Wasserversorgung in China: Beton gegen Dürre
Das Land baut einen riesigen Kanal. Auf bisher 1.400 Kilometern Länge soll er Wasser vom nassen Süden in den trockenen Norden leiten.
PEKING taz| Der Gedanke scheint logisch. Der gesamte Norden Chinas leidet die meiste Zeit im Jahr unter extremer Trockenheit. Weite Teile des Südens des Landes hingegen werden häufig wegen Regen überschwemmt. Daher hatte schon Staatsgründer Mao Zedong Anfang der 1950er Jahre den Einfall, einen gigantischen Kanal zu bauen, der das viele Wasser von Süd- nach Nordchina leitet. Mehr als ein halbes Jahrhundert später wird der Wunsch des vor 28 Jahren verstorbenen Revolutionärs erfüllt.
Vor wenigen Tagen hat die chinesische Führung einen über 1.400 Kilometer langen Kanal eröffnet. Staatspräsident Xi Jinping hatte bereits bei der Eröffnung eines Teilabschnitts kurz zuvor von einem „großen Ereignis zur Modernisierung des Landes“ gesprochen.
Als Teil des sogenannten Süd-Nord-Wassertransferprojekts, bei dem Wasser aus dem Jangtse-Fluss im Süden des Landes über mehrere Kanäle nach Nordchina gepumpt werden soll, handelt es sich bei dem nun eröffneten Abschnitt um die zentrale Route. Es verbindet das Wasserreservoir Danjiangkou in der Provinz Hubei mit der Hauptstadt Peking. In das Reservoir mündet der Han-Fluss, ein Nebenarm des Jangtse.
Neben der 25-Millionen-Stadt Peking soll der Kanal auch die Metropole Tianjin und zwei Provinzen mit jeweils 80 Millionen Einwohnern mit Wasser versorgen. Mehr als 200.000 Arbeiter werkelten über zehn Jahre lang an dem Bau, davon allein acht, um zwei 4.000 Meter lange Tunnel unter dem Flussbett des Gelben Flusses zu graben. Bislang haben die Arbeiten umgerechnet rund 50 Milliarden Euro verschlungen. Der Kanal ist damit eines der teuersten Bauprojekte der Menschheitsgeschichte.
Der alte Kaiserkanal
Allerdings gibt sich Peking damit nicht zufrieden. Neben der neuen zentralen Route soll es auch einen Ost- und einen Westkanal geben. Der Ostkanal entspricht im Wesentlichen dem Lauf des alten Kaiserkanals, der bereits seit dem 7. Jahrhundert auf einer Strecke von 1.150 Kilometern die Stadt Hangzhou mit Peking verbindet.
Mit dem Aufkommen der Eisenbahn und der bereits einsetzenden Trockenheit im Norden Chinas verlor der auch als „Große Kanal“ bezeichnete Wasserlauf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allerdings an Bedeutung. Nun wollen ihn die Planer mithilfe von insgesamt 23 gigantischen modernen Pumpstationen wieder für die Schifffahrt nutzbar machen.
Der Westkanal wiederum soll auf einer Länge von 450 Kilometer bereits am Oberlauf dem Jangtse Wasser abzweigen – und die besonders trockenen Wüstenprovinzen Gansu, Qinghai und sogar die Innere Mongolei versorgen. Der Abschnitt ist zwar im Vergleich zu den beiden anderen verhältnismäßig kurz, aber auch ein besonders großer Eingriff in die Umwelt. Er zapft die Oberläufe von sechs weiteren Flüssen an, darunter auch die Ströme, die in Südostasien den Mekong und in Indien den Brahmaputra mit Wasser versorgen. Die betroffenen Länder protestierten bereits energisch.
Für 400 Milliarden Euro
Bis 2050 sollen alle Kanäle des Süd-Nord-Wasserprojekts zusammengenommen jährlich rund 45 Milliarden Kubikmeter Wasser in den Norden transportieren und mehr als eine halbe Milliarde Menschen versorgen. Die Gesamtkosten werden auf etwa 400 Milliarden Euro geschätzt.
Doch nicht nur wegen des großen Aufwands und der Kosten ist das Süd-Nord-Wasserprojekt auch in China umstritten. Umweltschützer laufen Sturm, weil durch den enormen Wassertransfer ganze Landschaften zerstört und dauerhaft verändert werden. Allein für das Danjiangkou-Reservoir des mittleren Kanals mussten 345.000 Menschen umgesiedelt werden.
Die chinesische Umweltaktivistin Dai Qing warnte mehrfach vor weiteren „dramatischen Folgen“ für Menschen und Umwelt. Zudem hegt sie große Zweifel am Nutzen insgesamt. Das Wasser könnte auf dem Weg in den Norden so viele Schadstoffe aufnehmen, dass es am Ziel in Peking und Tianjin gar nicht mehr brauchbar ist.
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