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Weibliche Doppelspitze in der Linkspartei„Wir sind nicht niedlich“

Keine Spielerei: Katharina Schwabedissen, Chefin der Linkspartei in NRW, will eine weibliche Doppelspitze. Und Oskar Lafontaine als Berater.

Nicht niedlich: Linke Frauen. (rechts: Katharina Schwabedissen) Bild: dapd
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Frau Schwabedissen, ist die Linkspartei schon ganz kaputt oder noch reparabel?

Katharina Schwabedissen: Natürlich reparabel. Nur weil wir eine Wahl verloren haben, geht doch Partei Die Linke nicht kaputt.

Deshalb nicht. Aber weil sich die Flügel, Ost und West, mit solcher Inbrunst verachten.

Das stimmt nicht. Uns in Nordrhein-Westfalen haben viele GenossInnen aus dem Osten im Wahlkampf unterstützt. Dass es eine Spaltung in Ost und West gibt, das stimmt schlicht nicht.

Aber Dietmar Bartsch gegen Oskar Lafontaine – da sausen doch zwei Züge aus Ost- und Westdeutschland aufeinander, letzter Halt in Göttingen.

Katharina Schwabedissen

Die 39-jährige gelernte Krankenschwester hat Philosophie und Geschichte studiert. Seit 2008 ist sie Landessprecherin der Linkspartei NRW. Sie war bei der Wahl Spitzenkandidatin. Die Linke erreichte 2,5 Prozent und flog aus dem Landtag.

Nein, die beiden verkörpern unterschiedliche Politikvorstellungen. Aber es gibt auch viele in der Partei, die sagen: Wir brauchen eine andere Form der Personalfindung. Die Partei diskutiert das derzeit lebhaft. Das ist gut so.

Ist dieses Schauspiel, dieser Mann-gegen-Mann-Showdown, nicht genau die Art von Politik, die viele Bürger nervt?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Die SPD-Troika tritt in trauter Eintracht auf, aber innerparteilich wird gerangelt, wer Kandidat wird. Das wird ja auch nicht als der Niedergang der SPD verstanden, sondern als Streit unter drei Jungs. Was mich stört ist, dass es noch immer die männliche Dominanz gibt. Wir leben im 21. Jahrhundert! Es gibt fähige Frauen in der Linken. Wir müssen mal darüber reden, ob es in Ordnung ist, dass zwei Männer über die Führung streiten, und daneben darf eine Frau drapiert werden.

Das ist jetzt die Inszenierung: Bartsch und Lafontaine suchen die Frau an ihrer Seite aus dem anderen Lager …

Und sie finden derzeit keine. Die Frauen reden derzeit lieber miteinander darüber, was sie wollen. Das ist gut so.

Was halten Sie von Katja Kippings Idee einer Frauenspitze?

Find ich großartig.

Wären Sie dabei?

Wir diskutieren im Moment – gemeinsam. Wir reden aber auch weiter mit Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine. Es ist nicht so, dass wir uns nur streiten. Es ist auch nicht so, dass dieser Konflikt, wie manche Medien nahelegen, zum Niedergang der Linken führen wird.

Ist die Frauenspitze eine realistische Möglichkeit – oder eine Spielerei, geboren aus der Blockade, die sich zwischen Bartsch und Lafontaine abzeichnet?

Warum soll eine Frauenspitze denn eine Spielerei sein? Wir hatten in den ersten Jahren mit Lafontaine und Lothar Bisky ja auch eine Männerspitze. Es ist offenbar noch immer so, dass Frauen auf dem politischen Parkett als niedlich angesehen werden. Sind wir nicht. Wir sind nicht das schmückende Beiwerk an der Seite eines Mannes. Wir meinen es ernst.

Gibt es nicht auch für eine Frauenspitze die Gefahr, dass wenn Lafontaine nicht Parteichef wird, er die graue Eminenz im Hintergrund ist, gegen den nichts geht?

Das Bild ist schräg. Oskar Lafontaine zieht nicht im Hintergrund die Fäden. Er hat diese Partei mit aufgebaut, er hat enormen politischen Spürsinn, viel Erfahrung, keiner kann so Themen setzen wie er. Wir brauchen ihn als Berater.

Ist Lafontaine denn noch so unumstritten wie 2009? Oder gibt es mehr Distanz, weil er doch sehr taktisch die beiden Niederlagen in Kiel und in Düsseldorf abgewartet hat?

Das ist nicht die Frage, die die Partei bewegt. Es ist eher die Frage, ob es nicht Zeit für eine neue Generation ist. Das heißt nicht, dass Oskar Lafontaine weg soll, er soll als politischer Berater da sein. Ich finde, es ist Unfug zu sagen: Wer das Angebot von Oskar Lafontaine Parteivorsitzender zu werden ablehnt, ist gegen ihn. Niemand stellt seine Verdienste infrage. Aber wir diskutieren, ob es nicht besser ist, wenn auch andere Gesichter dieses Projekt vorantreiben – mit Oskar Lafontaine, nicht gegen ihn.

Also nicht Bartsch oder Lafontaine, sondern eine dritte Lösung?

Ja, das sage ich schon seit Jahren.

Und das ist realistisch?

Ja, nicht im Nahkampf gegen Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine. Die Partei muss den Weg zu einer dritten Lösung gemeinsam finden.

Was können Frauen an der Spitze denn besser als Männer?

Frauen sind in politischen Führungsposition nicht grundsätzlich besser. Sie sind keine besseren Menschen. Wir brauchen auch nicht auf Biegen und Brechen eine Frauenspitze. Ich fände es aber eine gute, sympathische Abwechslung. Das würde auch zeigen: Unsere Partei bricht mit der Form der patriarchalen Organisationen.

Wie muss sich die Linkspartei verändern, um wieder Erfolg zu haben?

Wir sind in Nordrhein-Westfalen von einem Wahlkampf in den andern getrudelt. Was wir ein bisschen versäumt haben, ist die Verankerung vor Ort. Daran ist niemand Schuld, aber es ist es so. Wir müssen viel mehr im Alltag der Menschen präsent sein, damit wir einen Gebrauchswert haben. Im Osten haben wir das, im Westen müssen wir das jetzt angehen.

Können Sie etwas von den Piraten lernen?

Manches machen wir ja schon länger. Aber wir sollten noch klarer machen, dass Widerspruch nichts Schlechtes ist. Wenn wir mal keine gemeinsame Meinung haben – na, dann haben wir eben keine.

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16 Kommentare

 / 
  • AB
    Anne Bergmann

    Unbedingt: Frauendoppelspitze: Das wäre die Lösung für eine erfolgreiche fortschrittliche Linke Deutschlands!

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Wenn der Wähler mehr dem "Phantasma" bei seinen Entscheiden folgt, was er schon lange tut, haben wir es mit einer "Nominalen", dem "Namen" nach, Demokratie zu tun, die mit der "Legitimationsskraft" einer realen Demokratie "aufzuTRUMPFEN pflegt. Speziell in der Exekutive, Jurispundenz,, international und in der Postenvergabe und Umverteilungen von untern nach oben.

     

     

    Wahrscheinlich kennen 95 % der Wähler die Unterschiede in ihrer Unterschiedlichkeit, meist beide überhaupt nicht, der Vorstellungen von Bartsch und Lafontaine nicht.

     

    Die "unpolitische Politik" der "Nebengleise" hat schon immer dem Bestehenden weiterzubestehen geholfen.

     

    Der stärkere Sinn für den Nutzen von wirklicher Rechtsverbindlichkeit und der Großmut der LINKEN führt zu einigen Verwerfungen "vor Ort", die den sowieso bescheidenen Einfluß auf die Gesamtgesellschaft mit Fesseln im Innern belegen.

     

    Im übrigen weicht die LINKE von den gewohnten Vorstellungen "am meisten" NACHHALTIG ab, was dem verängstigten, nach dem Modell des "Konsum" vorgehenden Wähler in seiner durch die Denormalisierung der Krise verschärften Privatverunsicherung scheinbar normalverteilt vor zu große "Entscheidungs"anforderungen stellt. Wie eine scheunende Pferdeherde auf der Flucht vor einem Steppenbrand...

     

    Im übrigen tut die etablierten Hartz IV Parteien , im Staats- und Medienbetrienb allherrschend, soviel, um die LINKE von Innen und außen zu sabotieren, dass alleine ihr Bestand ein halbes Wunder ist.

     

    Männer-Frauen, das kennt wenigstens "jeder"....

  • A
    Allendorf

    Die Partei würde die Frage bewegen, ob es nicht Zeit für einen Generationswechsel ist. Dieser vernünftige Gedanke ist mir aus den Publikationen und Interviews nicht bekannt. Von welchen Kontinent kommt Frau Schwabedissen? In NRW habe ich zu viele Wähler gesprochen, die diese Spitzenkandidatin noch nicht mal kannten.

     

    Katharina Schwabedissen ist mit 2,5% die Wahlverliererin schlechthin und das soll Sie zur Parteiführung qualifizieren?. Nach der von der feministischen Fraktion lancierte männlichen Lokomotivendilemma, soll nun die doppelte Weiblichkeit die Führungsprobleme der Partei lösen. Dies ist genauso abwegig, wie ihr Wunschdenken "Unsere Partei bricht mit der Form der patriarchalen Organisationen." Gerade hat der Klaus Ernst die Direktwahl des Vorstandes verhindert, und im Karl Liebknechthaus die Loyalität der Mitarbeiter beleidigt eingefordert mit dem (drohenden) Hinweis, dass sie ihre Stellen den Oskar Lafontain verdanken würden. Wen wundert es dann wirklich, wenn nach der Politik der "Klappe halten" die bisherige Form der Personalfindung und die Führungsdiskussion sich zuspitzt. Lafontain zumindest galt auch schon in SPD-Zeiten als Frauenförderer oder genauer als Förderer seiner jeweiligen Lebenspartnerinnen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis seine Prinzessin Sahra einer vollkommen genervten Partei als rettende Lösung präsentiert wird. Bis dahin kann ja Frau Schwabedissen zumindest erst einmal in Ihren eigenen Reihen "noch klarer machen, dass Widerspruch nichts Schlechtes ist." Sie selber weird sich da offenbar von Lafontain und nicht von Bartsch beraten lassen wollen.

  • A
    aurorua

    Sehr vernünftig Frauen an die Macht, Frauen in die Arbeit, Frauen als Ernährer! Männer an den Herd, können mittlerweile eh besser kochen.

  • KK
    Karl K

    Katharina Schwabedissen!?

    Ja! Da wiederhol ich mich gerne:

    Wat ne fitte Kappe; knochentrocken und humorvoll,

    so kommt sie auch live über die Rampe.

    Da kann sich der Möchtegernbonvivant schon mal

    warm anziehen.

    " Weiberdorf" läßt grüßen - endlich. Und das hat was.

  • G
    godzilla

    ich glaube auch an konflikte. ich bin ja selbst einer.

     

    konfligierend

    godzilla

  • R
    reblek

    "Oskar Lafontaine ... keiner kann so Themen setzen wie er." - Wohl wahr: 1992 ist das Asylrecht praktisch aus dem Grundgesetz gestrichen worden - und Lafontaine war der erste Bundespolitiker, der das gefordert hat. Als er Finanzminister war, hat er als Erster das gefordert, was hinterher den Namen eines verurteilten Straftäters tragen sollte, obwohl es Arbeitslosengeld II heißt. Noch mehr Bedarf an Lafontaine-"Themen"?

  • S
    seyinphyin

    Ein sehr kluger Mensche, diese Schwabedissen, merkt man immer wieder in Interviews und auch sonst.

     

    Wirklich sehr traurig, wie wenig Aufmerksamkeit die Medien ihr gegeben haben, stattdessen wurde Lindner gehyped wie nichts anderes.

     

    Aber selbst nachdem die Meschen NRWs ihre Entscheidung getroffen haben und diese für die Linke den Ausstieg aus dem Landtag bedeutete (was letztlich fast gut ist, denn die folgenden Jahre werden für die Opposition sowieso Zeitverschwendung sein und von außen lässt sich der Untergang NRWs aufgrund der Rot/Grünen Scheuklappenpolitik wohl besser verfolgen)

    , hat sie immer noch Größe bewahrt, bleibt locker, unverkrampft aber eben auch engagiert, dort wo es eben geht, abseits des Landtages.

     

    So stell ich mir gute Politiker vor, sollte jede Partei haben, selbst wenn die Ansichten andere sind.

  • H
    Holländer

    Fast alle Plakaten in NRW waren zu bundespolitischen Themen (von vor 10 Jahren).

     

    So langsam sollte die Linkspartei wissen, was sie in dem NRW Landtag machen möchte. Die Piraten können in 10 Jahren auch nicht mehr sagen: wir lernen noch.

  • E
    edi

    Deutschland braucht Die Linke wie die Luft zum Atmen. Das Die Linke nur 2,5 % bekommen hat, schreibe ich den Medien zu. Die Linke wurde im Wahlkampf tot geschwiegen, sie existierte überhaupt nicht. Warum vergleicht man sogar im Westen Die Linke mit der SED? Frau Bundeskanzlerin Merkel kommt aus dieser SED - Zeit und hat dort gut gelernt, siehe Rauswurf von Röttgen, das sind die berühmten SED Manieren. Bei den Linken habe ich dies noch nicht gehört oder erlebt.

  • S
    Sonja

    Die Linkspartei hat viele sehr gute Frauen: Wagenknecht, Kipping...

     

    Frau Lötzsch fand ich auch argumentativ sehr gut.

     

    Die sollen an die Parteispitze.

     

    Allein schon um der anderen Männerpartei, der rein Männer dominierten Piratenpartei, weibliche Macht entgegen zu setzen.

  • RD
    Richard Detzer

    Immer noch Linke - wann kommt endlich die Gewaltorgie?

  • H
    Hajü

    Sarah und Katja oder Katharina, das ist doch echt mal eine synthetische Lösung. Da sehen Hanni und Nanni bald sehr alt aus. Und Macheten-Mutti Merkel steht sowieso ganz allein in der Küche.

  • US
    uwe schenke

    Es ist schade,ansehen zu müssen wie die einst "linke" Berliner Zeitung, die taz zum neoliberalen Blatt verkommen ist!

    Uwe Schenke

  • P
    Petra

    ..."Es ist offenbar noch immer so, dass Frauen auf dem politischen Parkett als niedlich angesehen werden."

    ..." Das würde auch zeigen: Unsere Partei bricht mit der Form der patriarchalen Organisationen."

     

    Wenn man diese beiden Zitate sieht bekommt man eine Vorstellung wie weit von Gestern die Linke noch ist und wie weit mittlerweile Parteien wie die CDU und die Grünen dieser Partei in der Einbeziehung von Frauen in die Verantwortung und Führung vorraus sind. Bis die Linken das aufgeholt haben sind die von der politischen Wahrnehmung verschwunden.

  • AS
    Anke Söllmann

    Und da wunder sich die in der Linkspartei, warum sie eine Wahl nach der anderen vergeigen? Ein Programm, dass ausser über "die armen Armen" kaum hinauskommt und lauter eitle PolitikerInnen die wie die Gockel über den Hof stolzieren. Die Frauen tragen da genauso ihren Teil zu bei wie die Herren. Nur machen sie es parteiintern auf der kleinen Bühne und nicht auf der großen Bühne wie die alten Männer.

    Was die WählerInnen von solch einer Partei halten, das sieht man an der abgegebenen Stimmen.

    Und, wer / welche da jetzt so laut nach Herrn Lafontaine ruft, scheint schlichtweg vergessen zu haben, dass der Herr als SPD-Vorsitzender noch lauthals über Flüchtlinge hergezogen ist. "Das Boot ist voll" rief er über die Medien. Rostock, Hoyerswerda, Mannheim, ... die Flüchtlinge haben es gemerkt. Über "Fremdarbeiter" schwadronierte er dann weiter und beschwerte sich, dass er falsch verstanden worden wäre. Entschuldigt hat sich Herr Lafontaine dafür bislang nicht. Aber als Parteivorsitzender oder Berater scheint er einigen in der Linkspartei ja ziemlich wichtig zu sein. Da stehen mir dir Haare zu Berge wenn ich über dieses in Lafontainscher Manier geplante Comeback lesen muss.

    Dass sich da in den Medien jetzt auf einmal Leute zu Wort melden und ach so versönlich über die jeweils anderen reden, ist die Verlogenheit hoch 10. Was sich untereinander so alles vorgeworfen, bzw. über andere gelästert wird, da kann die Partei froh sein, dass das nicht in den Medien auftaucht. Die "illoyalität" (Zitat G. Gysi) des Herrn Bartsch gegenüber Herrn Lafontaine, ist nur ein Zipfelchen all dessen was sich in der Partei abspielt.