Wasser sparen in Kolumbien: Hahn zu beim Zähneputzen
Kolumbiens Hauptstadt Bogotá erlebt die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Millionen Menschen wird das Trinkwasser rationiert.
Schuld an der Misere ist das globale El-Niño-Phänomen, das durch die Klimakrise bedeutend verstärkt wird. Das Ergebnis ist Dürre. Aufgrund der Trockenheit leidet Kolumbien seit Jahresbeginn unter sengender Hitze und hunderten Waldbränden, die auch in den Bergen oberhalb von Bogotá wüteten.
Die Rationierung beginnt an diesem Donnerstag um 8 Uhr morgens. Bogotá wurde dafür in neun Sektoren aufgeteilt, in denen im Wechsel täglich das Wasser ab 8 Uhr morgens für 24 Stunden abgedreht wird, so dass die Menschen jeweils alle neun Tage ohne Wasser auskommen müssen. Betroffen sind außerdem elf Nachbargemeinden im angrenzenden Departamento Cundinamarca, die ebenfalls ihr Wasser über Bogotá beziehen. Ausgenommen sind Schulen, Krankenhäuser und Altenheime.
Chingaza ist nur eins von drei Systemen, die Bogotá mit Trinkwasser versorgen – aber für 70 Prozent verantwortlich. Das System heißt so, weil seine beiden Stauseen sich mit Wasser aus dem Parámo de Chingaza im gleichnamigen Nationalpark speisen. Páramos sind andine Vegetationstypen in 3.000 bis 4.500 Metern Höhe. Sie sind kalt, feucht, sumpfig, schön – und Trinkwasserfabriken. Normalerweise geht man dort am besten mit Gummistiefeln wandern, um nicht im Schlamm oder im Bach steckenzubleiben. Doch derzeit geht es sogar in Turnschuhen.
Geschrumpfte Stauseen
Die Chingaza-Stauseen sind erschreckend geschrumpft. Besonders erschütternd ist der Anblick von San Rafael, einem Ausflugsziel vieler HauptstädterInnen. Statt blauem Wasser in Grün gleicht er jetzt einer Pfütze im Schlamm.
Es bräuchte sechs Monate Dauerregen, um das Chingaza-System wieder auf den Normalstand zu bringen, schätzt der städtische Wasseranbieter EAAB. Selbst wenn es in Bogotá schütten würde, nütze das nicht. Es müsse an den Stauseen regnen, in der Orinoco- und der Amazonas-Region. Und es wird wohl noch schlimmer: Nach El Niño soll ab Juli La Niña kommen. Das Phänomen bringt auf dem Festland häufig Dürren mit sich. 2025 soll also noch schlimmer werden.
Der Klimawandel sei „eine Realität, die wir nicht ignorieren können“, warnte Bürgermeister Galán. Die Maßnahmen sollten erreichen, dass Ende 2024 die Stauseen gefüllt sind, um für 2025 gerüstet zu sein“. Dafür müsste jetzt der Verbrauch von 17 auf 15 Kubikmeter pro Sekunde gesenkt werden – das entspricht 11 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs der Stadt. „Jeder Tropfen zählt!“, appellierte der Bürgermeister. Die Behörden würden die BürgerInnen künftig täglich über den Wasserverbrauch informieren – und über den Wasserstand der beiden Stauseen im Chingaza-System.
„Seit Januar haben wir inständig zum Wassersparen aufgerufen, aber das hat nicht gereicht“, erklärte Galán. Tatsächlich waren die Rufe eher leise. In der Öffentlichkeit war das Thema nicht massiv präsenter als sonst. Im März warnte der Wasseranbieter EAAB sogar, dass täglich 86 Millionen Liter mehr als vor einem Jahr verbraucht würden.
Lieder, die nur fünf Minuten dauern
Nun fluten die Behörden die sozialen Medien geradezu mit Aufrufen und Tipps zum Wassersparen. Zum Beispiel, indem sie Lieder mit Wasserbezug nennen, die unter fünf Minuten dauern – das ist empfohlene Duschzeit. Besonders viel Sparpotenzial scheint es bei laufenden Wasserhähnen zu geben. Laut EAAB gehen 58 Prozent des Wasserverbrauchs pro Person für Körperhygiene drauf. Weitere Tipps: Wasser beim Einseifen und Zähneputzen abstellen oder einen Eimer unter die Dusche stellen, bis das Wasser warm ist.
Die Frage ist, ob die Maßnahmen helfen. In Bogotá haben die meisten Wohngebäude Wassertanks auf dem Dach, aus denen die BewohnerInnen ihr Leitungswasser bekommen. Denn der Wasseranbieter dreht auch ohne Krise jeden Tag irgendwo das Wasser ab, um Reparaturen am Netz durchzuführen. Je nach Größe der Tanks könnte es vielleicht sogar möglich sein, dass die BewohnerInnen von der Einschränkung nichts mitbekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen