Wechsel bei der Nord-SPD: Sie lacht noch mehr als Ralf Stegner
Die deutsch-türkische SPD-Politikerin Serpil Midyatli will in Schleswig-Holstein den bisherigen SPD-Landeschef Ralf Stegner beerben. Wer ist die Frau?
Midyatli gilt als Paradebeispiel für gelungene Integration. Im Jahr 2000 trat sie in die SPD ein, seit 2009 ist sie Landtagsabgeordnete, seit 2012 stellvertretende Fraktionschefin. Daneben ist sie seit dem Jahr 2015 Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Heimatbundes. Temperament, Natürlichkeit, Humor und politische Leidenschaft werden der ersten türkischstämmigen Abgeordneten in der Geschichte Schleswig-Holsteins nachgesagt.
Neben ihren Rollen als Mutter und Politikerin hat sich die Muslimin auch als Unternehmerin verwirklicht. Von 1994 bis 2003 leitete Midyatli in Kiel ein Restaurant. 2004 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann einen Kultur- und Veranstaltungsservice. Midyatli kam 1975 als Kind türkischer Einwanderer in Kiel zur Welt. „Wir zogen von einem Brennpunkt in den nächsten“, sagte sie einmal der Welt.
Zwar habe sie einen muslimischen Hintergrund, „ich wurde aber nicht streng erzogen, musste nie ein Kopftuch tragen.“ Midyatli wohnt seit 2013 mit ihrem Mann Atilla und den beiden Söhnen in Gettorf. Zur Schule ging sie in Kiel. Ihre Selbstbeschreibung: „Frauen können mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft halten.“
Neue Dynamik in der Partei
Als Politikerin konzentriert sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende auf die Themen Migration, Integration und Familie. Zuletzt fragte sie: „Warum gelingt es uns nicht, Menschen mit ausländischen Wurzeln zu integrieren, obwohl sie schon sehr lange hier leben?“ Midyatli ist Fraktionssprecherin für Familienpolitik, Gleichstellung, Integration und Kinderbetreuung. Dem SPD-Landesvorstand gehört sie bereits seit zehn Jahren an. Seit Dezember 2017 ist sie außerdem Beisitzerin im Bundesvorstand der SPD.
Ihre Kandidatur begründet die Frau mit einer neuen Dynamik in der Partei, die sich nach den letzten Wahlen entwickelt habe: „Aktuell läuft ein äußert erfolgreicher Reformprozess, den wir im letzten November begonnen haben. Diesen Prozess möchte ich als SPD-Landesvorsitzende weiter vorantreiben.“ Die notwendigen Veränderungen würden aber nur als glaubwürdig wahrgenommen, wenn sich die Nord-SPD auch personell selbst neu aufstelle.
Mit 13 Jahren hatte Midyatli ein Schlüsselerlebnis für ihr Heimatempfinden. Als die Familie 1988 nach einem Besuch aus der Türkei zurückkehrte, erzählte sie jetzt der dpa, hopsten alle wie verrückt im Auto – als sie endlich in Schleswig-Holstein waren, „unserem Zuhause“. Sie schätze das Land und die Leute, „weil die Menschen hier bodenständig, ehrlich und aufrichtig sind“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland