Weblog Die Achse des Guten: Scharf rechts abgebogen
Henryk M. Broder regt sich über Migranten, Merkel und die Medien auf. Und bekommt damit immer mehr Applaus von rechts.
Es gibt wahrscheinlich schmeichelhaftere Komplimente, als mit Udo Ulfkotte verglichen zu werden. Ulfkotte ist Verschwörungstheoretiker, schreibt für den rechtsesoterischen Kopp-Verlag und tritt bei Veranstaltungen ausländerfeindlicher Vereinigungen wie Pegida und der AfD auf. Nebenbei hat er die als mindestens rechtspopulistisch einzustufende Bewegung „Pax Europa“ gegründet und gilt als Verbinder zwischen der Neuen Rechten und Kopp.
Für Madelaine Chaproll sind er und Henryk M. Broder so etwas wie die letzten Helden des deutschen Volkes. „Macht endlich etwas für die Zukunft dieser Nation. Ihr könnt nicht nur von einigen mutige Menschen wie der liebe Broder oder Ulfkotte auf Dauer erwarten, ihr Haut ständig für ein passives Volk, zu riskieren“ (Fehler im Original), kommentiert sie einen Beitrag von Henryk M. Broder auf der Achse des Guten (achgut.com).
Chaproll ist Autorin belangloser Unterhaltungsliteratur. Doch sie schreibt auch für das rechtsradikale Compact Magazin des Verschwörungstheoretikers und „Querfront“-Strategen Jürgen Elsässer und die Seite des Kopp-Verlags, wo mehr oder weniger unterschwelliger Antisemitismus zum guten Ton gehört.
Dass sich in Foren und Kommentarspalten immer häufiger rechte Hetzer und Verschwörer herumtreiben, erleben viele Blogger und große Medien schon seit Langem. Man könnte nun sagen: Die LeserInnenschaft der eigenen Seite können deren Betreiber nur bedingt beeinflussen. Nur: Dass Broder mit seiner Achse des Guten vermehrt Beifall von rechts bekommt, ist kein Zufall.
Die Zugriffszahlen steigen
Broder hat den politischen Blog Achse des Guten 2004 zusammen mit den beiden Journalisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch gegründet. In den ersten Jahren schrieben Kritiker dem Blog eine liberale bis neokonservative Haltung zu. Aber um 2010 herum mehrten sich Kritiker von der Zeit bis hin zur FAZ und auch aus der Wissenschaft. Die Sprachwissenschaftlerin Sabine Schiffer stufte die Seite als antiislamisch ein.
Selbst einer der Mitgründer, Michael Miersch, wurde zum Kritiker und schied aus Protest Anfang 2015 aus. Da war von Flüchtlingen und der seither verschärften Rhetorik noch keine Rede. „Besonders stört mich dabei der hohe apokalyptische Ton, den ich an Öko-Predigern immer kritisierte, der sich inzwischen jedoch auf der Achse ausgebreitet hat. (…) Gelassenheit und Distanz – zwei wichtige journalistische Tugenden – sind verloren gegangen“, schrieb er in seinem Abschiedseintrag.
Der Ton blieb und die Zugriffszahlen steigen. Laut dem Internetdienst SimilarWeb, der Webseitenzugriffe auswertet, hatte achgut.com im Juli 2016 knapp zwei Millionen Besucher, doppelt so viele wie im Februar.
Grenzwertige Formulierungen
Der Juli war ein guter Monat für Broder. Er polemisierte Ende Juli gegen Journalistinnen und Journalisten, die seiner Meinung nach nicht brutal genug über den Münchner Amokläufer geurteilt hatten: „Man hat wirklich selten Gelegenheit, solche Gefühlskälte, Mitleidlosigkeit und Brutalität im Gewande der Sachlichkeit am lebenden Objekt studieren zu können. Das durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat unsere Besten hart gemacht.“
Der letzte Satz ist eine Anspielung auf Heinrich Himmlers berüchtigte Posener Rede. Medienjournalist Stefan Niggemeier urteilt auf der Seite uebermedien.de: „Er spielt damit, die von ihm verachteten Publizisten in die Nähe von SS-Offizieren zu rücken und ihre behauptete Gefühllosigkeit und Brutalität mit der zu vergleichen, mit der die SS den Massenmord an den Juden beging.“ Mit solchen Vergleichen wartet im deutschen Sprachraum sonst nur die FPÖ auf. Deren Chef Heinz Christian Strache verunglimpfte etwa Antifaschistinnen und Antifaschisten als „rote Nazis“.
Das Austeilen gegen Kritiker mit grenzwertigen Formulierungen ist nicht die einzige Gemeinsamkeit mit Rechtspopulisten. Man teilt auch sonst einige Feindbilder, etwa die „Tagesschau“. Für Broder ist sie eine Neuauflage der „Aktuellen Kamera“ der DDR. Liberale Medien? Naiv, bestenfalls. Als Beweis dient ihm jede von ihm geortete oder eingebildete Unregelmäßigkeit. Worunter Broder zunehmend alles zu verstehen scheint, was nicht rechtskonservativer oder neurechter Gesinnungsjournalismus ist. Das schrammt nur haarscharf am Narrativ der „Lügenpresse“ vorbei, das von Pegida, AfD und Co. eifrig verbreitet wird.
Der jüngste Ausfall in der Welt dürfte ihm Applaus des rechten Mobs sichern: „Für mich ist Aleppo schlimmer alsAuschwitz. Auschwitz ist Geschichte, bis ins letzte Detail dokumentiert.“ Auch wenn’s der Autor nicht so meint, ein „Schwamm drüber“ reinzulesen, fällt nicht schwer.
Weltverschwörer als Broder-Fans
Die als islamfeindlich und rechtsradikal eingestufte Seite PI News übernimmt regelmäßig Einträge Broders von achgut.com. Öffentlich distanziert sich Broder. Die Frage bleibt, ob Broder etwas dagegen unternimmt, dass seine Beiträge regelmäßig von PI News zustimmend zitiert werden. Und ob ihm das überhaupt ein Anliegen ist.
Abgerundet wird die rechte Fangemeinde Broders mit der sektoiden Weltverschwörer-Bewegung OPPT. OPPT propagiert, dass alle Staaten der Welt zwangsabgewickelt wären, die Anhänger treiben sich auf Querfront-Veranstaltungen herum, antisemitische Äußerungen sind nicht gerade selten. Es gibt personelle Überlappungen mit der „Freeman“-Bewegung, die ihrerseits Verbindungen ins rechtsextremistische Lager hat.
Broder scheint sich keine Gedanken machen zu wollen über seine neuen Fans. Und noch weniger darüber, ob er selber dazu beigetragen hat. Von der taz um eine Reaktion gebeten, antwortet er lapidar: „Leider kann ich Ihnen nicht helfen. Bitte versuchen Sie Ihr Glück woanders.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag