■ Weil die Wirtschaft boomt, erhöht die US-Notenbank die Zinsen: Dem Rest der Welt bleibt die Hoffnung
Heute also werden die Oberpriester des US-amerikanischen Wirtschaftswunders tagen, die Zentralbanker unter ihrem Vorsitzenden Alan Greenspan. Sie entscheiden über den Preis des Geldes. Dabei ist für die Aktienhändler das Hauptergebnis der Sitzung schon im Voraus klar: Die Federal Reserve wird ihren kurzfristigen Zinssatz um ein viertel Prozent erhöhen. Das verteuert das Ausleihen von Geld – sowohl für Privatleute als auch für Firmen.
Der Anstieg scheint vernünftig, denn die USA haben ein Problem, um das sie der überwiegende Rest der Welt beneidet: Weil ihre Wirtschaft so gut läuft, droht ihnen eine ansteigende Inflation. Nachdem die Vorzeigekonjunktur jahrelang boomte, ohne dass die Preise stiegen, klettern nun die Zahlen auf den Rechnungen. Fast jeder, der arbeiten kann, hat inzwischen eine Stelle, so dass in den letzten Monaten endlich auch die Angestelltenlöhne deutlich in die Höhe gingen. Die Inflationsbremse Rohöl wirkt nicht mehr, weil sich die Ölstaaten der Opec schon seit Monaten mit der Produktion zurückhalten und die Preise nach oben treiben. Greenspan versucht also die Konjunktur halbwegs in den Griff zu bekommen, bevor sie sich in einer Inflationsspirale überhitzt und die ganze Wirtschaft in die Rezession stürzt.
Die Europäer können das Ganze mit gemischten Gefühlen betrachten. Steigen die Zinsen in den USA, wird das Anlegen in Dollar attraktiver und im Umkehrschluss der Euro schwächer. Schlecht für die Leute mit Euro-Anlagen, aber gut für das produzierende Gewerbe – denn Güter aus der Euro-Zone werden in der Dollar-Welt billiger. Am wichtigsten für sie ist aber, dass die US-Wirtschaft weiter boomt, weil die Amerikaner derzeit die einzigen sind, die mit Begeisterung alles kaufen, was ihnen der Rest der Welt liefert. Deutsche oder Japaner hingegen halten sich beim Konsum zurück, obwohl bei ihnen Kredite so billig sind wie noch nie.
Daraus können Europäer und auch Japaner eigentlich nur eines lernen: dass ihre wirtschaftliche Entwicklung wie eh und je von der Entscheidung der US-amerikanischen Notenbanker abhängt. Denn dass die risikoscheuen Teile der Welt plötzlich von passionierten Sparern für die Rente zu konsumfreudigen und jeden Boom mit einem Kaufrausch begrüßenden Völkern werden, das glaubt keiner. Solange die Weltwirtschaft so organisiert ist, wie sie es ist, siegt der American Way of Life. Und die USA als wichtigster Player in diesem Spiel haben auch kein Problem damit. Reiner Metzger
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