Wechsel in der EU-Kommission: Drei Umweltfreunde müssen gehen
Die Kommissare für Landwirtschaft, Umwelt und Klima treten ab. Bei Umweltaktivisten waren sie wohlgelitten. Wird jetzt alles schlimmer?
BERLIN taz | Die drei wichtigsten EU-Kommissare für Umweltfragen verlieren ihr Amt – zum Entsetzen von Aktivisten: Sowohl der für Landwirtschaft zuständige Dacian Ciolos als auch Connie Hedegaard (Klima) und Janez Potocnik (Umwelt) werden der neuen Kommission nicht angehören. Sie fehlen auf der Liste der Personalvorschläge, die vom künftigen Chef der Brüsseler Behörde, Jean-Claude Juncker, zusammengestellt und von den EU-Staaten abgesegnet wurde.
„Wir hatten für die Umweltseite drei Kommissare, die gut waren, in unserem Sinne. Was kommt, wissen wir nicht“, sagt Lutz Ribbe, naturschutzpolitischer Direktor der Stiftung Euronatur, einer der in Brüssel einflussreichsten und am besten vernetzten deutschen Umweltschützer.
Besonders überraschend ist Ciolos’ Abgang. Denn Rumänien, das wie alle EU-Länder einen Vertreter in die Kommission entsendet, hatte den Politiker wieder nominiert. Bei vielen Umweltschützern ist er wegen seiner Bemühungen für eine Ökoreform der Agrarsubventionen wohlgelittenen. Im letzten Moment zog Bukarest aber die Entscheidung zurück und sprach sich für die weitgehend unbekannte EU-Parlamentarierin Corina Cretu aus.
„Juncker brauchte unbedingt 9 Frauen in der Kommission“, heißt es in EU-Kreisen zur Begründung. Denn Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte Widerstand seines Hauses gegen eine Kommission angekündigt, der weniger Frauen als derzeit angehören. „Juncker ist dann rummarschiert durch die Mitgliedstaaten und hat gesagt: Habt ihr nicht eine Frau für mich?“, berichtet Ribbe. Aber „natürlich nicht nach Deutschland oder Großbritannien, sondern in die Staaten, die relativ schwach sind.“
Für Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Parlament, war aber nicht die Frauenquote entscheidend, sondern die Sorge der Rumänen, Ciolos könnte im Agrarausschuss durchfallen. Nur fragt sich, warum ihnen das nicht früher einfiel: Schließlich hatten bereits im Juli einflussreiche Konservative Ciolos’ Kandidatur offen abgelehnt.
Unbeschriebenes Blatt
Am Mittwoch will Juncker bekanntgeben, welcher Kommissar ab November welches Ressort übernimmt. Für das Agrardossier wird vor allem Phil Hogan genannt, der bis Juli Umweltminister in Irland war. Agrarpolitisch ist der Konservative ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Doch feststeht: Die irische Landwirtschaft ist sehr export- und weniger umweltorientiert. „Und während der irischen Ratspräsidentschaft wurde Ciolos’ Agrarreform entscheidend verwässert“, erinnert Ribbe.
Ihn beunruhigt auch, dass unter Junckers sechs besonders mächtigen Vizepräsidenten bislang offenbar niemand ist, der sich um Umweltbelange kümmern soll. Da werde kein Kontrapunkt zu dem neuen Präsidenten des Europäischen Rats gesetzt: zu Donald Tusk, der sich als polnischer Ministerpräsident „auf EU-Ebene bisher als massiver Blocker in Energie- und Klima-, ja insgesamt bei Umweltfragen ausgezeichnet hat“. Ribbes Fazit: „Ich glaube, wir kommen in ganz, ganz schwierige Zeiten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wohnungslosigkeit im Winter
Krankenhaus schiebt Obdachlosen in die Kälte