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Wasserqualität in EuropaGut zum Baden, schlecht zum Leben

Die Gewässer Europas sind ungefährlich für Schwimmer, ökologisch aber katastrophal. Zum diesem Schluss kommt eine EU-Umweltbehörde.

Springen geht okay: In Deutschland haben neun von zehn Badestellen sehr gute Werte Foto: dpa

BERLIN taz | In Europa und besonders in Deutschland ist die Gewässergüte sehr unterschiedlich – je nachdem, um welche Kriterien es geht. Während der größte Teil der Seen und Flüsse als Badegewässer beste Noten bekommt, ist ihr ökologischer und chemischer Zustand deutlich schlechter. Das geht aus zwei umfangreichen Berichten hervor, die die europäische Umweltbehörde EEA rechtzeitig zum Sommer vorgestellt hat.

Von den 22.000 Badeseen, Flüssen und Stränden in ganz Europa, die 2017 untersucht wurden, erfüllen 96 Prozent die EU-Mindeststandards. 85 Prozent haben sogar „ausgezeichnete“ Qualität, sind also weitgehend frei von Enterokokken oder Kolibakterien, die aus der Landwirtschaft stammen und bei Menschen Darmbeschwerden verursachen können, wenn sie geschluckt werden. In vielen EU-Staaten haben sich milliardenschwere Investitionen in Kläranlagen und weniger Einleitungen nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie und den Vorschriften für den Meeresschutz gelohnt. In Deutschland zeigen laut EEA 91 Prozent aller Badestellen sehr gute Werte.

Diese Verbesserung sollte aber „nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit dem guten Zustand der Ökosysteme und des Umweltzustands gesehen werden“, warnen EU-Umweltkommissar Karmenu Vella und EEA-Chef Hans Bruynckx. Denn ökologisch und chemisch betrachtet, ist die Wasserqualität bei Weitem nicht so gut. Hier bekommen nur 40 Prozent der EU-Gewässer eine gute oder sehr gute Note. Die größten Probleme sind Verschmutzung, Bauprojekte wie Staudämme und zu viel Wasser­entnahme.

In Deutschland sieht es besonders schlimm aus. Laut EEA-Daten sind nur etwa 8 Prozent aller Gewässer in gutem ökologischen Zustand. Und bei der chemischen Belastung hat Deutschland ganz schlechte Karten: Während in der EU 38 Prozent aller Oberflächengewässer eine gute Wasserqualität aufweisen, sind die in Deutschland getesteten Flüsse, Seen und Küsten allesamt nicht zu empfehlen. Das liegt vor allem am Gehalt von Quecksilber, das aus Altbeständen wie zerbrochenen Thermometern und der Verbrennung von Kohle stammt. Auch die Belastung mit Nitrat im Grundwasser ist in Deutschland ein großes Problem, 36 Prozent aller Proben zeigen zu hohe Werte.

Man hat zu lange weggesehen, wenn Industrie und Landwirtschaft auf Kosten unseres Wassers gewirtschaftet haben

Christoph Heinrich, WWF

Deutschland verfehle die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie klar, sagte Christoph Heinrich vom Umweltverband WWF: „Man hat zu lange weggesehen, wenn Industrie und Landwirtschaft auf Kosten unseres Wassers gewirtschaftet haben.“

Allgemein findet die EU-Untersuchung deutlich bessere Wasserqualität beim Grundwasser als an den Oberflächen. Besonders belastet sind Staaten mit hoher Bevölkerungsdichte und Landwirtschaft wie Deutschland und die Benelux-Länder. Die besten Öko­bilanzen hat das Oberflächenwasser im Norden Skandinaviens, in Schottland, Rumänien und der Slowakei. (mit dpa)

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4 Kommentare

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  • Apropos wasser: ich vermisse einen Artikel und Informationen über



    JEFTA, das Handelsabkommen der EU mit Japan. Es soll Konzernen und großen Investoren erlauben, Geschäfte mit unserem Trinkwasser zu machen.

  • "Das liegt vor allem am Gehalt von Quecksilber, das aus Altbeständen wie zerbrochenen Thermometern ..."



    Es ist immer wieder amüsant, wenn versucht wird, dem Ottonormal eine Mitschuld unterzuschieben. ;-)

  • Als begeisterter Kanuwanderer der seit drei Jahrzehnten die Flüsse Europas befährt kann ich diesen Schlüssen nicht folgen. Ich muss natürlich zugeben das ich kein Labor mit mir herumtrage und deshalb Belastungen mit Schwermetallen und Nitraten nicht olfaktorisch erfassen kann. Nach meiner Laieneinschätzung sind Flüsse wie de Po Italien, Cavado und Tjoa in Portugal, die Warta in Polen ,die Maas in Belgien/ Holland und die Someș ( Rumänien) wesentlich stärker belastet als z.B Weser oder Elbe.

  • Natur, Bildung und Soziales haben so gut wie unbegrenzte Investitionsmöglichkeiten, zumindest aktuell.

    Bemerkenswert, was diesbezüglich die Mikrosiebanlage am Tegeler See geleistet hat. 2010 eine traurige Brühe mit unter einem Meter Sichtweite, 2013 klarstes Wasser mit 15 bis 20m. (Amazonas)

    Mindestens 8 von 10 stehenden Gewässern in NRW (und Restwestland) sind verschmutzt, eine lohnende Investition in mobile Mikrosiebanlagensysteme für Umweltbehörden auf Landesebene zum Verleih, auch mit Blick auf den Export.

    Bei Fliessgewässern von guten bis sehr guten Werten zu sprechen, finde ich übertrieben, spätestens nach 70.000 Einwohnern Kläranlage, steckt der Kloakengeruch im Gewässer und alles was sich darin abbildet.



    Das gilt auch für die Staaten, die vermeintlich gut abgeschnitten haben, dabei fehlen eigentlich nur die Schweiz und Norwegen, denn dann könnten wir uns gleich wieder zurücklehnen. Obwohl die Österreicher geben sich sehr viel Mühe mit dem natürlichen Rückbau der Donau. Aber den Hausen, diesen gigantischen Riesen, lebendes Fossil, wird das vermutlich auch nicht retten, dazu müsste man mit Serbien verhandeln. - Als Beitrittskriterium für die EU : kooperative Ökologie.

    Dazu kommt die extrem krasse Verbauung bzw Begradigung die das Naherholungssystem Gewässer unbetretbar machen.



    Am freundlichsten und natürlichsten, weil betretbar und für den Menschen, die Anwohner direkt nutzbar, sehen viele Gewässer in der Nähe von Brücken aus.



    Dort wo die Autofahrer durchbrettern und die Beifahrer verwundert über vermeintliche Ökohysterie den Kopf schütteln.



    Was wären denn hundert Badestellen an dem Fluss (103km), der unsere Landschaft prägt und an dem 300.000 Menschen leben? Naturschwimmbäder durch künstlich angelegte natürliche Seen, an den Gewässern, ökologische Atmungsräume. Die Namen der Tiere und deren Laute, die man dort trifft. Sicherlich eine Katastrophe für die vagabundierenden Nomaden des Schnäppchentourismus.

    Wem gehört die Luft _ ?



    Rettet den Waldrapp !!!