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WebdesignKlicken mit Gefühl

Online-Berater helfen Unternehmen dabei, die Surfer besser zu verstehen. Und möglichst viele von ihnen zu Käufern zu machen.

Schlechtes Webdesign: Wer die "Traumland Matratzen" betrachtet, bekommt das Gruseln. Bild: Screenshot

Von draußen prasselt der Regen an die Fensterscheibe. Es ist zwölf Grad kalt. Ein Blick auf die Wettervorhersage einer Internetseite zeigt, dass es in den nächsten Tagen so bleiben soll. Auf der Webseite erscheint eine Anzeige des Reisevermittlers HolidayCheck.com: "Schluss mit schlechtem Wetter!"

Es ist kein Zufall, dass das Motiv der Anzeige so gut zum Wetter passt. Die Webseite analysiert die IP-Adresse, die jedem Surfer bei der Einwahl ins Internet zugeteilt wird - und kann damit ziemlich genau auf den Ort schließen, von dem aus der Nutzer sich ins Netz gewählt hat. In einem zweiten Schritt holt die Seite aktuelle Wetterdaten über den Ort ein. Innerhalb von Sekundenbruchteilen steht fest, welches Anzeigenmotiv angezeigt wird. Wer gleichzeitig in einer Stadt mit gutem Wetter auf die Seite surft, sieht eine Anzeige mit Sonnenschein, die für "die heißesten Urlaubsangebote" wirbt.

Es sind ausgefeilte Methoden, mit denen die Unternehmen inzwischen um die Gunst der Kunden werben. Zwei Drittel aller Haushalte in Deutschland verfügen heutzutage über einen schnellen Breitbandanschluss. Der Onlinekauf wird einfacher und selbstverständlicher. "E-Commerce ist eine immer wichtigere Vertriebsplattform für alle Unternehmen", sagt Analyst Jan Christian Göhmann von der Nord/LB. 816 Milliarden Euro gaben die Menschen in Deutschland nach einer Schätzung von TNS Infratest im vergangenen Jahr bereits online aus.

Linktipps zum Weiterlesen

Der Firmenblog: Auf www.konversionskraft.de zeigen Mitarbeiter der Web Arts AG an vielen Beispielen, wie die Gestaltung einer Webseite das Kaufverhalten beeinflusst.

Der Doktor: Bei der Arbeit bei einer Webagentur nennt Gabriel Beck sich "Head of Conversion Optimization", in seinem Blog ist er der Conversion Doktor.

Die Notaufnahme: Auf www.conversionclinic.com werden Webseiten in einem Video gezeigt und ausführlich durchbesprochen.

Parallel dazu ist eine ganz neue Branche entstanden, die Onlineshops so gestaltet, dass möglichst viele Surfer zu Käufern werden. "Conversion Rate Optimization" nennt sich das: Möglichst viele Besucher einer Webseite sollen zu Käufern werden. "Wer im Netz erfolgreich sein will, dem muss es gelingen, durch einfache und sichere Such-, Bestell- und Zahlungssysteme sowie positive Kundenbewertungen Vertrauen zu gewinnen", sagt Oliver Schmitz vom Marktforschungsunternehmen GfK.

Königsdisziplin: Kunden berühren

Doch wer an die Geldbörsen der Surfer will, muss viel mehr bieten als nur eine Liste seiner Produkte und Preise. Die Königsdisziplin besteht darin, die Kunden zu berühren. Das ist auch das Ziel der wetterabhängigen Anzeigen. "Dank des Wetter-Targetings werden die Botschaften perfekt auf die momentane Situation abgestimmt", erklärt Axel Jockwer, Marketingdirektor bei HolidayCheck. Somit "können wir Urlaubsuchende gezielt emotional an die Marke HolidayCheck heranführen und den Kaufentscheidungsprozess spürbar beeinflussen."

Bild: taz

Die ganze Geschichte mit einer kompletten Seite Vulkanfotos und weitere interessante Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 2./3. Juli 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Die Profitoptimierer arbeiten direkt bei den Onlineshops, als Freiberufler oder in Internetagenturen - wie Susanne Seibold bei der Web Arts AG. Sie befasst sich vor allem mit der emotionalen Wahrnehmung. Die Surferversteherin rät den Unternehmen, wie die ihre Webseiten verändern sollten. Um an ein paar Beispielen zu zeigen, wie genau das funktioniert, hat Seibold die Seiten von Matratzenanbietern analysiert.

Ihr Urteil klingt oft hart. Der Onlineshop "Traumland Matratzen" etwa gefällt ihr gar nicht gut: "Die Seite sieht aus wie ein Couponflyer zum Selbstausdrucken. Für jede Größe ein und dasselbe Produktbild - spätestens jetzt bin ich weg."

Auch Ikea fällt bei Seibold durch. Zwar hat der Onlineshop eine "sehr übersichtliche und aufgeräumte Seite" in warmen Blau- und Gelbtönen. Doch man kann das Angebot nicht so filtern, dass nur Matratzen angezeigt werden. In den Produktlisten finden sich auch Matratzenschoner oder Federholzrahmen. Seibold beklagt, sie als Kundin solle "hier auf einmal kognitiven Mehraufwand leisten, indem ich mir die Produkte, die ich nicht haben will, einfach wegdenke?"

"Es kann noch mehr Kohle fließen"

Die Seiten von Matratzen Marquardt und des Versandriesen Otto kommen bei Seibold auch nicht gut weg. "Das Finetuning auf Basis echter oder möglicher Nutzerszenarien wird häufig vernachlässigt", bemerkt sie. Ein mögliches Szenario: Ein Kunde hat eine durchgelegene Matratze und will eine neue kaufen. Die Matratze muss in das vorhandene Bett passen, also 120 mal 200 Zentimeter groß sein. Jetzt möchte der Kunde mal schauen, welche Matratzen zu welchen Preisen es so gibt.

Bei den Seiten, die Seibold untersucht hat, muss man als Kunde nun Folgendes tun: Erst entscheiden, ob er Kaltschaum oder Federkernmatratze will, danach ein Modell auswählen, dann die Größe der Matratze einstellen. Ganz am Schluss sieht man erst den Preis. Das alles muss man für jede Matratze einzeln machen. Eine Übersicht mit den Preisen der verschiedenen Matratzen mit passender Größe gibt es nicht. Das sei zu wenig aus Sicht der Nutzer gedacht. Seibold ist "sicher, dass bei den ein oder anderen noch wesentlich mehr Kohle fließen kann, wenn man sich auf komplett neue Nutzerszenarien fokussiert und das Angebot konzeptionell dahingehend optimiert".

Die Kunden müssen etwas erleben, damit sie sich möglichst oft zum Käufer konvertieren lassen. Was genau, hängt vom Produkt ab: In einem Shop für Skibrillen gefällt Seibold, wie leicht man in einer Diashow die verschiedenen Modelle sehen kann. Der Betrachter "verfällt in Stöberlaune und macht so manchen Impulsivkauf", urteilt sie. Im Onlineshop eines Gitarrenhändlers können Kunden sich Soundbeispiele anhören. Seibold findet, es "macht Spaß, dabei zuzuhören, wie ein echter Profi die Gitarre der Wahl spielen kann". Wer hierhersurft, "verspürt die Lust, auch mal wieder in die Saiten zu hauen". Vorher klickt er nur noch kurz auf "Bestellung abschicken".

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2 Kommentare

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  • J
    jahu

    Das ist nun echt geschrieben wie 'ne (schlechte) redaktionell aufgemachte Anzeige. Hat die Web Arts AG keine besseren TexterInnen? Abgesehen davon: Was'n das für 'ne Mediaplanung, sowas in der taz haben zu wollen? Wer ein Online-Budget zu verwalten hat, nimmt Euch nicht als Entscheidungshilfe, ey.

  • A
    Anonymous

    Vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichte die taz eine umfassend recherchierte, investigative Reportage, in der die Bereitschaft von Redaktionen verschiedener, großer Zeitungen untersucht wurde, Schleichwerbung in Artikelform zu veröffentlichen - die taz selbst wurde bei der Recherche naheliegenderweise ausgespart. Schade eigentlich ...