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Wehrerziehung an SchulenLinke greift Bundeswehr an

Linkspartei und Grüne wollen der Bundeswehr die Rekrutierung von Nachwuchs in Schulen erschweren. SPD, CDU und FDP verweisen auf die hohe Bedeutung des Militärs.

Unbeliebt als Unterrichtsthema: Der Krieg und der Tod Bild: ap

Die Linkspartei will, dass Jugendoffiziere in Schulen nicht mehr einseitig für die Bundeswehr werben können. "Schulen sollten im Einklang mit der Schulgemeinschaft sehr genau prüfen, ob sie die Jugendoffiziere überhaupt einladen", fordert Landesvorstandsmitglied Sebastian Schlüsselburg. Die Schulen sollten daher vom Senat "auf ihre Pflicht zur Herstellung von Pluralität hingewiesen werden". Die Grünen teilen dieses Anliegen. Die SPD, die mit der Linkspartei koaliert, lehnt es hingegen ab.

Jugendoffiziere sind Bundeswehrsoldaten, die im Rahmen der militärischen Öffentlichkeitsarbeit für den Kontakt zu Jugendlichen zuständig sind. Bei ihren Schulbesuchen diskutieren sie über die Aufgaben der Bundeswehr, insbesondere über die Auslandseinsätze der Armee sowie über grundsätzliche Fragen von Krieg und Frieden. Immer wieder gibt es an den Schulen Protest gegen den Auftritt der Jugendoffiziere: Ein für diesen Freitag geplanter Bundeswehr-Auftritt am Lichtenberger Hans- und-Hilde-Coppi-Gymnasium wurde deswegen abgesagt. Ende März demonstrierten am Schadow-Gymnasium in Zehlendorf Schüler und Eltern gegen eine Werbeveranstaltung.

Die Linkspartei will nun generell für Gleichstand im Klassenzimmer sorgen. Wenn ein Jugendoffizier kommt, dann sollten "immer auch Vertreter wehrdienstkritischer Verbände von Zivildiensteinrichtungen, von Friedensinitiativen und so weiter eingeladen werden müssen", erklärte der Linken-Parlamentarier Steffen Zillich vor wenigen Tagen im Abgeordnetenhaus.

Die SPD lehnt eine rechtlich verbindliche Vorgabe ab. "Kritische Fragen kommen doch sowieso von den Schülerinnen und Schülern", sagte die Abgeordnete Renate Harant. Zudem sei die Bundeswehr "durch das Grundgesetz ein eingerichtetes Staatsorgan der Bundesrepublik". Der Soldatenberuf sei eine "absolut legitime Form der Berufsausübung - unsere Soldaten tun nichts Böses". Harant verwies auch auf das Alter der Schüler: "Das sind doch keine Kinder, das sind Jugendliche, zum Teil Erwachsene!" Die Schulen sollten selbst entscheiden, ob sie neben einem Jugendoffizier auch einen Antimilitaristen einladen wollen. Die SPD setze da "auf die demokratische Kultur einer eigenverantwortlichen Schule".

Die Grünen, die mit einem eigenen Antrag den Anlass für eine Debatte über das Thema im Abgeordnetenhaus geliefert hatten, unterstützen die Linkspartei. "Die Bundeswehr kann, selbst wenn sie will, gar kein ausgewogenes und vollständiges Bild zu Fragen der Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik vermitteln", sagte ihr Abgeordneter Özcan Mutlu. Da die Bundeswehr dort auch um künftige Soldaten werbe, sei der gleichberechtigte Zugang beider Seiten eine "zwingende Notwendigkeit".

CDU und FDP haben sich auf die Seite der SPD geschlagen. Der CDU-Abgeordnete Sascha Steuer verwies etwa darauf, dass die Bundeswehr auf das Rekrutieren von immer neuen Soldaten angewiesen ist: "Denn trotz hochtechnologisierter Waffensysteme werden am Ende immer Menschen diese Waffen bedienen müssen - Menschen, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren, Menschen, die dafür hoffentlich gut ausgebildet und motiviert sind." Deshalb sei es "gut und richtig, dass dieser besondere Dienst für die Bundesrepublik auch an den Schulen informieren und werben darf".

Die Linke hofft darauf, die SPD doch noch umzustimmen. Bei der weiteren Beratung will sie "nach einer Lösung suchen, die geeignet ist, die Neutralität der Schule zu sichern, und die in diesem Haus eine Mehrheit erhalten kann", sagte der Linken-Abgeordnete Zillich. Der Antrag soll zunächst im Ausschuss für Bildung besprochen werden.

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20 Kommentare

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  • W
    Windmühlen

    Ich habe an meiner Schule nicht eine einzige Bundeswehr-Veranstaltung erlebt, hatte dafür aber allein in der Oberstufe gleich drei Alt-68-Lehrer, die im Unterricht - mal offen mal in verklausulierter Form - Propaganda für ihr verqueres Welt- und Geschichtsbild gemacht haben. Bei einer Lehrerin hatte die politische Gesinnung ihrer Schüler auch unverkennbar Einfluss auf die Notengebung. Da wären mir ein paar Bundeswehr-Flyer lieber gewesen. (Hab übrigens Zivildienst gemacht.)

  • K
    Kritiker

    @berlinmarcus... bitte überprüfen Sie ihr Demokratieverständnis

     

    Bundeswehr=demokratische Institution?!

    Also läuft dort alles über die Mehrheit, die Befehlsgewalt geht nicht mehr von oben nach unten?

    Bevor Angegriffen wird, gibt es eine Urabstimmung?

    Mal im Ernst, die Bundeswehr mit der autoritären Befehls- und Organisationsstruktur ist wohl mit die letzte Institution in Schland, die auf demokratischen Prinzipien aufgebaut ist.

     

    Im Übrigen ist selbst der Zivildienst nicht unbedingt demokratisch, da irgendjemand über mir saß und gesagt hat, was ich zu tun und zu lassen habe.

  • V
    vic

    Na euer Bundespräsident hat doch klar dargelegt weshalb "wir" die Truppe benötigen, weshalb "wir" im Ausland agieren müssen.

    It´s the economy, stupid.

    Ressourcensicherung, sichere Transportwege und dauerhaften Erhalt derselben.

    Damit "wir" auch künftig international kräftig zubeißen können.

  • D
    Drückeberger

    Mensch Uwe, wann hast du denn das letzte mal auf ne Europa – Karte geguckt?

    Vor wem hast du denn Angst? Welcher Erstfall schwebt dir vor?

    Werden die Polen die BRD überfallen? oder kommen doch die Franzosen?

    Werden die fiesen Schweizer, Holländer und Skandinavier uns in die Zange nehmen?

     

    Eins ist aber klar, bevor man als „Kugelfang“ Ungelernten einsetzt, sollten sich erst mal die, die das Handwerk kennen, nützlich machen.

    Es kann ja nicht angehen, dass die Bundesrepublik Milliarden in Eure Ausbildung investiert hat und wenn es dann Ernst wird, wollt Ihr Euch drücken.

    Dis hätt’ste dir aber frührer überlegen müssen.

    „Schuster bleib bei deinen Leisten“ - du fällst an der Front und ich im Altenheim. ^^

  • F
    flopserver

    Schüler gehen in erster Linie zur Schule um ihr Gehirn gebrauchen zu lernen und nicht, um an ein Zitat von dem damals sich selbst als 'miltitanten Antimilitaristen' bezeichenden Albert Einstein zu erinnern, um sich danach auf den Gebrauch des Inhalts des Rückenmarkswirbelkanals zu beschränken.

  • I
    imation

    Na Peter,

    da bist du aber ziemlich blind durch deine Schule gelaufen:

    Handgranatenweitwurf im Sportunterricht, vormilitärische Ausbildung, Wehrlager in der 9. Klasse und in der Lehre + Uni, Werbung für Zeitsoldaten, rechnen/schreiben/lesen lernen mit Panzern/Soldaten in den Büchern etc etc pp.

     

    Ziemlich albern wenn jetzt ausgerechnet "Die Linke" ex-"PDS" ex-"SED" "antimilitaristisch" Auftritt.

  • P
    Peter

    Tja, was wurde und wird nicht immer auf der angeblichen und tatsächlichen "Militarisierung" der Schulen in der DDR herumgehackt (in meinen eigenen zwölf Schuljahren kann ich mich an keinen einzigen Uniformierten an der Schule erinnern).

    Aber wenn die Bundeswehr an die Schule kommt, dann ist das in Ordnung, denn deren Soldaten "tun ja nichts Böses". Stimmt, die wollen mit ihren Gewehren und Panzern und Raketen nur spielen...

  • P
    Peacemaker

    Ich hab dieses Jahr erst Abi gemacht und an unserer Schule in Leipzig war dieses Jahr auch die Bundeswehr.

     

    Und wir konnten uns dann so informieren, was die so machen. Die Info-Blätter waren jedem zugänglich, also auch den 5. Klassen. Die Informationsveranstaltungen der Bundeswehr konnten alle ab der 9. Klasse (ca.14 Jahre alte Schüler) besuchen. Ich finde, da ist man viel zu jung um das richtig einschätzen zu können, was die einem anbieten.

     

    Das grenzt schon fast an Gehirnwäsche, weil die Bundeswehr ne ziemlich einseitige, militärische Ansicht da von sich gibt. Von daher würde ich den Vorschlag der Linken und Grünen sehr begrüßen =) Peace! =)

  • G
    guapito

    "SPD, CDU und FDP verweisen auf die hohe Bedeutung des Militärs"

    Klar ist das Militär bedeutsam:

    zur Sicherung des Status Quo und zur weiteren Ausbeutung der weniger entwickelten Welt braucht man Waffen, da sich die Auszubeutenden das alles ohne Waffengewalt nicht gefallen lassen.

  • F
    forthelulz

    Bei uns war auch mal so ein Bundeswehroffizier an der Schule, es wurde eine reguläre Schulstunde gestrichen in der er mit martialischen Filmchen mit Panzern und Hubschraubern die Bundeswehr präsentiert hat und man danach Fragen stellen und diskutieren konnte, das habe ich auch, zum Ärger des Offiziers, ausgenutzt und über die besten Ausmusterungstipps diskutiert, der Typ ging fast durch die Decke konnte aber gegen meine Dreistigkeit nichts machen, da auch kein Lehrer im Raum war.

  • S
    Stefan

    Also irgendetwas läuft doch da gehörig falsch! Da werden immer wieder Projektwochen durchgeführt, wo Schüler sich damit beschäftigen, wie die Menschen unter Krieg und Militär leiden. Das kann das Thema Zweiter Weltkrieg sein, das können auch aktuelle Kriege sein. Immer wieder wird der Frieden als das höchste Gut propagiert - was vollkommen nachvollziehbar und absolut richtig ist! Doch gleichzeitig wird den Schülern dann zugemutet, dass Soldaten die Bundeswehr bewerben? Hallo, geht es noch? Was kommt als nächstes? Lernen die Schüler im Sportunterricht dann wieder so dolle Sachen wie Marschieren oder Werfen und Wegrennen? Haben die Verantwortlichen schon einmal daran gedacht, dass Schüler gerade in dieser Phase des Lebens lenkbar und beeinflussbar sind? Ja, die bösen Medien versauen unsere Jugend und die bösen Gangster-Rapper setzen ihnen Flausen in den Kopf. Aber wenn die Bundeswehr in die Schulen einrückt, dann ist man frohen Mutes, dass die Kinder kühlen Kopf bewahren und kritisch bleiben? Hmm... Manchmal verstehe ich diese Eltern, die ihre Kinder nicht auf eine staatliche Schule schicken wollen.

  • U
    uwe

    Die Hetze gegen den Bund ist purer Populismus, die Grundausbildung hat mir sehr gut getan.

     

    Und wer soll unser Land im Ernstfall verteidigen wenn wir keine Soldaten haben?

     

    Wenn es dazu kommt fordere ich die Grünen und LINKEN Politiker an die forderste Fron als Kugelfang.

     

    Die SPD hat recht wenn sie auf die hohe Bedeutung verweist.

  • C
    claudia

    >>Wehrerziehung an Schulen>...Vertreter wehrdienstkritischer Verbände...

  • W
    WhiskeyBernd

    Finde diese Bewerbung in Schulen auch ne riesen Frechheit, das war bei uns damals auch mehrmals so. In welch plumper Weise einen dort die Bundeswehr schmackhaft gemacht wurde, und das tatsächlich wirkte, erschrak mich so ziemlich. Die Risiken, die man als Soldat hat, und auch, das es passiert, das man töten muss, wurde verschwiegen. Es wurde nur was vom beschützen der demokratischen Werte von Deutschland erzähl etc

  • DS
    Dr. Schreck

    Auch, wenn ich mir damals, als so ein Werbemensch der Bundeswehr bei uns in der Klasse aufgetaucht ist, demonstrativ die langen Haare über die Augen gewuschelt und den Walkman besonders laut aufgedreht habe und das heute, fast zwanzig Jahre später, noch genauso machen würde: Die SPD hat teilweise recht. Denn es sollte den demokratischen Strukturen der Schulen überlassen bleiben, ob sie diese Werbeveranstaltung wollen oder nicht. Eine Demo von Eltern und Schülern, kritisches, unbequemes Hinterfragen der Schüler während der Veranstaltung, oder auch eine plumpe Trotzhaltung wie meine dereinst sind meiner Ansicht nach wesentlich aufrichtiger und ein wirksameres Zeichen gegen die sog. "hohe Bedeutung des Militärs" als ein gedankenlos übernommenes Gesetz.

    Den Schülern sollte lieber die Fähigkeit vermittelt werden, eine solche Veranstaltung einer solchen Institution mit Fragen und Zweifeln tüchtig auseinanderzunehmen.

     

    Im festen Glauben an das kritische Potential im Schüler, Dr. E. Schreck

  • V
    vantast

    Sie müßten erst mal die Frage klären, wofür die Soldaten kämpfen sollen. Landesverteidigung wäre ja in Ordnung, aber nicht die "Verteidigung unserer Interessen", da versteht jeder etwas anderes drunter. Für Öl, Kupfer, Kakao zu kämpfen würde nur den Konzernen helfen. Im 1. Weltkrieg forderte ein Wirtschaftsführer, die Kriegsziele auf die Saar auszuweiten, weil er die Erze brauche.

    Halliburten hat sicher ähnliche Gedanken und Lobbyisten, an Rohstoffe zu kommen.

    Der Kampf um die Bodenschätze wird schon lange, gerade in Afrika, von dem Wunsch zur Erhaltung unseres Lebensstandards mit den Leben so vieler Kämpfer und Zivilisten geführt.

    Wollen wir Menschen opfern, um bequem leben zu können?

  • C
    Caligula

    Seitdem die Politik Soldaten in Auslandeinsätzen verheizt, sehe ich die Anwerberei in Schulen auch skeptisch.

     

    Früher, als man sich noch nicht in aller Welt tummelte, dienten diese Veranstaltungen überwiegend zur Information über den anstehenden Wehrdienst oder den Schulversagern wurde hier eine kommende Berufsperspektive angeboten.

  • B
    Bleedranner

    Ausgerechnet Die Linke, die ein Problem damit hat (zumindest Teile davon), sich von ihrer DDR Vergangenheit zu distanzieren. Dort hatte sie den obligatorischen Wehrunterricht eingeführt, wer sich verweigerte, war "nicht für den Frieden".

     

    Oder ist das jetzt ein Versuch der Vergangenheitsbewältigung?

  • L
    Leser

    Als ich in den Neunzigern mein Abitur in Kreuzberg gemacht habe, war die Atmosphäre so "antimilitaristisch" und "pazifistisch", dass erst der Jugendoffizier für Ausgewogenheit gesorgt hat. An Berliner Schulen ist es doch wahrlich nicht nötig, einen Kontrahenten der Bundeswehr einzuladen.

  • B
    BerlinMarcus

    Wieder zeigt die Linke ihr wahres Gesicht = keine Demokraten! Die Bundeswehr ist eine demokratische Institution in Deutschland...! Werbung ist völlig okay..! Oder wollen jetzt die Linken immer die "Gegenseite" einladen.... ? Wenn Firmen sich vorstellen um Ausbildungsstellen vorstellen, sollen Leute von der Partei der Arbeitslosen oder Leute ohne Ausbildung kommen?!?!? Die jungen Leute müssen sich ja von beiden Seiten ein Bild machen!

     

    Das Image als Friedenspartei halte ich sowie für geheuchelt...! Es gibt keine etablierte Friedensbewegung bei den Linken.. einfach nur: DAGEGEN sein!