Webportal für Lehrer: Eine kleine Chance für Referendare
Da bekommt der Lehrer trockene Augen: Das Webportal „meinunterricht.de“ bietet unzählige Arbeitsblätter, aber die Filter funktionieren nicht gut.
BERLIN taz | „Meinunterricht.de“ – hört sich erst Mal an wie ein Produkt genau für mich. Ich freue mich. Der Inhalt weiß, was ich will und brauche. Perfekt! Aber ich habe Angst. Ich bin ja Lehrerin durch und durch. Ich habe schon den Zwangscomputerkurs an der Schule absolvieren müssen, obwohl ich noch als jüngeres Mitglied im Kollegium gelte. Ich soll mir das neue Portal also jetzt anschauen – mit Tastatur und ohne Tablet. Und meine Angst bleibt.
Bei meinunterricht.de finden sich Tausende Dokumente. Zentrales Ordnungssystem sind so genannten Schreibtische, Icons auf grünem Grund für Arbeitsblätter in Mathe, Deutsch, Geschichte und so weiter. Ich aber kann auf meinem Schreibtisch die einzelnen Arbeitsblätter nicht hin und herwischen, was ich von der Dynamik her ganz schön gefunden hätte. Denn der ganze Wust an Arbeitsblättern, das lähmt mich.
Ich hatte ein intelligentes Produkt erwartet. Aber wenn ich mir ein Thema aussuche, werden mir Arbeitsblätter angeboten. Das können bis zu 38 Arbeitsblätter sein, obwohl ich vorher schon einen Aspekt definiert habe, nach dem gefiltert werden soll.
Der Filter begrenzt die Anzahl der Arbeitsblätter nach den Wünschen, die man an seinen Unterricht zu einem bestimmte Thema hat z.B. Länge der Unterrichtsstunde, Sozialform, Ausflug, experimentelle Arbeit, Freiarbeit und so weiter. Hört sich wahnsinnig praktisch an, funktioniert aber noch nicht einwandfrei.
Am Mittwoch wird „meinunterricht.de“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist die erste Plattform, die für Lehrer im großen Stil Lehr-Lern-Materialien online zur Verfügung stellt. Derzeit kostet das Monatsabo 9,90 Euro, alle Arbeitsblätter etc. sind mit dem Kauf lizenziert. Die taz-Bildung hat zwei LehrerInnen die Plattform testen lassen. Eine engagierte Lehrerin einer Grundschule, die bislang ihren Unterricht nicht aus dem Netz vorbereitet hat. Und ein Lehrer eines Gymnasiums, der bereits mit den neuesten digitalen Geräten und Plattformen arbeitet.
Das bedeutet, man bekommt viele Arbeitsblätter angeboten, die nicht dem Filter entsprechen. Blöd. Und dabei scheinen die wirklich interessant klingenden „experimentellen“ Unterrichtsformate noch zu rar vertreten. Die heißen bei uns übrigens „retreats“.
Unterricht wie Yoga
Retreat, das ist die neue Art des Unterrichtens. Nicht die Schüler bekommen einen langweiligen Unterricht, sondern auch die Lehrer genießen ein retreat (von to retreat, nachgeben). Ich unterrichte nicht, sondern arbeite jetzt so – quasi wie Yoga. Aber das mit den Arbeitsblättern für den neuen, total entspannten Retreat-unterricht, das kann ja noch werden. Hoffe ich. Ich bin ja Lehrerin.
ist Lehrerin für Mathematik und Deutsch an einer Grundschule. Sie hat mit ihren Lernprojekten mehrere Preise gewonnen, will aber dennoch lieber anonym bleiben. Der Name wurde von der Redaktion geändert.
Obwohl es jetzt schon so viel in dem Pool an Arbeitsblättern gibt (scroll rauf, runter, rauf, inne halte, rauf), sind es scheinbar insgesamt noch nicht genug Arbeitsblätter zu allen Themen in allen Ausführungen und möglichen Bedürfnissen der heterogenen Truppe, die man beim individuellen Lernen befeuern möchte.
Aber das, was angezeigt wird, überfordert mich ganz persönlich bereits. Schon meine Ärztin stellte fest, dass mein Augen trocken sind – ich finde das anstrengend so zu arbeiten: Arbeitsblätter durchschauen, auf den Schreibtisch hoch laden, Texte ausschneiden, aus anderen Arbeitsblättern dazu kopieren, die ganze Version auf seine Schüler zurechtschneidern.
Ich denke, für Referendare oder Lehrer, die gerade einsteigen, bietet meinunterricht.de die tolle Möglichkeit, einen großen und schnellen Überblick über die Facetten eines Themas zu erhalten. Immerhin ist es ja so, dass die neuen Lehrer auf Angebote von vielerlei renommierten Verlagen und Werken zugreifen können, zu denen sie vorher nicht unbedingt Zugang gehabt hätten.
Gigantischer Fundus
Man stelle sich nur mal den – jetzt realen – eigenen Schreibtisch zuhause vor: Wer würde sich schon 38 Lehrbücher darauf packen, um daraus jeweils ein oder zwei Seiten herauszupicken? Nein, der Fundus auf der neuen Plattform ist groß, genauer gigantisch.
Dennoch erinnert mich das Suchprinzip an das Federlesen der Blätter morgens im Kopierraum. Später breitete sich das scheinbar unerschöpfliche Füllhorn an Kopierpapier in Wogen über die noch trockenen Klassenzimmer aus und bricht sich in den einzelnen Ablagen zum Thema „Freiarbeit“.
Ich dachte, meinunterricht.de bietet dem Lehrer zu einem Thema verschiedene Möglichkeiten, Methoden, Spiele, Wissen, Verknüpfungen an, die einen vielfältigen, multisensorischen, eigenständigen Zugang zum gewählten Thema ermöglichen. Gleichfalls werden Moderationsformen aufgezeigt, die zum Thema passen und die Potenziale der Kinder aufgreifen oder sogar anstacheln.
Ich dachte, die Ergebnisse der Schüler werden ausgewertet, um dann den Schülern genau zugeschnittene Arbeitsaufträge dar zu reichen, die auf Ihrem Wissen, auf den Fähigkeiten der Gruppe, auf dem Gelernten aufbauen und sie näher zur Sonne bringen. So dass am Ende eine Lernumgebung entsteht, in der jeder seinen Platz findet. Aber dieses Angebot würde dann vielleicht „unserepotenzialentfaltung.eu“ heißen. Aber wie gesagt, das schreibt eine, die Angst hat. Und gute Augentropfen.
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