Weibliche Doppelspitze in der Linkspartei: „Wir sind nicht niedlich“
Keine Spielerei: Katharina Schwabedissen, Chefin der Linkspartei in NRW, will eine weibliche Doppelspitze. Und Oskar Lafontaine als Berater.
taz: Frau Schwabedissen, ist die Linkspartei schon ganz kaputt oder noch reparabel?
Katharina Schwabedissen: Natürlich reparabel. Nur weil wir eine Wahl verloren haben, geht doch Partei Die Linke nicht kaputt.
Deshalb nicht. Aber weil sich die Flügel, Ost und West, mit solcher Inbrunst verachten.
Das stimmt nicht. Uns in Nordrhein-Westfalen haben viele GenossInnen aus dem Osten im Wahlkampf unterstützt. Dass es eine Spaltung in Ost und West gibt, das stimmt schlicht nicht.
Aber Dietmar Bartsch gegen Oskar Lafontaine – da sausen doch zwei Züge aus Ost- und Westdeutschland aufeinander, letzter Halt in Göttingen.
Die 39-jährige gelernte Krankenschwester hat Philosophie und Geschichte studiert. Seit 2008 ist sie Landessprecherin der Linkspartei NRW. Sie war bei der Wahl Spitzenkandidatin. Die Linke erreichte 2,5 Prozent und flog aus dem Landtag.
Nein, die beiden verkörpern unterschiedliche Politikvorstellungen. Aber es gibt auch viele in der Partei, die sagen: Wir brauchen eine andere Form der Personalfindung. Die Partei diskutiert das derzeit lebhaft. Das ist gut so.
Ist dieses Schauspiel, dieser Mann-gegen-Mann-Showdown, nicht genau die Art von Politik, die viele Bürger nervt?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Die SPD-Troika tritt in trauter Eintracht auf, aber innerparteilich wird gerangelt, wer Kandidat wird. Das wird ja auch nicht als der Niedergang der SPD verstanden, sondern als Streit unter drei Jungs. Was mich stört ist, dass es noch immer die männliche Dominanz gibt. Wir leben im 21. Jahrhundert! Es gibt fähige Frauen in der Linken. Wir müssen mal darüber reden, ob es in Ordnung ist, dass zwei Männer über die Führung streiten, und daneben darf eine Frau drapiert werden.
Das ist jetzt die Inszenierung: Bartsch und Lafontaine suchen die Frau an ihrer Seite aus dem anderen Lager …
Und sie finden derzeit keine. Die Frauen reden derzeit lieber miteinander darüber, was sie wollen. Das ist gut so.
Was halten Sie von Katja Kippings Idee einer Frauenspitze?
Find ich großartig.
Wären Sie dabei?
Wir diskutieren im Moment – gemeinsam. Wir reden aber auch weiter mit Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine. Es ist nicht so, dass wir uns nur streiten. Es ist auch nicht so, dass dieser Konflikt, wie manche Medien nahelegen, zum Niedergang der Linken führen wird.
Ist die Frauenspitze eine realistische Möglichkeit – oder eine Spielerei, geboren aus der Blockade, die sich zwischen Bartsch und Lafontaine abzeichnet?
Warum soll eine Frauenspitze denn eine Spielerei sein? Wir hatten in den ersten Jahren mit Lafontaine und Lothar Bisky ja auch eine Männerspitze. Es ist offenbar noch immer so, dass Frauen auf dem politischen Parkett als niedlich angesehen werden. Sind wir nicht. Wir sind nicht das schmückende Beiwerk an der Seite eines Mannes. Wir meinen es ernst.
Gibt es nicht auch für eine Frauenspitze die Gefahr, dass wenn Lafontaine nicht Parteichef wird, er die graue Eminenz im Hintergrund ist, gegen den nichts geht?
Das Bild ist schräg. Oskar Lafontaine zieht nicht im Hintergrund die Fäden. Er hat diese Partei mit aufgebaut, er hat enormen politischen Spürsinn, viel Erfahrung, keiner kann so Themen setzen wie er. Wir brauchen ihn als Berater.
Ist Lafontaine denn noch so unumstritten wie 2009? Oder gibt es mehr Distanz, weil er doch sehr taktisch die beiden Niederlagen in Kiel und in Düsseldorf abgewartet hat?
Das ist nicht die Frage, die die Partei bewegt. Es ist eher die Frage, ob es nicht Zeit für eine neue Generation ist. Das heißt nicht, dass Oskar Lafontaine weg soll, er soll als politischer Berater da sein. Ich finde, es ist Unfug zu sagen: Wer das Angebot von Oskar Lafontaine Parteivorsitzender zu werden ablehnt, ist gegen ihn. Niemand stellt seine Verdienste infrage. Aber wir diskutieren, ob es nicht besser ist, wenn auch andere Gesichter dieses Projekt vorantreiben – mit Oskar Lafontaine, nicht gegen ihn.
Also nicht Bartsch oder Lafontaine, sondern eine dritte Lösung?
Ja, das sage ich schon seit Jahren.
Und das ist realistisch?
Ja, nicht im Nahkampf gegen Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine. Die Partei muss den Weg zu einer dritten Lösung gemeinsam finden.
Was können Frauen an der Spitze denn besser als Männer?
Frauen sind in politischen Führungsposition nicht grundsätzlich besser. Sie sind keine besseren Menschen. Wir brauchen auch nicht auf Biegen und Brechen eine Frauenspitze. Ich fände es aber eine gute, sympathische Abwechslung. Das würde auch zeigen: Unsere Partei bricht mit der Form der patriarchalen Organisationen.
Wie muss sich die Linkspartei verändern, um wieder Erfolg zu haben?
Wir sind in Nordrhein-Westfalen von einem Wahlkampf in den andern getrudelt. Was wir ein bisschen versäumt haben, ist die Verankerung vor Ort. Daran ist niemand Schuld, aber es ist es so. Wir müssen viel mehr im Alltag der Menschen präsent sein, damit wir einen Gebrauchswert haben. Im Osten haben wir das, im Westen müssen wir das jetzt angehen.
Können Sie etwas von den Piraten lernen?
Manches machen wir ja schon länger. Aber wir sollten noch klarer machen, dass Widerspruch nichts Schlechtes ist. Wenn wir mal keine gemeinsame Meinung haben – na, dann haben wir eben keine.
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