Christusstatue über der Stadt Cochabamba

Foto: Wara Vargas Lara

Wasserversorgung in Bolivien:Kampf ohne Sieger

Cochabamba in Bolivien wurde durch erfolgreiche Proteste gegen die Wasserprivatisierung berühmt. 20 Jahre später fließt es noch immer nicht überall.

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5.10.2021, 15:58  Uhr

Ausgerechnet der Regen trieb Irma Medrano Ugarte in die Stadt mit dem chronischen Wasserproblem. In ihrem Dorf baute sie Kartoffeln, Bohnen, Mais, Zwiebeln, Karotten an. Schafe und Kühe grasten am Fluss. Ganze Lastwagenladungen Gemüse verkaufte ihre Familie damals in die Stadt, erzählt sie. Dann wurde der Regen immer weniger – und kam schließlich mit Gewalt. Ein Fluss aus Schlamm zerstörte alles. Was er nicht mitriss, verschüttete er. Deshalb zog Irma Medrano vor 25 Jahren nach Cochabamba.

Heute ist sie 58 Jahre alt. Ein Strohhut schützt sie gegen die stechende Sonne auf 2.500 Metern Höhe. Dass sie vom Land kommt, sieht man ihr an: Sie trägt bunte Röcke, lange schwarze Zöpfe und die typischen unverwüstlichen schwarzen Sandalen aus alten Autoreifen. Ein Bein ist etwas kürzer als das andere. Wenn sie lächelt, leuchten nicht nur die Augen in ihrem gebräunten Gesicht, sondern auch ein paar vergoldete Zähne. Ihre Muttersprache ist das indigene Quechua. Ihre kräftigen Hände und Arme zeugen von einem Leben von harter Arbeit. Sie hat viele Eimer Wasser geschleppt.

Der Name Cochabamba kommt aus dem Quechua und bedeutet „Ebene mit See“. Lange war das fruchtbare Tal die Kornkammer von Bolivien und versorgte vor allem die Bergbauregion Potosí mit Gemüse. Als die staatlichen Bergbaubetriebe schlossen, zogen Zehntausende aus den Minen nach Cochabamba.

Heute ist Cochabamba eine geteilte Stadt. Während der Trockenzeit sieht sie beim ersten Blick aus dem Flugzeug aus, als sei sie auf dem Mars gebaut, auf einer rotbraunen, staubigen Ebene zu Füßen einer Bergkette. Aus der Nähe erst zeigen sich die Farben. Der Norden ist deutlich grüner. Dort sind die meisten Haushalte an das Netz des städtischen Wasserversorgers Semapa angeschlossen. Im Süden, der Zona Sur, nicht. Mindestens 300.000 Menschen dort müssen schauen, wie sie zu Wasser kommen.

Frau mit Kittel sitzt neben Metallschalen voller Wasser

Hat in ihrem Leben viele Eimer Wasser geschleppt: Irma Medrano Ugarte Foto: Wara Vargas Lara

Wasser kommt, wenn der Tankwagen kommt

Irma Medrano lebt im Süden, im Viertel San Antonio de Buena Vista. Als sie vor 25 Jahren hierher zog, wohnten um sie herum etwa 50 Menschen, erinnert sie sich. Sie wollte wie früher Kartoffeln, Mais, Bohnen und Zwiebeln pflanzen. „Aber das ging nicht. Es war kein Wasser da und die Erde war sehr hart.“ Bis zur Pandemie hatte sie einen kleinen Laden in ihrem Haus. Jetzt verkauft sie warmes Essen und Süßigkeiten an einem Stand auf der Straße.

Ihr Haus hat sie nach und nach um einen kleinen Hof selbst gebaut. In dessen Mitte befindet sich der Wasserhahn. Jeden zweiten Tag kommt daraus morgens für ein paar Stunden Wasser. Wenn Irma Medrano morgens zum Markt geht, um einzukaufen, müssen ihre beiden Enkel – sie sind 13 und 9 Jahre alt und leben bei der Großmutter, weil ihre Mutter tot ist – den Hahn aufdrehen und alle Tonnen und Eimer füllen. Eimer stapeln sich im Zimmer zur Straße, das die Küche ist. Hühner und Hunde marschieren ein und aus. Wenn Irma Medrano die Wäsche im Hof geschrubbt hat, leitet eine Rinne es zur Tonne, aus der sie Wasser zum Spülen der Toilette am anderen Ende des Hofs schöpft. Die Tonne riecht faulig. Der Toiletteninhalt landet in der Sickergrube.

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Als Irma Medrano in die Zona Sur zog, gab es dort weder Wasser noch Strom. Das Wasser holte sie vom Fluss. Sie kippte Gips hinein, um es zu klären. Später fuhren Tankwagen täglich hupend durch die Viertel. „Wenn wir sie hörten, liefen wir ihnen nach und riefen aguadero, aguadero!“, erinnert sie sich: Mit Schläuchen füllten die Leute ihre Wassertonnen daheim.

Aber vor 14 Jahren bauten die Menschen aus dem Viertel oben auf dem Berg einen Wassertank – mit Unterstützung des Rotary Clubs und Geld aus den Niederlanden, erzählt ein Mitglied der Wasservereinigung des Viertels. Von dem Tank führen Leitungen zu den Häusern. Den Gemeinschaftstank füllen zwei Mal täglich Tankwagen. Etwa 500 Familien bekommen seitdem Wasser nach Hause, zumindest stundenweise.

Gefördert durch das European Journalism Centre (EJC) mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation folgt die taz ein Jahr lang dem Wasser. Fünf taz-Korrespondentinnen recherchieren in Lateinamerika, Westasien, Südasien und in Afrika entlang des Nils. Denn vor allem im Globalen Süden gibt es zu wenig oder kein sauberes Wasser. Besonders Frauen müssen jeden Liter über weite Strecken nach Hause tragen. Der Zugang zu Wasser wird mit der Klimakrise verschärft. Immer öfter wird Wasser privatisiert oder steht im Konflikt mit Großprojekten, die Fortschritt bringen sollen. Mehr unter taz.de/wasser

Wasser bedeutet in Bolivien Macht – und die mobilisiert. Im Jahr 2000 schrieb Cochabamba international Schlagzeilen wegen des sogenannten Wasserkrieges. Eine soziale Bewegung formierte sich gegen die Privatisierung des städtischen Wasser- und Abwasserbetriebs Semapa, worauf die Weltbank als Bedingung für einen Schuldenerlass für Bolivien gedrängt hatte. Der neue Betreiber war ein internationales Konsortium, das unter dubiosen Umständen die Ausschreibung gewonnen hatte. Es plante Preiserhöhungen zwischen 30 und 300 Prozent. Noch mehr Empörung verursachte eine Klausel im Vertrag, mit der auch die gemeinschaftlichen Wassersysteme faktisch an die Firma übergegangen wären – vor allem die Bewässerungssysteme im ländlichen Umland.

Ein gewisser Evo Morales, damals Anführer der mitdemonstrierenden Koka-Bauern aus der Nachbarprovinz Chapare, legte durch seine Mitwirkung beim Protest den Grundstein für seine politische Karriere. Als er 2005 Präsident Boliviens wurde, erkannte er offiziell das Recht auf Wasser und das traditionelle Nutzungs- und Gewohnheitsrecht an. Semapa blieb. Es entstanden Institutionen mit Mechanismen zur Teilhabe und sozialen Kontrolle.

Doch bis heute sind Hunderttausende im Süden von Cochabamba nicht ans städtische Wassernetz angeschlossen. Warum nicht? 2010 schrieben Oscar Olivera und andere Anführer der Proteste in Cochabamba einen enttäuschten offenen Brief an Morales. Der aktuelle Geschäftsführer von Semapa verschiebt das Interview mit der taz mehrfach und antwortet schließlich nicht mehr. Sein Vorgänger Gamal Serhan, der 2018 als Geschäftsführer zurücktrat, äußert sich: „Weil kein Netz gebaut wurde, da es kein Wasser gab.“ Es habe auch Probleme mit dem damaligen Bürgermeister gegeben, der gleichzeitig Semapa-Vorstandschef war. Der sei wegen Korruption angezeigt worden.

Weiterhin haben Hunderttausende von Menschen kein fließendes Wasser

Das Unternehmen Semapa klagte später Serhan selbst an, wegen Korruption und Mauscheleien bei der Auftragsvergabe von Zählern. Der Prozess versandete.

Serhan sagt, er habe sich bei der Gewerkschaft unbeliebt gemacht, weil er „intelligente“ Wasserzähler einführen wollte. Die alten ermöglichten den Mitarbeitern Betrug: „Sie erließen den Leuten einen Teil des Wasserpreises und steckten sich den Rest selbst in die Tasche.“ Er wollte zudem ein neues Tarifsystem durchsetzen, das den Preis am Verbrauch und nicht wie bisher am Aussehen des Hauses festgemacht hätte. „Deshalb habe ich mich mit der Wasser- und Abwasserbehörde AAPS gestritten.“

Das Ergebnis: Weiterhin haben Hunderttausende von Menschen kein fließendes Wasser – und weiterhin werden gut 55 Prozent des gelieferten Wassers nicht berechnet und bezahlt, so die aktuellsten Angaben von Semapa. Es fehlt am Netz, und am Wasser.

Der langgezogene Park Parque Fidel Anze im Norden von Cochabamba könnte so idyllisch sein. Bäume spenden Kühlung, ein Rasensprenger tut seinen Dienst, gepflegt gekleidete Nachbarn führen Hunde aus. Auf der Straße drumherum fahren ständig Tankwagen an und ab. Sie stehen an den Mauern von einstöckigen Gebäuden, während von oben per Schlauch Liter um Liter Wasser hineinschießt. Hier sprudelt das Wasser, das vom Norden der Stadt in den Süden geliefert wird.

Grüner gepflegter Rasen in Cochabamba wird von Sprenklern bewässert

Seltene grüne Oase: der Hauptplatz in Cochabamba Foto: Wara Vargas Lara

Das ist auch das Geschäft von Adela Molina, eine zierliche Frau hinter einem der Metalltore. 50 Meter unter ihrem Haus gibt es Wasser. „Ich wusste, dass es Wasser gab, weil es bis an die Oberfläche kam. Bevor wir bauten, stand es hier.“ Sie brüllt gegen die Pumpen an, die im Vorhof rund um die Uhr arbeiten. „Das schädigt das Gehör. Aber mein Schlafzimmer geht nach hinten raus, da höre ich nichts.“ Nachts pumpen sie Wasser aus dem Boden in den Tank, tagsüber vom Tank in die Tankwagen, die es nach Süden bringen. Durch Schächte im Hof sind Rohre zu sehen, in mehreren Farben und unterschiedlich dick. Wasser rauscht.

Erst entnahm die Familie das Wasser nur für den Eigenbedarf. Seit 2016 verkauft sie Wasser an Tankwagen, sieben Tage die Woche. „Wir brauchten damals keine Erlaubnis für den Brunnen, weil der Nachbar von gegenüber schon einen hatte, die Nachbarin nebenan, hier kamen überall Tankwagen“, sagt Molina.

Reich wird sie damit nicht. Am Computer schreibt sie zur Abrechnung die Nummernschilder der Tanklaster auf, die die Kamera vor dem Haus ihr zeigt. 30 Bolivianos, etwa 3,60 Euro, bekommt sie für eine Tankladung von 14.000 Litern. „Wir wollen den Menschen in der Zona Sur damit helfen.“ Dort, im Süden, ist das Wasser rund sechzehnmal so teuer: Für eine Wassertonnenfüllung von 200 Litern zahlt man dort 7 Bolivianos. Außerdem liefert Molina an eine Trinkwasserfabrik.

Frau beugt sich zu einer Wasserleitung hinunter

Unter dem Haus von Adela Molina gibt es mehr als genug Wasser Foto: Wara Vargas Lara

7.000 Bolivianos, umgerechnet 844 Euro, zahlt Adela Molina jeden Monat für den Strom, der ihre Pumpen antreibt. Zudem stottert sie noch etwa fünf Jahre den Kredit für die Anfangsinvestitionen in Höhe von 40.000 Dollar ab. Den zu bekommen, sei einfach gewesen. „Für die Bank ist das ein sicheres Geschäft.“ Steuern müsse sie keine zahlen, weil sie der Zona Sur einen wichtigen Dienst leiste.

Dank des Wassers hätten alle Kinder studieren können, sagt Molina. Mehrere arbeiten haupt- oder nebenberuflich heute mit Wasser: Ein Sohn hat einen Tankwagen, die Tochter betreibt eine Trinkwasserfabrik, der andere Sohn hilft ihr neben seiner Arbeit bei der Stadt mit der Verwaltung.

„Es hat sich nichts geändert“

Wie viel Wasser unter ihrem Haus ist, weiß Molina nicht. Der Boden unter Cochabamba ähnelt wegen der vielen selbstgebohrten Brunnen einem Schweizer Käse. Im Jahr 2013 gab es laut einer Untersuchung 1.500 Brunnen in der Metropolregion Cochabamba, die meisten in der Zona Sur. Doch aktuelle verlässliche Zahlen gibt es nicht.

Ebenfalls unbekannt ist, wie viel Grundwasser aktuell noch unter der Stadt übrig ist. Immer mehr Boden wird versiegelt. An den rund 70 Regentagen im Jahr fallen nur zwischen 400 und 500 Millimeter Regen. Laut Carmen Ledo von der Universidad Mayor de San Simón ist bereits fast die Hälfte der Grundwasserleiterfläche von Cochabamba überbaut – der informelle Grundstückmarkt ist extrem spekulativ, Besitzverhältnisse sind oft dubios und Politiker betreiben Wahlkampfkosmetik wie Asphaltieren von Hauptstraßen, ohne vorher Kanäle für Wasser und Abwasser zu verlegen. Der jährliche Flächenfraß dürfte mittlerweile bei 23.000 Hektar liegen, sagt Ledo.

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In den Armenvierteln der Zona Sur verbrauchen die Menschen durchschnittlich 20 Liter am Tag – etwa ein Zwölftel des Pro-Kopf-Verbrauchs vom Norden. Aber sie zahlen für den Liter Wasser ein Vielfaches. Der Kampf gegen die Wasserprivatisierung habe den Armen nichts gebracht, bilanziert Ledo nüchtern: „Die Menschen im Süden haben dafür gekämpft, damit die im Norden nicht mehr als bisher zahlen müssen. Das Resultat ist, dass sie 20 Jahre später immer noch kein Wasser haben. Es hat sich nichts geändert.“

Die gemeinschaftlichen Notlösungen seien hochgradig intransparent und anfällig für Korruption und Misswirtschaft. Sie verlangen von den Nut­ze­r*in­nen zusätzlich zur monatlichen Gebühr in der Regel eine Beteiligung an den Baukosten und Arbeitseinsätze. Carmen Ledo hat 60 Systeme in der Zona Sur analysiert. Die Einnahmen werden in der Regel nicht auf einem Bankkonto deponiert, sondern bei den Chefs zu Hause – wenn sie sich nicht gleich damit aus dem Staub machen. Es gibt weder Abrechnung noch Kontrolle.

Eine Frau steht neben einem Lastwagen

Adela Molina verkauft sieben Tage die Woche Wasser an Tankwagen Foto: Wara Vargas Lara

Bei den Menschen selbst, im Viertel von Irma Medrano, ist darüber wenig in Erfahrung zu bringen. Die meisten wollen nicht mit der Presse sprechen und verweisen selbst bei einfachsten Fragen auf die Führung ihrer Wasservereinigung. Der Mann aus dem Direktorium der Wasservereinigung, der stolz den Gemeinschaftstank zeigt, will für Detailfragen den Kontakt des Präsidenten weitergeben. Der macht ihn durchs Telefon brüllend zur Schnecke, weil er mit der Presse spricht. Zum Interview kommt es nicht. Eckdaten zum Tank behandelt er, als handle es sich um den Zugangscode für Atomwaffen.

Die Menschen zahlen für das Wasser nicht nur mit überteuerten Preisen, sondern auch mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben. Ein Großteil der mit mühsam gesammeltem Gemeinschaftsgeld gebohrten Brunnen in der Zona Sur liefert heute nur noch versalzenes oder kontaminiertes Wasser. Falsch gebohrte Brunnen und lecke Sickergruben schädigen das Grundwasser. Unabhängige Kontrollen der alternativen Wasseranbieter gibt es nicht. Wer sein Wasser zum Testen ins Labor schickt, macht das freiwillig.

Carmen Ledo

„Immer Frauen in die Führungsebene, weil sie am meisten Wasser benutzen!“

Die Lebenserwartung im Süden von Cochabamba ist rund 35 Jahre niedriger als im Norden der Stadt, hat Carmen Ledo berechnet. Die Kindersterblichkeit ist etwa doppelt so hoch. Ein wichtiger Faktor sind die schweren Durchfallerkrankungen, die mit der mangelhaften Wasserqualität zu tun haben. Die Bedingungen im Süden der Stadt sind damit ähnlich schlecht wie in Haiti, sagt Ledo. Ihr Rat: „Immer Frauen in die Führungsebene, weil sie am meisten Wasser benutzen!“ Vereinigungen mit Präsidentinnen würden eher das Wasser chloren und untersuchen lassen. „Die Männer schicken es nie ins Labor.“

Wohnhäuser in trockener Umgebung

Zweigeteilte Stadt: Im Süden von Cochabamba herrscht Trockenheit Foto: Wara Vargas Lara

Selbst im Norden kann man das Wasser aus der Leitung nicht trinken, sagt die Journalistin Lorena Amurrio. Semapa bezieht sein Wasser von außerhalb der Stadt. Doch auch die städtische Mülldeponie Kara Kara ist seit Jahrzehnten eine tickende Zeitbombe und verschmutzt das Wasser. Die Müllabfuhr erreicht zudem nur einen Teil der 841.000 Ein­woh­ne­r*in­nen von Cochabamba.

Semapas veraltete Kläranlage Albarrancho, die gerade erweitert wird, leitet seit Jahren einen Großteil des Abwassers ungereinigt in den Fluss. Bauern gießen mit dem kontaminierten Flusswasser ihre Felder. Auch viele Betriebe, darunter Gerbereien, leiten ihr Wasser direkt in den Río Rocha. In der Trockenzeit ist das stinkende Ergebnis zur Morgenstunde schon im Landeanflug zu riechen.

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„Semapa schwört zwar, dass das aufbereitete Wasser alle Trinkwassernormen erfüllt. Aber alte Leitungen und Tanks können es anschließend verschmutzen,“ sagt Amurrio. Wasser kann trüb werden oder stinken, wenn die Leute ihre Tanks nicht richtig reinigen. Amurrio erinnert sich an einen Fall, wo das Wasser auf einmal schwarz aus dem Hahn kam: Der Frau war beim Reinigen des Tanks ein Vogel hineingeflogen und darin gestorben. Und Tanks haben in Cochabamba alle Menschen, weil niemand in der Stadt 24 Stunden am Tag Wasser aus der Leitung bekommt, sondern nur alle paar Tage.

Staudamm mit Verzögerung

Die Lösung für den Wassermangel im Tal von Cochabamba liegt auf fast 3.800 Metern Höhe jenseits der Bergkette: Der Staudamm Misicuni mit einer Kapazität von 175 Millionen Kubikmetern Wasser, die er dem gleichnamigen Amazonas-Zufluss abzwackt. Nach einigen Verzögerungen und massiven Kostensteigerungen ist er 2020 fertig geworden und hat 146 Millionen Dollar gekostet, bezahlt vom Staat. Er soll Trinkwasser, Bewässerungswasser und dank des Wasserkraftwerks Strom liefern.

Mann schaut auf Bildschirme, auf denen ein Staudamm zu sehen ist

Alle Hoffnung ruht auf dem Staudamm: Ein Ingenieur in der Misicuni-Zentrale Foto: Wara Vargas Lara

Sein Potenzial nutzt er aber bisher kaum aus. Die dazugehörige Wasseraufbereitungsanlage wartet seit 2020 auf den Betrieb. Denn die Leitungen in die Gemeinden sind nicht fertig. Diese müssten die Gemeinden finanzieren, weil sie nicht zum Projekt Misicuni gehören. Jede Leitung verläuft durch mehrere Gemeinden. Nach jahrelangem Streit, wer wie viel zahlen soll, entschied die Zentralregierung schließlich vor etwa vier Jahren, einzuspringen. Doch nach wie vor wird das überschüssige Wasser derzeit zurück in den Fluss geleitet.

Die dritte Bauphase des Staudamms steht noch aus. In ihr soll noch aus zwei weiteren Flüssen Wasser für den Stausee abgezweigt werden. Damit würden insgesamt 6.000 Liter pro Sekunde zur Verfügung stehen – 4.000 Liter zum Trinken, 2.000 Liter zur Bewässerung. Genug, um die wachsende Bevölkerung im Cochabamba-Tal langfristig zu versorgen, sagt Misicuni-Geschäftsführer Leonardo Anaya: „Aber dafür muss ich noch 140 Millionen Dollar auftreiben – und wenn ich morgen anfange, bin ich in fünf Jahren fertig.“

Frau mit Hut gießt heißes Wasser in einen Topf

Irma Medrano Ugarte träumt von fließendem Wasser Foto: Wara Vargas Lara

Derzeit könnten 3.000 Liter pro Sekunde fließen, davon zwei Drittel für Trinkwasser, der Rest zur Bewässerung. Tatsächlich werden nur 720 Liter genutzt: Semapa bekommt 600 Liter in seine Trinkwasseraufbereitungsanlaga Cala Cala geliefert, 120 Liter bekommen vom Bau des Wasserkraftwerks betroffene Gemeinden als Ausgleich.

Drei Hauptleitungen fehlen noch. Als nächstes soll die zur Nachbarstadt Sacaba fertig werden. Für die vierte, die ländliche Gemeinden mit Bewässerungswasser versorgen soll, steht noch nicht einmal die Finanzierung. Die Leitung zur Zona Sur ist erst zur Hälfte fertig. Nach bisherigem Plan dauert es noch zwei bis drei Jahre.

So träumt Irma Medrano weiter davon, an einem Ort zu leben, wo es 24 Stunden am Tag fließendes Wasser gibt. „Wenn es Wasser gibt, können wir Obst und Gemüse pflanzen. Aber hier gibt es keins. Es ist nicht mehr wie früher. Manchmal kommt nur noch Hagel, Kälte oder Wind. Kein Regen.“

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