jahre zuvor als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen war, 1969 aus Sizilien zu sich nach Mainz holte. Die Rechten hatten in Deutschland Konjunktur, die NPD saß in sieben Landesparlamenten. Als Angelo am Bahnhof in Mainz ankam, sah er sich gleich einer NPD-Demonstration gegenüber. Ehe er sich versah, hatte der langhaarige Jugendliche schon einen Polizeiknüppel auf dem Kopf. Man hielt ihn für einen Gegendemonstranten. „Ich wurde in Deutschland so richtig ordentlich begrüßt“, kann Lucifero heute über den Vorfall lachen.
Damals hatte er nicht viel zu lachen. „Noch bevor ich die ersten Worte Deutsch sprechen konnte, wusste ich, was ,Spaghettifresser` bedeutete“, erinnert er sich an den alltäglichen Rassismus. Er machte sein Abitur, ging kurz zurück nach Italien, begann dann in Mainz eine Lehre zum Industriekaufmann und trat in die Gewerkschaft ein. Als Lucifero 1990 DGB-Jugendsekretär in Gießen wurde, hatte er sich längst in der Antifa engagiert. „Mein Empfang in Deutschland hatte mich geprägt.“
Dem Angebot, die HBV in Thüringen aufzubauen, folgte ein drei Monate langes Ringen mit sich selbst. Mit der DDR hatte er „nie etwas am Hut“, trotzdem ging er schließlich nach Erfurt. „Ich wanderte erneut ins Ausland aus, und Ausland ist es für mich heute noch.“ In Erfurt fühlt er sich stets an seine ersten Wochen in der Bundesrepublik erinnert. „Hier merke ich an jeder Stelle, dass ich ein Kanake bin.“
Um den latenten und offenen Rassismus zu bekämpfen, organisierte er schon 1991 den „Antifaschistischen Ratschlag“, der bis heute alljährlich in Thüringen stattfindet. „Wir wollen damit Diskussionen vorantreiben, Antifa-Initiativen unterstützen und vernetzen.“ Die Reaktion blieb nicht aus: durchtrennte Bremsleitungen, zerstochene Reifen, anonyme Drohanrufe. Mehrmals versuchten Neonazis ihn direkt anzugreifen – vergeblich. „Ich habe gute Reflexe“, betont Lucifero. Das klingt nach einem Helden, doch ein Held ist er nicht. „Angst ist das Ende der Vernunft“, heißt in solchen Situationen seine Devise.
Seit vergangenem Jahr ist Angelo Lucifero HBV-Landesvorsitzender. Diese Funktion will er nutzen, um eine emanzipatorische Jugendarbeit voranzubringen. Nur so könne man Jugendliche gegen rechtsextreme Ideo- logien immunisieren. „Mit der akzeptierenden Jugend- und Sozialarbeit muss endlich Schluss sein.“ BERND SIEGLER
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