Wasserstraße: Elbe soll noch tiefer werden
Der Bundesrechnungshof schlägt vor, einen stärkeren Ausbau der Fahrrinne zu prüfen: Die Container-Prognosen seien überholt. Niedersachsens Umweltminister hält das für "wahnsinnig".
Ginge es nach dem Bundesrechnungshof, könnte die Elbfahrrinne gleich um zwei, statt wie geplant, um einen Meter vertieft werden. Der weitergehende Ausbau solle geprüft werden, weil die laufenden Ausbaupläne auf überholten Verkehrsprognosen fußten, schreiben die Prüfer in einem Papier für das Bundesverkehrsministerium. Die Landesregierungen Hamburgs und Niedersachsens reagierten mit mehr oder weniger expressiver Ablehnung. Auch Beatrice Claus von der Umweltorganisation WWF ärgert sich: "Die ökologische Inkompetenz des Rechnungshofs ist erschreckend."
Die Vertiefung der Elbe für den Containerschiffsverkehr zum Hamburger Hafen ist zwischen der Hafenwirtschaft, Umweltschützern und Flussanrainern umstritten. Die Hafenlobby pocht darauf, dass auch sehr große Schiffe unabhängig von Ebbe und Flut Hamburg anlaufen können müssten. Die Umweltverbände befürchten Schäden für Fische und seltene Lebensräume. Die Anrainer sorgen sich um die Stabilität der Deiche und das Fahrwasser der kleinen Häfen in den Nebenflüssen.
Die jüngste große Elbvertiefung für einen tideunabhängigen Schiffstiefgang im Salzwasser von 12,50 Meter wurde 1999 abgeschlossen. Für eine weitere Vertiefung auf 13,50 Meter läuft das Planfeststellungsverfahren. Der Rechnungshof hat vorgeschlagen, eine Vertiefung auf 14,50 Meter zu prüfen.
Die Gutachter argumentieren, die aktuelle Ausbauvariante (13,50 Meter) sei auf der Basis eines im Jahr 2000 prognostizierten Containerumschlags gewählt worden. Die damalige Vorhersage von 9,5 Millionen Standardcontainern im Jahr 2015 sei "überholt". 2007 waren es bereits 9,9 Millionen Einheiten. Mit wachsendem Containerumschlag wachse auch der Nutzen des Hafens, so dass auch größere Investitionen gerechtfertigt seien, finden die Gutachter. Sie denken dabei vor allem Strombauwerke, die den entfesselten Fluss bändigen sollen.
In Hannover wird an dem Vorschlag kein gutes Haar gelassen: "Unverantwortlich", tobt Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP). Wer die Elbe noch mehr vertiefe, müsse auch die Deiche erhöhen, sagt Sander. Das habe der Rechnungshof nicht einkalkuliert. Zur Zeit hält Sander jedes Ansinnen, den Fluss über die geplanten 13,50 Meter auszubaggern für "wahnsinnig", der Widerstand gegen die aktuell diskutierte Elbvertiefung sei schon hart genug.
"Wir kennen das Papier nicht", heißt es in der Hamburger Wirtschaftsbehörde. "Wir haben nicht die Absicht, tiefer zu gehen, als in dem aktuellen Verfahren vorgesehen", versichert deren Sprecher Michael Ahrens.
Der WWF wundert sich, "dass der Rechnungshof die wirtschaftlichste Lösung nicht in Betracht zieht". Er verlangt eine engere Kooperation der Nordseehäfen. Für den Hamburger Hafen sei es wichtiger, seine Umschlagskapazitäten auszubauen als den Fluss zu vertiefen. Im Übrigen habe die jüngste Vertiefung die Kosten für die Unterhaltungsbaggerei vervierfacht. In einer Studie 2005 habe der WWF gezeigt, "dass die Umweltfolgen der Elbvertiefung von 1999 drastischer waren, als angenommen".
Ganz anders der Rechnungshof: Die Folgen der 1999er Vertiefung seien geringer gewesen, als befürchtet. Das ergebe sich aus den jährlichen Beweissicherungsberichten, mit denen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) die Veränderungen des Flusses dokumentiert.
Der Rechnungshof kritisiert auch den Aufwand, der für die Beweissicherung getrieben wird. Ab dem Jahr 2002 hätten sich die Erkenntnisse zu den Wasserständen und der Ökologie nicht mehr geändert. Die WSV des Bundes habe deshalb darauf gedrängt, den Umfang der Beweissicherung einzuschränken. Damit habe sie bei den Ländern auf Granit gebissen, die die Daten für ihre eigenen Zwecke brauchen würden.
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