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WeihnachtsmärkteGlühwein macht glüh-cklich

Glühwein ist ein deutscher Wein, der seinen Ruf verdient, findet unsere Autorin. Dafür muss er nicht so teuer sein. Ein Text mit 1 Promille im Blut.

Einziger Lichtblick im Berliner Winter: Glühwein auf einem Weihnachtsmarkt Foto: Bartillax/FuturexImagex

Aus Berlin

Gabrielle Meton

Schnee auf den Gehwegen, Minusgrade und Weihnachtslieder in der Luft – spüren Sie schon Weihnachtsstimmung? Es ist noch nicht einmal offiziell Adventszeit und doch erklingt bereits „Let it snow“ von den Hütten am Alex bis zu den weißen Zelten auf dem Gendarmenmarkt. Dass die Weihnachtsmärkte so früh öffnen, liegt daran, dass sie die einzige Therapie anbieten, die den Berliner Winter erträglich macht: viele Becher Glühwein.

Pünktlich um 12 Uhr treffen die ersten Be­su­che­r:in­nen des Weihnachtsmarktes auf dem Gendarmenmarkt vor den Glühweinhütten ein. „Das ist jedes Jahr pünktlich so voll“, kommentiert Dana hinter der Kasse ihres Standes zwischen zwei Kunden. Ob rot oder weiß, mit oder ohne Schuss, norwegisch oder Feuerzangenbowle, mit oder ohne Alkohol: Die Berliner Weihnachtsmärkte bietet Glühwein für jeden Geschmack. Deutschland ist zwar nicht das Land von Bordeaux und Burgunder, doch mit Zimtstangen und Orangenscheiben haben sich die Deutschen eine lobenswerte Weinspezialität erkämpft.

Am Tisch vor dem Stand stehen zwei französische Touristinnen und meckern über die deutsche Hauptstadt. „Es ist kalt, und um 16 Uhr fühlt es sich an wie 20 Uhr“, berichtet Annaëlle von ihrem dreitägigen Aufenthalt. Zum Glück habe der Glühwein, den sie getrunken haben, die Situation gerettet. Die beiden Freundinnen sind gerade auf ihrem dritten Weihnachtsmarkt innerhalb von 48 Stunden. Am Vortag am Alexanderplatz haben sie sogar einen heißen Limoncello probiert. „Viel besser und süßer als in Frankreich! Nach einer Weile wird es fast zu viel, aber Hauptsache, es wärmt“, sagt Annaëlle und pustet sich auf die Finger.

So sieht es auch Doris. Seit fünf Jahren kommt die Rentnerin dreimal zum Gendarmenmarkt: einmal am Eröffnungstag, einmal Mitte Dezember und einmal an Heiligabend – um Glühwein zu trinken und Käse zu kaufen. Immer zwischen 12 und 14 Uhr – denn den Rest des Tages kostet der Eintritt zwei Euro. Und der Preis für eine Tasse Glühwein? „Pff, überall so teuer“, antwortet die Berlinerin mit einer Handbewegung. Früher kostete ihr Glühwein 3 Euro, schätzt sie. Für ihren „Glögg“ – ein skandinavischer Glühwein mit Mandeln und Rosinen – hat sie heute 7 Euro gezahlt.

Preise müssen runter

Mit einem Standardpreis von 5 Euro für den roten Glühwein-Klassiker bewegt sich der Gendarmenmarkt noch im Rahmen der für Berlin üblichen Preise. Der teuerste Glühwein wird für 8 Euro angeblich auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche verkauft.

Das ist fatal. Wenn um 16 Uhr die Sonne untergeht, man sich kaum noch eine Zigarette drehen kann, ohne einen Finger zu verlieren, und selbst der Schnee nicht mehr ausreicht, um über den grauen Himmel hinwegzutrösten, bleibt der Glühwein das einzige Licht in der Berliner Dunkelheit. Zum Wohle der Ber­li­ne­r:in­nen und aller frierenden Ausländer:innen, die von Dezember bis März durch die windige Hauptstadt durchqueren, müssen die Glühwein-Preise gesenkt werden. Denn es geht um die öffentliche psychische Gesundheit.

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